Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Grundsätzliche Bedeutung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Verfahrensmängel, Begründungsfrist
Leitsatz (NV)
1. Die "grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache" und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BGH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung werden mit bloßen Einwendungen gegen die Tatsachenwürdigung und Rechtsauffassung des FG nicht dargelegt.
2. Zur Bezeichnung des Zulassungsgrundes einer "Willkürentscheidung" i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO reicht der bloße Hinweis auf (nach Ansicht der Kläger) erhebliche Rechtsfehler des FG nicht aus.
3. Einen nur unsubstantiierten Beweisantrag kann das FG (ohne Verfahrensverstoß) übergehen.
4. Mit Angriffen gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG werden keine Verfahrensmängel geltend gemacht, sondern materiell-rechtliche Fehler gerügt, die nicht zur Zulassung der Revision führen können.
5. Nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragene Zulassungsgründe darf der BFH nicht mehr berücksichtigen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.10.2004; Aktenzeichen 15 K 101/02) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
1. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht hinreichend dargelegt. Als klärungsbedürftige Rechtsfragen hat er in der Beschwerdebegründung benannt, welche "Anforderungen im Rahmen des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen Angehörigen zu stellen sind", d.h. ob diese "vom Text her genauso wie zwischen Bank und Bankkunde abgeschlossen werden müssen" (Bl. 15 f. der Beschwerdebegründung), ob "durch den Fremdvergleich Ehe und Familie benachteiligt werden, da aufgrund seiner Voraussetzungen letztendlich an Verträge zwischen Angehörigen strengere Anforderungen gestellt werden als an Verträge zwischen Nichtangehörigen", d.h. ob der "in seinen Anforderungen überzogene Fremdvergleich mit Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist" (Bl. 17 f. der Beschwerdebegründung), ob die (ohne gesetzliche Kodifizierung) von der Rechtsprechung entwickelten "Grundsätze des Fremdvergleichs inhaltlich hinreichend bestimmt genug sind" und nicht "gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz" sowie "den sogenannten Parlamentsvorbehalt", d.h. gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen (Bl. 18 f. der Beschwerdebegründung) und, ob "als Vergleichsgruppe nicht andere Darlehensverträge in etwa dieser Größenordnung zwischen nahen Angehörigen berücksichtigt werden müssten" (Bl. 22 f. der Beschwerdebegründung).
Der Senat kann offen lassen, ob die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen hinreichend substantiiert sind. Zumindest fehlt es an den zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erforderlichen Ausführungen, inwiefern diese Fragen in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten sind und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 2003 IX B 83/03, BFH/NV 2004, 353; vom 19. Januar 2005 II B 27/04, BFH/NV 2005, 913).
Der Kläger wendet sich vielmehr --in der Art einer Revisionsbegründung-- gegen die vom FG vertretene Rechtsauffassung und macht geltend, diese sei rechtsfehlerhaft, verstoße gegen die Gesetze der Logik, sei mit der BFH-Rechtsprechung nicht vereinbar, stelle überzogene Anforderungen an den Fremdvergleich und gehe bei diesem von falschen Vergleichsgruppen aus. Mit solchen der Revision vorbehaltenen Rügen einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung durch das Finanzgericht (FG) kann der Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG; § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ist nicht gegeben. Die von ihm erhobene Rüge (Bl. 37 f. der Beschwerdebegründung), dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (im finanzgerichtlichen Verfahren) sei in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Wort abgeschnitten worden, reicht nicht aus, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schlüssig darzulegen. Das FG hat aus der in dem nichtdatierten Änderungsvertrag (über das Darlehen der A an den Kläger) getroffenen Regelung, die 9 v.H. Zinsen seien "jährlich jeweils bis 31. Dezember zu verrechnen mit Geldgeschenk anlässlich Weihnachtsfest" geschlossen, dass jedenfalls zu Lebzeiten der A die Durchführung der Vereinbarung nicht ernstlich beabsichtigt war und auch tatsächlich nicht stattgefunden hat (Bl. 5 FG-Urteil). Diese Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das FG ist angesichts der (nur) allgemeinen Regelung der Zahlung der Zinsen im Änderungsvertrag möglich und damit für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Selbst wenn es --wie der Kläger geltend macht-- seinem damaligen Prozessbevollmächtigten nicht möglich war, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG den Beweisantrag zu stellen, A und B als Zeugen dazu zu vernehmen, dass sie dem Kläger seit Jahren --auch vor Begründung des Darlehens-- erhebliche Geldbeträge geschenkt hätten, hätte das FG dem nicht nachgehen müssen; denn hieraus ergeben sich nicht die konkreten Umstände der behaupteten Zahlungen. Einen (solchen) nur unsubstantiierten Beweisantrag kann das FG übergehen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2002 VII B 268/01, BFH/NV 2002, 1595; vom 12. November 2004 VII B 99/04, BFH/NV 2005, 932).
3. Auch der als Verfahrensmangel gerügte Verstoß gegen den Inhalt der Akten (Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 80) liegt nicht vor. Das FG hat zum Darlehen des B an den Kläger festgestellt, der ständig wechselnde Sachverhalt lasse nur den Schluss zu, dass der Kläger und B im Streitjahr selbst keinen Überblick über den Stand ihrer finanziellen Beziehungen mehr hatten, insbesondere nicht zu beurteilen vermochten, auf welches der verschiedenen Darlehen von dem Kläger erbrachte Leistungen entfielen und ob es sich dabei um Zins- oder Tilgungsleistungen handelte. Auch die Verrechnung von dem Kläger geschuldeter Zinszahlungen mit einem Teil des Betrages, den dieser im Zusammenhang mit einem auf Rechnung des B erfolgten Kraftfahrzeugerwerb verauslagt habe, lasse sich nicht auf eine klare und eindeutige Vereinbarung zurückführen und sei nicht in einer nachvollziehbaren Weise dokumentiert (Bl. 6 FG-Urteil). Die hierauf beruhende Würdigung des FG, die vertragsgemäße Durchführung der Zinsvereinbarung lasse sich nicht feststellen (Bl. 5 FG-Urteil), ist zumindest möglich und bindet damit das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Mit seiner Rüge, die Entscheidung des FG sei mit dem Akteninhalt nicht vereinbar (Bl. 41 f. der Beschwerdebegründung), macht der Kläger nach dem sachlichen Gehalt seines Beschwerdevorbringens keinen Verfahrensmangel geltend, sondern wendet sich gegen die nach seiner Ansicht fehlerhafte Tatsachenwürdigung des FG; die hierin liegende Rüge, das Urteil des FG sei materiell-rechtlich fehlerhaft, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1331, m.w.N.).
4. Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO; vgl. zu diesem Zulassungsgrund z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 40 f., m.w.N.) ist nicht notwendig.
a) Die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen Divergenz kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nicht dargelegt hat, dass die Entscheidung der Vorinstanz von den in der Beschwerdebegründung benannten BFH-Urteilen abweicht. Hierzu wäre erforderlich gewesen, die Abweichung durch das Gegenüberstellen von abstrakten Rechtssätzen erkennbar zu machen. Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen, die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG reichen nicht aus (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2003 IX B 94/02, BFH/NV 2003, 617, m.w.N.). Der Kläger macht nach dem sachlichen Gehalt seines Beschwerdevorbringens lediglich geltend, das FG habe die --in der Beschwerdebegründung bezeichnete-- neuere Rechtsprechung des BFH nicht berücksichtigt, die zur Frage der Gewichtung von (kleineren) Formverstößen und Abweichungen im Rahmen der Gesamtwürdigung beim Fremdvergleich ergangen ist. Nach den bindenden Feststellungen des FG lagen jedoch bei der Durchführung der Darlehensverträge nicht nur kleinere Verstöße vor. Auch in diesem Punkt setzt der Kläger --im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unzulässigerweise-- der Würdigung des FG lediglich seine eigene abweichende Würdigung entgegen.
b) Der Kläger macht zu Unrecht geltend, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen einer Willkürentscheidung des FG zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des FG schwerwiegende Rechtsfehler aufweist und deshalb objektiv willkürlich erscheint oder greifbar gesetzeswidrig ist. Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift auszuführen. Der bloße Hinweis auf erhebliche Rechtsfehler reicht nicht aus (z.B. BFH-Beschluss vom 7. Juli 2005 IX B 13/05, BFH/NV 2005, 2031). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie lässt nur erkennen, dass das FG nach Ansicht des Klägers den Streitfall rechtsfehlerhaft entschieden hat.
5. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger in seinen Schriftsätzen vom … über die Erläuterung und Vervollständigung seines bisherigen Vorbringens hinaus noch neue Zulassungsgründe dargelegt hat; denn nach dem Ablauf der Begründungsfrist vorgetragene Zulassungsgründe darf der BFH nicht mehr berücksichtigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. April 1997 IX B 2/97, BFH/NV 1997, 694; vom 30. Juli 2003 X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603).
Fundstellen
Haufe-Index 1484108 |
BFH/NV 2006, 772 |