Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung des FG-Urteils durch Verweisung und bei Ablehnung der Rechtsauffassung des Klägers
Leitsatz (NV)
Es verstößt nicht gegen den Begründungszwang gemäß §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO, wenn das Finanzgericht
a) anstelle eigener Ausführungen zu einer Rechtsfrage unter Angabe der Fundstelle im Bundessteuerblatt auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs verweist und
b) wenn das Urteil des Finanzgerichts nicht auf alle Argumente eingegangen ist, die der Kläger zur Begründung seiner Auffassung, eine Vorschrift sei verfassungswidrig, vorgetragen hat.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 1993 Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigte. Der Kläger wandte demgegenüber ein, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte sei verfassungswidrig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95 (BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499) als unbegründet ab.
Der Kläger macht mit seiner auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Revision geltend, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen. Das FG habe in einem nicht mehr zulässigen Maß zur Begründung seiner Entscheidung auf das BFH-Urteil Bezug genommen. Denn der Umfang der Verweise betrage das Sechsfache der eigenen Entscheidungsgründe. Das FG habe auch keine Kopie des BFH-Urteils beigefügt. Außerdem habe das FG wesentliches Vorbringen übergangen. Denn es sei nicht auf sein, des Klägers, Vorbringen eingegangen, daß zwischen dem BFH-Urteil in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) Divergenzen bestünden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).
1. Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der BFH sie zugelassen hat (§ 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluß vom heutigen Tage (Az. VIII B 24/99) als unzulässig verworfen.
2. Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Abs. 1 FGO bezeichneten Verfahrensmängel gerügt wird. Eine zulassungsfreie Revision ist jedoch nur statthaft, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; BFH-Beschluß vom 21. April 1986 I R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung des Klägers nicht.
a) Die Rüge, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen und das FG habe gegen § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO verstoßen, weil es in unzulässiger Weise auf das BFH-Urteil in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 Bezug genommen und seiner Entscheidung keine Kopie dieses Urteils beigefügt habe, ist nicht schlüssig erhoben.
Zum einen geht aus dem eigenen Vorbringen des Klägers hervor, daß das FG sich nicht auf eine reine Bezugnahme beschränkt, sondern auch Textstellen des BFH-Urteils inhaltlich wiedergegeben hat. Zum anderen kann ein FG zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf eine BFH-Entscheidung, die in einer allgemein zugänglichen Fachzeitschrift veröffentlicht ist, Bezug nehmen, ohne seinem Urteil eine Kopie der BFH-Entscheidung beifügen zu müssen; denn der Sinn und Zweck des Begründungszwangs, den Prozeßbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht, wird durch die Verweisung auf eine veröffentlichte Entscheidung nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 177/87, BFH/NV 1992, 174). Im Streitfall hat das FG nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Fundstelle im Bundessteuerblatt mitgeteilt.
b) Auch das Vorbringen des Klägers, das FG sei nicht auf alle Argumente eingegangen, die er, der Kläger, zur Begründung seiner Auffassung vorgetragen habe, daß die Besteuerung der Kapitaleinkünfte verfassungswidrig sei, reicht für eine schlüssige Rüge i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen einer Entscheidung die Gründe zwar nicht nur dann, wenn sie überhaupt nicht mit Gründen versehen ist; vielmehr ist der Revisionsgrund des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO bereits dann gegeben, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat und es sich dabei um einen wesentlichen Streitpunkt gehandelt hat (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638, m.w.N.). Eine Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO kann aber nicht lediglich damit erfolgreich begründet werden, daß ein Urteil lückenhaft sei oder daß das FG auf Einzelheiten des Sachverhalts, auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte oder auf einzelne Argumente der Beteiligten nicht eingegangen sei (vgl. BFH-Beschluß vom 17. April 1997 III R 39/96, BFH/NV 1997, 860, 861, m.w.N.). Der Zweck des Begründungszwangs, den Beteiligten Kenntnis von den wesentlichen rechtlichen Erwägungen zu geben, die aus der Sicht des Gerichts maßgebend waren (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 21. September 1994 VIII R 80-82/93, BFH/NV 1995, 416, 418), erfordert nicht, daß jedes Vorbringen oder Argument der Beteiligten zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung im einzelnen erörtert werden müßte (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1994 IV R 28/94, BFH/NV 1995, 797).
Fundstellen
Haufe-Index 422557 |
BFH/NV 2000, 209 |