Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteil über Zollnachforderung wegen Warenbeschaffenheit keine Entscheidung in Zolltarifsachen
Leitsatz (NV)
Ein die zulassungsfreie Revision eröffnendes Urteil in einer Zolltarifsache liegt nicht vor, wenn nicht die zolltarifliche Einordnung, sondern nur die Beschaffenheit der Ware Gegenstand des finanzgerichtlichen Erkenntnisses war.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 2, 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), über deren Vermögen zwischenzeitlich das Konkursverfahren eröffnet worden war, ließ 1979/80 mehrere Sendungen Rindergefrierfleisch aus Argentinien, von ihr als Schlachtabfall von Rindern (60%) - Tarifst.02.01 B II b 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT), Codenummer 0201 690 00 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) - einheitlich angemeldet, zum freien Verkehr abfertigen. Aufgrund von Untersuchungen der bei den Einfuhren gezogenen Proben durch die Lebensmittelchemikerin A bei der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt B befand das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA), daß die Ware überwiegend nicht aus Schlachtabfall (Zwerchfell), sondern aus Rindfleisch - gefroren, knochenlos, ,,andere" Teilstücke - der Tarifst.02.01 A II b 4 bb 33 GZT, Codenummer 0201 270 90 DGebrZT, bestehe, und forderte den sich aus dieser Tarifierung ergebenden Mehrbetrag an Abgaben nach. Die gegen die Nachforderung gerichtete Klage blieb zum überwiegenden Teil ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied insoweit, das HZA habe von dem zollamtlichen Untersuchungsergebnis ausgehen dürfen; nach ihm sei der Rindfleischanteil charakterbestimmend (Allgemeine Tarifierungsvorschrift 3b), was zu der der Nacherhebung zugrunde liegenden zolltariflichen Einreihung führe. Die Zeugin A habe entgegen den Zweifeln der Klägerin über ausreichende Sachkunde zur Beurteilung der Proben verfügt; die Begutachtungsmethode begegne grundsätzlich keinen Bedenken. Für die Richtigkeit der Begutachtung einschließlich der Vernachlässigung der beim Auftauen angefallenen Flüssigkeit sprächen auch die gemeinsam mit einem Veterinärmediziner gefundenen Ergebnisse der Untersuchung der Rückstellproben. Selbst durch diese Ergebnisse werde die Vermutung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zollgesetzes nicht widerlegt.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Konkursverwalter eingelegte, von ihm für zulassungsfrei statthaft gehaltene Revision, mit der gerügt wird, die Zeugin sei hinsichtlich der von ihr getroffenen Zuordnung der einzelnen Fleischteile nicht hinreichend sachkundig gewesen. Das FG sei den Zweifeln an der Sachkunde der Zeugin nicht nachgegangen und habe auch nicht die angebotenen Beweise darüber erhoben, daß die maßgebenden Untersuchungen nicht histologisch, sondern nur chemisch oder biochemisch durchgeführt werden könnten, und daß das Fleisch ausschließlich zur Wurstverarbeitung verkauft worden sei.
Während des Revisionsverfahrens hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerseite mitgeteilt, daß der Konkursverwalter die Rechte wieder auf den Geschäftsführer der Klägerin übertragen habe.
Aufgrund der vorbezeichneten Mitteilung ist davon auszugehen, daß der Konkursverwalter die Freigabe erklärt hat, mit der Folge, daß die Klägerin, gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer, wieder in das Verfahren eingetreten ist (vgl. hierzu Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl. 1987, § 6 Anm.9 m.N.; Hess/Kropshofer, Konkursordnung, 3. Aufl. 1989, § 1 Anm.9, § 6 Anm.19).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unzulässig (§ 124, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Revision ist weder zugelassen worden noch zulassungsfrei statthaft.
Die Revision ist nicht nach § 116 Abs. 1 FGO zulassungsfrei gegeben.
Soweit beanstandet wird, das FG habe Beweisanträge nicht berücksichtigt, kann darin allenfalls die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen. Ein derartiger Verfahrensmangel - sollte er hier gehörig gerügt worden sein - stellt zwar einen absoluten Revisionsgrund dar (§ 119 Nr.3 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 119 Anm.10), doch eröffnet die entsprechende Rüge nicht die nach § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO zulassungsfreie Revision (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm.1; ständige Rechtsprechung).
Auch ein Fall von § 116 Abs. 2 FGO ist nicht gegeben.
Die Vorentscheidung ist kein Urteil in einer Zolltarifsache. Um eine solche Sache handelt es sich, wenn das FG über eine zolltarifliche Frage - sei es im weiteren Sinne - erkannt hat (z.B. Senat, Beschluß vom 26. Februar 1991 VII R 41/89, BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526; Urteil vom 6. Juni 1989 VII R 113/86, BFH/NV 1990, 404). Eine derartige Entscheidung ist indessen nicht getroffen, wenn nicht die zolltarifliche Einordnung, sondern die Beschaffenheit der Ware Gegenstand des Rechtsstreits war (Senat, Beschluß vom 22.März 1977 VII R 39/74, BFHE 121, 400, BStBl II 1977, 430; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 116 FGO Tz.24). Nur letzteres trifft im Streitfall zu. Gestritten und entschieden wurde - übrigens auch nach Ansicht der Klägerin - nicht über die Tarifierung als solche, auch nicht über die zolltarifliche Behandlung der aus dem Fleisch ausgetretenen Flüssigkeit (dazu BFH/NV 1990, 404), vielmehr ging es ausschließlich um die Frage, ob nach dem Ergebnis der Probenuntersuchung ein überwiegener Rindfleischanteil angenommen werden konnte. Diese Frage und die mit ihr verbundene Vorfrage der Tauglichkeit der vorgenommenen Untersuchungen (Sachkunde der Gutachterin) betraf allein die Beschaffenheit der Ware. Urteile hierüber sind, soweit die Revision nicht zugelassen und nicht nach § 116 Abs. 1 FGO zulassungsfrei statthaft ist, nicht revisibel. Ihnen kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die Erkenntnissen über zolltarifrechtliche Fragen mit der Zulassungsfreiheit der Revision gemäß § 116 Abs. 2 FGO beigelegt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 418608 |
BFH/NV 1993, 284 |