Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwand für bürgerliche Kleidung

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen für die Anschaffung weißer bürgerlicher Bekleidung für eine(n) Mas seur(in) sind nicht als Betriebsausgaben absetzbar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) weicht ebensowenig wie die Entscheidungen des IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. April 1991 IV R 13/90 (BFHE 164, 419, BStBl II 1991, 751) und vom 6. Dezember 1990 IV R 65/90 (BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348) von der Entscheidung des Großen Senats vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) ab. Der Große Senat hat entschieden, daß § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für sog. gemischte Aufwendungen ein Aufteilungs- und Abzugsverbot enthalte und nur in bestimmten, eng begrenzten Fällen hiervon abgewichen werden könne. Daß die bürgerliche Kleidung, auch soweit sie bei Ausübung des Berufs getragen wird, zu den Ausnahmefällen gehören soll, hat der Große Senat nicht entschieden. Vielmehr deutet in Anbetracht der Zurückhaltung des Großen Senats zur Zulassung der Aufteilung alles darauf hin, daß Ausgaben für Kleidung nicht aufteilbar sein sollen. Die vom Großen Senat in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen, wonach für die Frage, ob Aufwendungen für die Lebensführung vorliegen, der konkrete Verwendungszweck eine große Rolle spiele, sprechen entgegen der Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nicht dafür, die bei Ausübung des Berufs getragene bürgerliche Kleidung generell als Berufskleidung steuerlich anzuerkennen. Das Tragen von Bekleidung ist typischerweise dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen. Die Ausgaben hierfür sind also, auch soweit die Bekleidung bei Ausübung des Berufs getragen wird, gemischte und damit grundsätzlich nicht aufteilbare Aufwendungen. Insoweit unterscheidet sich die Anschaffung von Bekleidung vom Erwerb einer Schreibmaschine und eines Tonbandgeräts, über die der Große Senat zu entscheiden gehabt hat.

2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache läßt sich nicht daraus ableiten, daß die weiße Bekleidung eines Mas seurs oder einer Masseurin noch nicht Gegenstand einer BFH-Entscheidung gewesen ist. Eine Rechtsfrage hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie klärungsbedürftig ist. Daran fehlt es, wenn sie sich anhand des Gesetzes und/oder anhand der Rechtsprechung hierzu eindeutig beantworten läßt. Mit Urteil in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 hat der IV. Senat des BFH zu den Voraussetzungen Stellung genommen, unter denen Aufwendungen für weiße Hemden, Hosen, Socken u. ä. eines Arztes steuerlich anzuerkennen sind. Für den Masseur bzw. die Masseurin gelten dieselben Grundsätze.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache läßt sich auch nicht daraus ableiten, daß Aufwendungen für den Erwerb einer schwarzen Hose eines Kellners oder eines Geistlichen (BFH-Urteile vom 10. November 1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288, und vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519), nicht aber einer weißen Hose durch einen Arzt oder einen Masseur/Masseurin steuerlich anerkannt werden. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, daß das Tragen schwarzer Hosen in erster Linie ebenso dem Zweck dient, bekleidet zu sein, wie das Tragen weißer Hosen. Die Konsequenz dieser Argumentation hieraus wäre aber, daß auch die Aufwendungen für schwarze Bekleidung nicht mehr steuerlich anzuerkennen wären. Einen Anspruch auf Gleichheit im -- hier unterstellten -- Unrecht gewährt aber auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht. Im übrigen hat der IV. Senat des BFH dem Urteil vom 4. Dezember 1987 VI R 20/85 (BFH/NV 1988, 703) keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen (vgl. in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348 unter 1. m. w. N.).

3. Das FG hat weder den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör noch seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Bei Prüfung eines Verfahrensmangels ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen (ständige Rechtsprechung; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 24 m. w. N.). Danach -- und im übrigen auch nach der Rechtsprechung des BFH -- kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Klägerin die von ihr erworbenen weißen Blusen, Hosen u. ä. ausschließlich bei ihrer Arbeit trug und auch Berufskollegen sich für ihre Berufsausübung mit billigerer weißer bürgerlicher Kleidung eindeckten. Da das Bekleidetsein auch ein Bedürfnis der Lebensführung bei Ausübung der Arbeit ist, spielen die Farbe, das typische Tragen bürgerlicher Kleidung und das Wechseln der Kleidung nach der Arbeit keine entscheidungserhebliche Rolle. Das ergibt sich klar aus der Entscheidung des BFH für den Fall des Arztes (BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348). Da nicht die Zufälligkeit des Berufs darüber entscheiden darf, ob Kosten der Lebensführung abzugsfähig sind (vgl. Großer Senat in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17), macht es keinen Unterschied, ob die typische Berufskleidung ein Anzug, ein Kostüm o. ä. oder eine weiße Hose o. ä. ist.

4. Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet, als die Klägerin geklärt wissen möchte, ob eine zu Lasten des Steuerpflichtigen sich auswirkende Rechtsprechungsänderung (hier BFH-Urteil vom 6. Juli 1989 IV R 91--92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49) für vorangehende Veranlagungszeiträume angewendet werden kann. Wann und unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist, ergibt sich aus § 176 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Im übrigen hatte die Klägerin, da sie beruflich nicht zum Tragen besonders attraktiver und daher kostspieliger Kleidung verpflichtet war, keine außergewöhnlich hohen Aufwendungen im Sinne der aufgegebenen Rechtsprechung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420175

BFH/NV 1995, 207

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