Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH bei Fristversäumnis
Leitsatz (NV)
Prozeßkostenhilfe für eine Beschwerde gegen den Beschluß des FG, durch den dieses den Antrag auf PKH abgelehnt hat, kann nur gewährt werden, wenn die Beschwerdefrist unverschuldet versäumt wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn innerhalb der Beschwerdefrist der Antrag auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gestellt wird und die für die Entscheidung über den PKH-Antrag erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden.
Normenkette
FGO §§ 56, 142; ZPO §§ 114, 117; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Antragsteller hat wegen Einkommensteuer 1974 und 1977 bis 1979 Klage vor dem Finanzgericht (FG) erhoben. Zur Durchführung dieser Klage bat er um Prozeßkostenhilfe (PKH).
Das FG hat den Antrag auf Gewährung von PKH durch Beschluß vom 23. Juni 1986 abgelehnt. Der Beschluß ist dem Antragsteller am 28. Juni 1986 zugestellt worden. Das FG führt aus, der Antrag auf PKH sei unzulässig. Gemäß § 117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien zur Substantiierung eines Antrags auf PKH u. a. eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu habe sich ein Antragsteller des amtlichen Vordrucks zu bedienen. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Damit fehle es an einem für die Gewährung von PKH unverzichtbaren Erfordernis. Denn § 117 Abs. 4 ZPO schreibe die Benutzung des Vordrucks zwingend vor. Durch diese Erklärung solle nämlich erreicht werden, daß die Erklärung des Antragstellers in der für die Entscheidung erforderlichen Weise aufgegliedert und substantiiert werde. Im Hinblick hierauf könne auf die Abgabe der Erklärung unter Benutzung des Vordrucks jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn die im Vordruck verlangten Angaben nicht bereits anderweitig und in einer vergleichbaren übersichtlichen Weise dem Prozeßgericht zur Verfügung stünden. Der Antragsteller habe seinem Antrag weder einen ordnungsmäßig ausgefüllten amtlichen Vordruck beigefügt noch habe er überhaupt Angaben gemacht, die eine Überprüfung der Bedürftigkeit ermöglicht hätten. Die allgemein gehaltenen Angaben, daß er die Fahrtkosten nicht aufbringen könne, reichten hierfür nicht aus. Hinzu komme, daß die Rechtsverfolgung auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Das FG nehme insoweit auf das Urteil vom 12. Juni 1986 Bezug, durch das die Klage abgewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 14. Juli 1986 - eingegangen beim FG am gleichen Tag - legte der Antragsteller gegen den Beschluß Beschwerde ein. Er beantragte, den Beschluß aufzuheben. Zur Begründung nahm er auf seine Schreiben vom 16. Juni und 14. Juli 1986 Bezug. PKH für die Durchführung der Beschwerde wurde in diesen Schreiben nicht beantragt. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lag den Schreiben nicht bei.
Mit Schreiben vom 30. Mai 1987 - eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 2. Juni 1987 - beantragte der Antragsteller, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens PKH zu gewähren. Wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nahm er auf die dem BFH zu den Verfahren V S 9-11/87 und V B 33-35/87 mit Schreiben vom 10. April 1987 eingereichte Erklärung zum Antrag auf PKH für diese Verfahren Bezug.
Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats hat dem FG mit Schreiben vom 7. August 1987 die hier vorhandenen Akten übersandt und gebeten, dem Antragsteller wunschgemäß Akteneinsicht zu gewähren und die Akten spätestens am 31. Oktober 1987 zurückzugeben. Der Antragsteller erhielt eine Abschrift dieses Schreibens.
Mit Schreiben vom 12. August 1987 beantragte der Antragsteller, das Verfahren auszusetzen, da ,,schwerer Verdacht von Straftaten der Gegenseite" vorläge.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1987 bat der Antragsteller, die Frist zur Akteneinsicht zu verlängern. Ihm wurde daraufhin vom Vorsitzenden des Senats mitgeteilt, daß diesem Antrag im Hinblick auf die bereits langfristig eingeräumte Möglichkeit der Akteneinsicht nicht stattgegeben werden könne und daß das FG gebeten worden sei, die Gerichts- und Steuerakten nunmehr spätestens am 20. November 1987 zurückzugeben. Hiergegen hat der Antragsteller ,,Widerspruch" eingelegt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von PKH wird abgelehnt.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von PKH ist das Streitverhältnis darzustellen. Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muß sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 ZPO).
Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gegen den Beschluß des FG, durch den dieses den Antrag auf PKH abgelehnt hat, ist nicht fristgerecht durch eine nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertretungsberechtigte Person Beschwerde eingelegt worden. Der Antragsteller hat zwar rechtzeitig persönlich Beschwerde eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde ist jedoch unwirksam, weil der Antragsteller nicht vertreten war (vgl. BFH-Beschluß vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631).
Wird wegen fehlender finanzieller Mittel die Beschwerdefrist versäumt, so kann unter den Voraussetzungen des § 56 FGO zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dazu ist aber notwendig, daß die Beschwerdefrist unverschuldet versäumt wird. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn innerhalb der Beschwerdefrist der Antrag auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gestellt wird und die für die Entscheidung über den PKH-Antrag erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Insbesondere muß der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen amtlichen Vordruck einreichen (Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Juli 1981 VII ZR 127/81, Versicherungsrecht 1981, 884; Beschluß des Bundessozialgerichts vom 30. April 1982 7 BH 10/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 244; BGH-Beschluß vom 16. März 1983 IV b ZB 73/82, Der Betrieb 1983, 1251; BFH-Beschluß vom 15. April 1985 VIII S 17/81, BFH/NV 1986, 355).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Antragsteller hat seinen Antrag auf Bewilligung von PKH erst mit Schreiben vom 30. Mai 1987, also etwa zehn Monate nach Ablauf der Beschwerdefrist, gestellt und sich hierbei auf eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bezogen, die er dem V. Senat des BFH wenig früher mit Schreiben vom 10. April 1987 zu den dort geführten Verfahren eingereicht hatte.
Es war nicht erforderlich, das Verfahren entsprechend dem Antrag des Antragstellers vom 12. August 1987 auszusetzen, weil ein ,,schwerer Verdacht von Straftaten der Gegenseite" vorläge, denn ein derartiges Verhalten - die Richtigkeit unterstellt - hätte schon wegen des zeitlichen Ablaufs keinen Einfluß auf die Versäumung der Beschwerdefrist durch den Antragsteller haben können.
Aus dem gleichen Grund war es auch nicht notwendig, dem Antragsteller eine weitere Frist zur Akteneinsicht zu gewähren. Einer Einsicht in die Steuerakten bedarf es nicht, da aus ihnen nichts entnommen werden kann, was für die Fristversäumnis von Bedeutung ist. Zu einer Einsicht in die Akten des BFH und des FG reichte die gewährte Frist aus. Bei der offen zutage liegenden Versäumung der Beschwerdefrist war die bewilligte Frist zur Akteneinsicht von mehr als zwei Monaten reichlich bemessen.
Fundstellen
Haufe-Index 415526 |
BFH/NV 1988, 519 |