Entscheidungsstichwort (Thema)
Was ist ein Gerät zum Messen im Sinn der Position 9 030 KN
Leitsatz (NV)
Wird ein mikrogesteuertes Auswertegerät für die Chromatographie von der Position 9 030 KN erfaßt? (Vorlage an den EuGH)
Normenkette
KN Position 9 030
Tatbestand
Die Beklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) erteilte der Klägerin sechs verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über von der Klägerin als ,,Dataprocessoren (Datenverarbeitungsgeräte)" bzw. ,,Computer incorporated" bezeichnete Geräte mit den Typenbezeichnungen. Nach der Warenbeschreibung in den vZTA handelt es sich in vier Fällen jeweils um einen Dataprozessor mit Bedienungsfeld, Prozessor, Wandler, elektrischen Schnittstellen, elektronischen Bauelementen und mit diesem Gerät durch Kabel verbundenen Printer / Plotter, in zwei Fällen jeweils um einen Integrator mit Bedienungsfeld, Zentralprozessor, Wandler, Printer / Plotter, elektrischen Schnittstellen und elektronischen Bauelementen. Alle Geräte dienen nach der Beschreibung in den vZTA dem Messen von elektrischen Signalen externer Analysegeräte und Umwandlung in digitale Signale, die mit vorprogrammierten Kenndaten verglichen und weiterverarbeitet werden. Die OFD wies die Waren als ,,Geräte zum Messen elektrischer Größen (Signalerfassung und -analyse), mit Registriervorrichtung, nicht für Luftfahrzeuge" der Unterposition 9 030 8190 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu.
Mit ihren nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen begehrt die Klägerin die Aufhebung der vZTA und der Einspruchsentscheidungen sowie die Feststellung, daß die Geräte zur Unterposition 8 471 20 KN gehören. Zur Begründung trägt sie vor: Die Geräte würden in der Chromatographie verwendet. Die in der Chromatographie eingesetzten Detektoren erfaßten als Analyseergebnis physikalische Kenngrößen, die als bestimmte elektrische Spannung den zu tarifierenden Geräten zugeführt und in ihrem Prozessor digitalisiert würden. Die Bearbeitung der Daten der Zentraleinheit erfolge durch vorgegebene mathematische Formeln. Bei der Verarbeitung der Signale sei nicht der Absolutwert der elektrischen Übertragung maßgeblich, sondern die zeitliche Veränderung der physikalischen Kenndaten. Die digitalisierten Daten würden im Schreib-Lesespeicher zwischengespeichert. Wegen dieser Funktionsweise eigne sich das Gerät nicht zum Messen einer elektrischen Größe, da die elektrische Größe (hier: Spannung) lediglich zur Übertragung der eigentlich interessierenden physikalischen Kenngröße diene. Die Geräte seien der Unterposition 8 471 20 KN zuzuordnen, da sie über eine Zentraleinheit, eine Eingabeeinheit und eine Ausgabeeinheit sowie über einen Schreib-Lesespeicher verfügten und damit auch nach den Erläuterungen zu dieser Unterposition alle Kriterien für diese Tarifierung erfüllten.
Die OFD wendet im wesentlichen ein: Die Geräte seien nach der Funktionsbeschreibung durch die Klägerin vergleichbar den Erzeugnissen, die durch die Verordnung (EWG) Nr. 2 334/83 (VO Nr. 2 334/83) der Kommission vom 11. August 1983 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 224/14) und die Verordnung (EWG) Nr. 1 368/87 (VO Nr. 1 368/87) der Kommission vom 18. Mai 1987 (ABlEG L 130/5) als ,,Geräte zum Messen elektrischer Größen" der Tarifnr. 90.28 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zugeordnet worden seien. Durch die Verordnung (EWG) Nr. 646/89 (VO Nr. 646/89) der Kommission vom 14. März 1989 (ABlEG L 71/20) sei in der VO Nr. 2 334/83 die bisher maßgebliche Tarifnr. 90.28 GZT durch die Position 9 030 KN ersetzt worden. Eine Zuweisung zur Position 8 471 KN komme übrigens auch deshalb nicht in Betracht, weil die Geräte nicht ,,frei programmierbar" seien, wie es nach der Anmerkung 5 A a Nr. 2 zu Kapitel 84 KN von automatischen Datenverarbeitungsmaschinen i. S. der Position 8 471 KN gefordert werde. Dagegen behauptet die Klägerin, die Geräte seien frei programmierbar, und bietet dafür Beweis u. a. durch ein Sachverständigengutachten an.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ab, nämlich solcher der KN. Der Senat ist daher nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verpflichtet.
Nach Anm. 1m zu Abschn. XVI KN gehören zu diesem Abschnitt nicht die Waren des Kapitels 90. Die Zuweisung der zu tarifierenden Geräte zur Position 8 471 KN (Automatische Datenverarbeitungsmaschinen) scheidet daher von vornherein aus, falls die Geräte von Kapitel 90 erfaßt sind. In Betracht kommt die Position 9 030 KN (früher Tarifnr. 90.28 i. V. m. Vorschrift 5a zu Kapitel 90 GZT), die u. a. ,,Instrumente, Apparate und Geräte zum Messen und Prüfen elektrischer Größen" erfaßt. Der Senat neigt zu der Auffassung, daß diese Position hier nicht zutrifft.
Das vorlegende Gericht hat bisher in zwei Fällen entschieden, ,,zum Messen" i. S. der Tarifnr. 90.28 GZT dienten nur Geräte, die das Messen bestimmter Größen und das Anzeigen des Wertes dieser Größen zum Ziel hätten; allein der Umstand, daß die Arbeitsweise eines Gerätes auf einem meßtechnischen Verfahren beruhe, mache es noch nicht zu einem Meßgerät. Der Senat hielt diese Auslegung des GZT für offenkundig; die von der OFD im vorliegenden Verfahren zitierten Kommissionsverordnungen waren ihm damals nicht bekannt. Bei Anwendung dieser Auffassung auf den vorliegenden Fall können die zu tarifierenden Geräte nicht in die Position 9 030 KN eingeordnet werden. Denn die Geräte messen zwar im Rahmen ihrer Funktion elektrische Größen (Stromspannung), haben aber die Anzeige dieser Größen (,,Messen") nicht zum Ziel, sondern die Darstellung und die Behandlung von Chromatogrammen.
Die von der OFD zitierten Kommissionsverordnungen gehen offenbar von einer anderen Auslegung der Tarifnr. 90.28 GZT bzw. - nach der VO Nr. 646/89 - der Position 9 030 KN aus. In der Begründung der VO Nr. 2 334/83 - die den hier zu tarifierenden Geräten vergleichbare Erzeugnisse betrifft - heißt es, daß ,,der Vergleich der in elektrische Größen umgesetzten Analysenergebnisse mit vorprogrammierten Kenndaten . . . ein Meßvorgang" sei. Danach ist die Kommission offenbar der Meinung, daß zum ,,Messen" i. S. des GZT bzw. - nach der VO Nr. 646/89 - der KN nicht auch die Anzeige der gemessenen Größe gehört. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist von Messen dagegen nur dann die Rede, wenn der Meßwert einer physikalischen Größe durch Vergleich mit einer bekannten Bezugsgröße festgestellt, d. h. auch dargestellt wird.
Falls der Begriff ,,Messen" der Position 9 030 KN nur im letztgenannten Sinn verstanden werden kann, sind die von der OFD zitierten Verordnungen, insbesondere die VO Nr. 646/89 i. V. m. der VO Nr. 2 334/83, ungültig. Zwar hat die Verordnung (EWG) Nr. 97/69 des Rates vom 16. Januar 1969 (ABlEG L 14/l) der Kommission einen großen Beurteilungsspielraum bezüglich der Entscheidung zwischen zwei oder mehreren für die Einreihung einer bestimmten Ware in Betracht kommenden Tarifnummern eingeräumt (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 28. März 1979 Rs. 158/78, EuGHE 1979, 1 103, 1 117). In gleicher Weise dürfte auch die entsprechende Ermächtigung für die Kommission hinsichtlich der Einreihung von Waren in die KN (Verordnung - EWG - Nr. 2 658/87 des Rates vom 23. Juli 1987, ABlEG L 256/l) auszulegen sein, auf der die VO Nr. 646/89 beruht. In Widerspruch zur KN darf sich die Kommission aber durch eine Tarifierungsverordnung nicht setzen. Falls die Auslegung richtig ist, die der Senat in den oben zitierten Urteilen hinsichtlich der Auslegung des Begriffes ,,Messen" vertreten hat, hat sich die Kommission in den von der OFD zitierten Tarifierungsverordnungen nicht im Rahmen des GZT bzw. der KN gehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 416487 |
BFH/NV 1990, 134 |