Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Dataprozessoren
Leitsatz (NV)
1. Geräte, die elektrische Größen nur messen oder prüfen, um Daten auf dem Gebiet der Chromatographie zu erfassen, fallen nicht unter die Position 9030 KN (Anschluß an Rspr. EuGH).
2. Die Geräte (1.) können automatische Datenverarbeitungsmaschinen der Position 8471 KN sein, wenn sie insbesondere frei programmierbar sind. Letzteres trifft zu, wenn irgendein unabhängiges Programm geschrieben und verarbeitet werden kann (neben den bestimmungsgemäßen Festprogrammen).
Normenkette
KN Unterpos. 9030, 8190, 8471 20; KN Pos. 8543
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten wird über die zolltarifliche Einreihung bestimmter, zur Darstellung und Behandlung von Chromatogrammen verwendeter ,,Dataprozessoren" gestritten. Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) wies diese in den der Klägerin erteilten sechs verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) - Nr. . . . - der Unterposition 9030 8190 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - ,,andere" Geräte zum Messen elektrischer Größen, mit Registriervorrichtung - zu (bestätigt durch Einspruchsentscheidungen . . .).
Die Klägerin, die die Unterposition 8471 20 KN - digitale automatische Datenverarbeitungsmaschinen, mit Einheiten in gemeinsame Gehäuse - für zutreffend hält, hat hiergegen Klagen erhoben.
In den Klageverfahren hat der Senat mit Beschluß vom 16. Juni 1989 VII K 12-17/88 (BFH/NV 1990, 134) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt. Auf diesen Beschluß wird, auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, verwiesen. Mit Urteil vom 4. Dezember 1990 Rs. C-218/89 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 119; amtlich noch nicht veröffentlicht) entschied der EuGH, daß Geräte, die elektrische Größen nur messen oder prüfen, um Daten auf dem Gebiet der Chromatographie zu erfassen, nicht unter die Position 9030 fallen.
Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Geräte, die Zentral-, Eingabe- und Ausgabeeinheiten enthielten, zu Unterposition 8471 20 gehörten. Sie seien insbesondere ,,frei programmierbar" (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Verwendung der Programmiersprache ,,Basic", mit der die Geräte arbeiteten, ermögliche es, den Arbeitsprozeß durch die Eingabe von Variablen zu verändern. Damit verfügten die Geräte, die nicht nur der Verarbeitung von vorgegebenen Kenndaten dienten, über ein unbegrenztes Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten. So lasse sich beispielsweise auf einem der Chromatographen auch ein Programm zum ,,Schiffeversenken" schreiben und verarbeiten. Ähnliche bildschirmunabhängige Programme ließen sich auch auf den anderen Chromatographentypen schreiben. Schon die Verwendung der Programmiersprache ,,Basic" mache deutlich, daß die Geräte frei programmierbar seien.
Die OFD führt demgegenüber aus, die Geräte seien nicht frei programmierbar und erfüllten nicht die Voraussetzungen von Anmerkung 5 Aa zu Kapitel 84 (insbesondere Nr. 2 a. a. O.). Die Klägerin habe selbst angegeben, daß die Bearbeitung der Daten der Zentraleinheit durch vorgegebene mathematische Formeln (numerische Integration, arithmetische Meßgrößen, Statistik usw.) erfolge, wobei diese ROM-mäßig - also durch fest programmierte Speicher (Erklärung der OFD) - vorgegeben würden. Daraus ergebe sich, daß die Dataprozessoren speziell auf eine Verwendung in der Chromatographie abgestimmt seien und nicht in der allgemeinen Datenverarbeitung eingesetzt werden sollten. Sie würden nicht dadurch ,,frei programmierbar", daß auf ihnen auch ein Programm, wie von der Klägerin angegeben, geschrieben und verarbeitet werden könnte. Auch das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von Anmerkung 5 Aa zu Kapitel 84 habe die Klägerin nicht nachgewiesen. In Betracht komme nur eine Einreihung in die Position 8543 (in Kapitel 85 anderweit weder genannte noch inbegriffene elektrische . . Geräte mit eigener Funktion). Nachdem der Ausschuß für die KN Einreihungsgrundsätze erarbeitet habe, bereite die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine entsprechende Einreihungsverordnung vor, u. a. mit der Begründung, daß diese Geräte nicht frei programmierbar seien.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind aufzuheben, weil die Geräte, wie sich aus dem in diesem Verfahren ergangenen EuGH-Urteil vom 4. Dezember 1990 ergibt, nicht, wie in den vZTA festgestellt, zu Position 9030 KN gehören (hierzu auch Senat, Urteil vom 26. April 1988 VII R 116/85, BFHE 153, 265, 267 f.).
Auch im übrigen ist den Klagen, die insoweit als Verpflichtungsbegehren aufzufassen sind, stattzugeben. Die Waren sind nicht der Position 8543 zuzuweisen, die nur für nicht anderweit - etwa in Kapitel 84 - genauer erfaßte Geräte usw. in Betracht kommt (Erläuterungen zum Harmonisierten System - ErlHS - zu Position 8543 Rz. 01.0), sondern zu der der - noch nicht festgestellten - Speicherkapazität ihrer Schreib-Lesespeicher entsprechenden jeweiligen Unterteilung von Unterposition 8471 20 (,,andere"). In diesem Sinne ist die OFD zur Erteilung neuer vZTA an die Klägerin zu verpflichten.
Digitale automatische Datenverarbeitungsmaschinen müssen den Erfordernissen von Anmerkung 5 Aa zu Kapitel 84 genügen. Die Klägerin hat, insbesondere in den Klageschriften, im einzelnen ausgeführt, daß diese Voraussetzungen gegeben seien. Die OFD ist dem nur insoweit substantiiert entgegengetreten, als es sich um die freie Programmierbarkeit (Nr. 2 a. a. O.) handelt. Auch diese Voraussetzung ist indessen als erfüllt anzusehen. Es liegen keine Maschinen vor, die nur mit festen, wenn auch ggf. wählbaren Programmen arbeiten (vgl. ErlHS zu Position 8471 Rz. 17.0), sondern solche, die entsprechend den Benutzeranforderungen frei programmiert werden können. Dafür spricht bereits, daß die Geräte die für Datenverarbeitungsmaschinen typische Programmiersprache ,,Basic" verwenden (vgl. insoweit Senat, Beschluß vom 30. April 1987 VII K 10/85, BFHE 150, 100, 104; dazu EuGH, Urteil vom 20. Januar 1989 Rs. 234/87, EuGHE 1989, 72). Hinzu kommt, daß nach den Angaben der Klägerin mit den Geräten unabhängige Programme geschrieben und verarbeitet werden können. Die OFD hat auch dies nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich die Auffassung vertreten, diese Möglichkeit genüge nicht für eine freie Programmierbarkeit. Dabei geht die OFD offenbar davon aus, daß nur in der allgemeinen Datenverarbeitung verwendbare Geräte frei programmierbar seien. Dies kann jedoch der zolltariflichen Definition nicht entnommen werden. Welche unabhängigen Programme geschrieben und verarbeitet werden können, ist ohne Bedeutung; es reicht aus, daß eine entsprechende Möglichkeit überhaupt besteht. Dabei ist es unschädlich, daß für den eigentlichen Verwendungszweck der Geräte - Datenerfassung auf dem Gebiet der Chromatographie - Festprogramme bestehen. Das bedeutet noch nicht, daß die Geräte nur mit solchen Programmen arbeiten. Ihre ,,anwendungsneutrale" Beschaffenheit im Sinne einer freien Programmierbarkeit ergibt sich aus der unbestritten gebliebenen Beschreibung der Geräte seitens der Klägerin (Basic; unabhängige Programme). Für die Geräte der X-Serie wird sie zudem in der technischen Beschreibung ausdrücklich hervorgehoben (,,enable the free and easy access of processing parameters").
Auf den Antrag der OFD, das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung auszusetzen, bis der Ausschuß für die KN über die Einreihung der Geräte entschieden hat, ist nicht einzugehen, weil sich dieser Antrag inzwischen erledigt hat (bereits erfolgte Festlegung durch den Ausschuß). Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens - Vorgreiflichkeit der Entscheidung - lägen überdies nicht vor. Dasselbe gilt im Hinblick auf eine künftig etwa zu erwartende Einreihungsverordnung, die unmittelbare rechtliche Bedeutung nur für die Zukunft hätte. Im übrigen hat die OFD selbst vorgetragen, frei programmierbare Geräte seien nach Ansicht des Ausschusses der Position 8471 zuzuordnen (,,Integratoren"). Solche Geräte liegen hier aber vor. Ihre Tarifierung wird sich also künftig nicht ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 417861 |
BFH/NV 1992, 350 |