Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Datenbanken
Leitsatz (NV)
1. Datenbanken, die nicht frei programmierbar sind, bei denen der Benutzer also auf die vorhandenen, fest gespeicherten Dienstleistungsprogramme angewiesen ist, sind selbst dann keine automatischen Datenverarbeitungsmaschinen im Sinne der Unterpos. 8471 20 KN, wenn mittels einer IC-Karte zusätzliche feste Programme geladen werden können.
2. Solche Datenbanken (Nr. 1) sind als elektrische Geräte mit eigener Funktion der Pos.8543 KN zuzuweisen, wenn sie eigenständig, ohne daß der Benutzer zugleich Besitzer eines Personalcomputers sein müßte, verwendet werden können.
Normenkette
KN Pos.8543, Unterpos.8471 20, 8471 92, Anm.5 Aa Nrn. 2, 2Anm.5 B zu Kap.84 GZT
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin vier verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über die durch technische Unterlagen und Zeichnungen näher beschriebenen ,,Datenbanken A, B, C und D". Nach den Warenbeschreibungen handelt es sich dabei um batteriebetriebene Multifunktionsgeräte, die in klappbaren Gehäusen verschiedener Größen im wesentlichen jeweils eine Flüssigkristallanzeige, Tastenfelder mit Buchstaben-, Zahlen- und Funktionstasten sowie Datenspeicher, Rechner und Uhr (mit Kalender) enthalten. Die Datenbank D weist zusätzlich einen Aufnahmeschacht für IC-Karten auf. In die Datenbanken können Informationen (Namen, Adressen, Telefonnummern, Termine usw.) eingegeben, gespeichert und über die Flüssigkristallanzeige wieder abgerufen werden. Die Geräte können auch zur Durchführung einfacher Rechenoperationen und als Uhr benutzt werden. Sie sind in einer gemeinsamen Verkaufsumschließung mit einem Datenübertragungskabel und einem Bedienungshandbuch verpackt.
Mittels des Kabels ist eine Datenübertragung von Gerät zu Gerät möglich; für den Anschluß an einen Personalcomputer ist zusätzlich eine separat angebotene externe Schnittstelle XY erforderlich.
Die OFD reihte die Datenbanken in die Unterpos.8543 8080 der Kombinierten Nomenklatur 1991 (KN) - elektrische Geräte mit eigener Funktion, in Kapitel 85 anderweit weder genannt noch inbegriffen - ein und wies sie der Codenummer 8543 8080 9990 des Deutschen Gebrauchs Zolltarifs (DGebrZT) zu.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage. Sie macht im wesentlichen geltend, die streitgegenständlichen Modelle erfüllten als Notizbuch-Computer formal und inhaltlich sämtliche Anforderungen der Anmerkung 5B zu Kap.84 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT). Die mit eigener Zentraleinheit versehenen Geräte könnten mittels ihrer Bus-Architektur direkt an die dafür vorgesehenen Ein-/Ausgänge von Personalcomputern angeschlossen werden. Mit diesen und untereinander sei ein Austausch gegenseitig verwendbarer Daten möglich, wobei die Notizbuch-Computer die Rolle der dezentral nutzbaren Abruf- und Eingabekomponenten übernähmen. Die Geräte dienten nicht primär der Informationsspeicherung, sondern dem gezielten Informationsabruf (Informationsrecherche). So sei die zweckmäßigste Art der Verwendung der Notizbuch-Computer diejenige, die veränderlichen Informationsinhalte auf Personalcomputern (im Büro) zu speichern und sie von dort bei Bedarf auf die Notizbuch-Computer zu laden, von denen sie dann z.B. auf Reisen abgerufen und verarbeitet werden könnten. Daß für Geräte für Informationsrecherchen eine angemessene tarifliche Kategorie nicht vorgesehen sei, könne nicht zur Einreihung der Geräte in die Kategorie ,,Informationsspeicherung" führen. Überhaupt seien die tradierten zolltariflichen Vorstellungen auf die vorliegende neue Klasse der Notizblock-Computer nicht anwendbar. Zur Unterstützung ihrer Ansicht beruft sich die Klägerin auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 20. Januar 1989 Rs.234/87 (EuGHE 1989, 72).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Wie in den vZTA zutreffend festgestellt, sind die Datenbanken elektrische Geräte mit eigener Funktion der Pos.8543 KN.
1. Eine von der Klägerin begehrte Einreihung in die Pos.8471 KN kommt nicht in Betracht.
a) Die Datenbanken sind keine digitalen automatischen Datenverarbeitungsmaschinen der Unterpos.8471 20. Eine solche Einreihung setzte gemäß Anmerkung 5 A a Nr. 2 zu Kap.84 GZT voraus, daß die Datenbanken entsprechend den Benutzeranforderungen frei programmiert werden könnten (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Juni 1991 VII K 12-17/88, BFH/NV 1992, 350 - Dataprozessoren -). Das ist jedoch selbst nach dem Vorbringen der Klägerin nicht der Fall. Hiernach ist eine freie Programmierbarkeit im herkömmlichen Sinne nicht gegeben. Der Benutzer hat nicht die Möglichkeit, selbst ein beliebiges Programm in einer Maschinen- oder höheren Sprache (z.B. BASIC) zu erstellen. Er ist vielmehr auf die vorhandenen, fest gespeicherten Dienstleistungsprogramme (Kalender, Uhr mit Alarm, Terminplaner, Telefon- und Geschäftskartenregister, Notizblock, Taschenrechner usw.) beschränkt. Sie können von ihm nicht geändert werden. Das gilt auch für das Modell D, bei dem mittels einer IC-Karte zusätzliche feste Programme geladen werden können. Solche Geräte sind keine automatischen Datenverarbeitungsmaschinen (vgl. Erläuterungen zum Harmonisierten System - ErlHS - zu Pos.8471 Rz.17.0).
Unerheblich für eine Einreihung in die Unterpos.8471 20 ist, daß der Benutzer mit der Menüführung die Dienstleistungen interaktiv abrufen und seinen eigenen Wünschen entsprechend gestalten kann. Das ist kein freies Programmieren, wie es der Zolltarif (ZT) voraussetzt, sondern lediglich eine interaktive Steuerung der vorhandenen Datenbankfunktionen.
Die Klägerin kann sich für ihre Ansicht auch nicht mit Erfolg auf das EuGH-Urteil vom 20. Januar 1989 Rs.234/87 (EuGHE 1989, 72) berufen. Dort handelte es sich im Gegensatz zum vorliegenden Fall gerade um frei programmierbare Rechner, auch wenn dabei eine einfachere als die Programmiersprache BASIC Verwendung fand (vgl. auch den dem EuGH-Urteil zugrunde liegenden Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 30. April 1987 VII K 10/85, BFHE 150, 100).
Das Urteil des EuGH spricht eher gegen die Klägerin, da der Gerichtshof darin seine Auffassung bestätigt hat, daß dem Fortschritt der technischen Entwicklung grundsätzlich nur durch eine Änderung des ZT durch den Gemeinschaftsgesetzgeber, nicht aber auch im Wege einer veränderten Auslegung des ZT durch Verwaltung und Gerichte Rechnung getragen werden darf (Abs. 12 und 13 der Gründe). Dem Senat ist es daher nicht möglich, der Kritik der Klägerin an dem Erfordernis der freien Programmierbarkeit, die sie als ,,hinderliches, überholtes Relikt aus früheren Vorstellungswelten" bezeichnet hat, Folge zu geben, auch wenn es einleuchtend sein mag, daß angesichts der schnellen Entwicklung von Leistung und Komplexität von Computersystemen der Durchschnittsbenutzer nicht den für eine Programmierung erforderlichen Ausbildungsstand aufweist, eine freie Programmierung bei den zahlreichen zur Verfügung stehenden Anwendungsprogrammen an sich nicht zwingend geboten ist und eigenes Programmieren sogar unerwünschte Folgen für Anwender und Volkswirtschaft haben kann. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß der Tarif lediglich auf die Möglichkeit des freien Programmierens abstellt, es also gleichgültig ist, ob der Benutzer auch davon Gebrauch macht.
Da mithin die Einreihung der Datenbanken als automatische Datenverarbeitungsmaschinen bereits am Fehlen der freien Programmierbarkeit scheitert, bedarf es keiner Prüfung, ob die übrigen in Anmerkung 5 A a zu Kap.84 GZT vorausgesetzten Merkmale erfüllt sind.
b) Die Datenbanken sind auch keine Einheiten eines Systems automatischer Datenverarbeitungsmaschinen im Sinne der Unterpos.8471 91 ff. KN. Die Klägerin betrachtet bei ihrem diesbezüglichen Einreihungsbegehren die Datenbanken augenscheinlich als bewegliche, dezentral nutzbare Ein- und Ausgabeeinheiten (Unterpos.8471 92 KN) eines komplexeren Datenverarbeitungssystems, dessen Kern der stationäre Personalcomputer im Büro ist. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Eine Einheit wird dann als zu einem vollständigen System einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine gehörender Teil angesehen, wenn sie alle Voraussetzungen der Anmerkung 5B zu Kap.84 GZT erfüllt (Senat, Urteil vom 26. November 1985 VII K 19/84, BFHE 145, 280, 283 - bestückte Leiterplatten -). Dabei kann dahinstehen, ob, wie die OFD meint, eine entsprechende Einreihung schon deshalb auszuscheiden hätte, weil die Datenbanken unstreitig nicht unmittelbar an die Zentraleinheit eines Personalcomputers angeschlossen werden können, sondern lediglich über eine zusätzlich anzuschaffende Schnittstelle XY. Denn eine solche Schnittstelle wäre möglicherweise als ,,andere Einheit" im Sinne der Anmerkung 5 B a zu Kap.84 GZT anzusehen, die eine mittelbare Anschließung an die Zentraleinheit ermöglichte (vgl. zur früheren Tariflage das Senatsurteil vom 27. Mai 1975 VII K 10/73, BFHE 116, 238, 240f.).
Jedenfalls sind die Datenbanken nach Anmerkung 5 B b zu Kap.84 GZT ihrer Beschaffenheit nach nicht als Teile für ein solches automatisches Datenverarbeitungssystem bestimmt (,,cifiquement concue" bzw. ,,specifically designed" nach dem französischen und englischen Wortlaut des ZT), und zwar unabhängig von der besonderen Voraussetzung der Systemkompatibilität der durch sie behandelten Daten (Senat, Urteile vom 14. Februar 1989 VII K 14/87, BFH/NV 1989, 677 - elektrisches Bildverarbeitungssystem -; vom 17. September 1991 VII K 13/90, BFH/NV 1992, 351 - Netzwerk-Komponenten -). Maschinen mit eigener (nicht unbedingt selbständiger, aber ,,anderer") Funktion, die an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen werden und mit ihr zusammenarbeiten, gehören nicht zu Pos.8471 (Anmerkung 5 B Abs. 3 zu Kap.84 GZT; ErlHS zu Pos.8471 Rz.07.0, zu Kap.84 Rz.51.0; vgl. Senat in BFH/NV 1992, 351, 352).
Die Datenbanken sind Geräte mit anderer Funktion als der der Datenverarbeitung. Hierfür spricht bereits ihre eigenständige Verwendbarkeit unabhängig von automatischen Datenverarbeitungsmaschinen. Die batteriebetriebenen Geräte sind keine funktionsnotwendigen Bestandteile von EDV-Systemen; sie arbeiten, obwohl die Klägerin dies bestreitet, off-line, denn sie können autonom verwendet werden, ohne daß der Benutzer zugleich Besitzer eines Personalcomputers sein müßte (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1988 VII K 43/87, BFH/NV 1989, 337 - Graphik-Schreiber -). Dafür spricht auch, daß die Klägerin die Geräte ohne die für einen Anschluß an Personalcomputer notwendige Schnittstelle XY auf dem Markt anbietet. Die bloße Möglichkeit eines Anschlusses an solche Computer macht die Geräte, obschon durch den dann möglichen Datenaustausch ihr praktischer Einsatz nutzbringender und zweckmäßiger ist, allein deshalb noch nicht zu Einheiten automatischer Datenverarbeitungsanlagen. Im übrigen räumt die Klägerin selbst ein, daß die Datenbanken eigenständig verwendbare Notizbuch-Computer sind.
Die eigenen, nicht die Datenverarbeitung betreffenden Funktionen der Datenbanken sind vielfältig (,,Multifunktionsgeräte"). Sie bestehen hauptsächlich in Funktionen, die herkömmlich einem Notizbuch zukommen, d.h. im Speichern, Verfügbarhalten und Nachschlagen von Informationen (Terminplanung, Kalender- und Uhrzeitfunktion, Telefonregister, Geschäfts- und Visitenkartenfunktion, Notizblock und - darüber hinaus - auch einfachen Taschenrechnerfunktionen). Alle diese Funktionen sind keine solche der reinen Datenverarbeitung (,,Behandeln" von Daten, vgl. Senat in BFH/NV 1992, 351 m.w.H.). Das wird auch durch die beigegebene Bedienungsanleitung bestätigt, welche im Leistunsverzeichnis nur ,,Data storage, Clock und Calculation" anführt. Auch hiernach scheidet wenigstens eine ,,anwendungsneutrale Beschaffenheit" (Senat in BFH/NV 1989, 677, 678) der Datenbanken aus. Sie sind daher der ihrer Funktion entsprechenden Position oder, falls keine solche Position vorhanden ist, der dann zutreffenden Sammelposition zuzuweisen (Anmerkung 5 B Abs. 3 letzter Satz zu Kap.84 GZT).
2. Die Datenbanken sind, wie von der OFD festgestellt, elektrische Geräte mit eigener Funktion, in Kap.85 anderweit weder genannt noch inbegriffen, der Pos.8543 KN.
Da von den zahlreichen Funktionen der Datenbanken die Speicherfunktionen gegenüber den Funktionen als Rechenmaschine (Pos.8470) und als Uhr (Pos.9105) bei weitem überwiegen, sind die Speicherfunktionen nach Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI GZT als die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit tarifierungsentscheidend. Da diese Funktionen in Kap.85 anderweit weder genannt noch inbegriffen sind, also keine spezifische Position besteht, führt dies zu einer Einreihung in die Pos.8543).
Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit dem Einwand durchdringen, die Hauptfunktion der Geräte bestehe nicht in der Informationsspeicherung, sondern in dem Informationsabruf (Informationsrecherche). Abgesehen davon, daß diese Funktion lediglich die Kehrseite der Informationsspeicherung und mit dieser untrennbar verbunden ist, wären die Geräte auch mit einer Haupttätigkeit ,,Informationsabruf" in die Pos.8543 einzureihen, weil es im Kap.85 keine speziellere Position hierfür gibt. Wenn der Tarif keine nach Ansicht der Klägerin angemessene Kategorie für die Einreihung der Datenbanken bietet, so mag dies als Aufforderung an den Tarifgesetzgeber zu verstehen sein, korrigierend einzugreifen. Diese Lage entbindet Verwaltung und Gerichte jedoch nicht von ihren Verpflichtungen, jeder beliebigen Ware nach dem Prinzip der Vollständigkeit des Tarifs den ihr zukommenden Platz innerhalb der zur Verfügung stehenden Kategorien zuzuweisen.
3. Da die maßgeblichen zolltariflichen Vorschriften keine Auslegungszweifel aufwerfen, vielmehr lediglich eindeutige Vorschriften (vor allem Anmerkungen 5 A und 5 B zu Kap.84) anzuwenden sind, ist die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht veranlaßt (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430). Im übrigen befindet sich der Senat mit seiner Auffassung auch in Übereinstimmung mit dem Nomenklatur-Ausschuß bei der Kommission der Gemeinschaft, wie die OFD vorgetragen und belegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 418854 |
BFH/NV 1993, 759 |