Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Auferlegung eines Ordnungsgeldes gegen nicht hinreichend entschuldigten ausgebliebenen Zeugen
Leitsatz (NV)
1. Gesetzlich ist nicht ausdrücklich geregelt, was unter einer genügenden Entschuldigung zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert sie schwerwiegende Gründe, die ein Ausbleiben im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lassen.
2. Als derartige Entschuldigungsgründe können nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie zum Beispiel eine eigene Erkrankung.
3. Allein ein privatärztliches Attest, welches nur für den Verhandlungstag eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, ist noch nicht geeignet, das Ausbleiben des Zeugen als nicht pflichtwidrig erscheinen zu lassen; denn damit wird nicht ohne weiteres auch eine mangelnde Reise- und Verhandlungsfähigkeit nachgewiesen.
Normenkette
FGO §§ 82, 128 Abs. 1; ZPO § 377 Abs. 2, § 381 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Rechtsanwalt O ist mit Postzustellungsurkunde am 20. August 2005 als Zeuge zur mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2005 um 12.30 Uhr vor dem Finanzgericht (FG) geladen worden, jedoch im Termin zur Beweisaufnahme nicht erschienen. Am Tag der mündlichen Verhandlung ließ der Zeuge durch eine Mitarbeiterin gegen 10.00 Uhr telefonisch der Geschäftsstelle beim FG übermitteln, er sei erkrankt und deshalb könne er zum Termin nicht erscheinen. Noch am gleichen Tage forderte die Berichterstatterin ihn schriftlich auf, binnen fünf Tagen nach Zugang der Verfügung ein ärztliches Attest zur Glaubhaftmachung der erkrankungsbedingten Verhinderung vorzulegen.
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2005 10 K 3519/04 E setzte das FG gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft von zwei Wochen fest. Ferner wurden dem Zeugen die durch sein Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung verursachten Kosten auferlegt. Mit am 18. Oktober 2005 beim FG eingereichtem Schriftsatz übersandte der Zeuge in Kopie eine auf den 7. Oktober 2005 datierte, von einem Facharzt für HNO-Heilkunde ausgestellte Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit des Zeugen für voraussichtlich nur den 7. Oktober 2005.
Mit der Beschwerde vom 1. November 2005 gegen den ihm am 21. Oktober 2005 zugestellten Beschluss trägt der Beschwerdeführer vor, die ärztliche Bescheinigung am 21. Oktober 2005 um 16.38 Uhr an das FG per Telefax übermittelt zu haben.
Das FG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9. November 2005 10 K 3519/04 E nicht abgeholfen. Mangels eines ausreichenden Entschuldigungsgrundes sei der Beschluss nicht gemäß § 381 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nachträglich aufzuheben.
Mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit werde nicht zugleich hinreichend dargetan, dass der Beschwerdeführer auch reise- und verhandlungsunfähig am Tag der mündlichen Verhandlung gewesen sei.
Im Übrigen sei der Beschwerde nicht abzuhelfen, da keine die Höhe des Ordnungsgeldes oder der Ersatzordnungshaft beeinflussenden Umstände vorgetragen worden seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde gegen die auf § 82 FGO i.V.m. § 380 Abs. 1 ZPO gestützte Vorentscheidung ist zwar zulässig (§ 380 Abs. 3 ZPO, § 128 Abs. 1 FGO), jedoch nicht begründet. Die Beschwerde ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des Zeugen, zum Termin der Beweisaufnahme zu erscheinen, führt im Falle des Ausbleibens dazu, dass dem Zeugen die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden und gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt u.a., wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei nachträglicher genügender Entschuldigung werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
2. Die vom FG gegen den als Zeugen ordnungsgemäß geladenen, im Termin zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht erschienenen Beschwerdeführer ausgesprochene Auferlegung von Kosten und Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, ist gesetzlich zwingend vorgesehen; sie entfällt nur, wenn der Zeuge sein Ausbleiben --zumindest nachträglich-- genügend entschuldigt.
Im Streitfall hatte das FG den Zeugen rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO). Jedoch hat der Zeuge weder vor dem Termin zur Beweisaufnahme noch nachträglich ausreichende Gründe vorgetragen, die ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden hätten.
Im Gesetz ist nicht ausdrücklich ausgeführt, was unter einer genügenden Entschuldigung zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, schwerwiegende Gründe (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 III B 162/01, BFH/NV 2002, 1335, m.umf.N.).
Als derartige Entschuldigungsgründe können nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine eigene Erkrankung.
Selbst eine Dauererkrankung eines Zeugen vermag sein Ausbleiben nur dann genügend zu entschuldigen, wenn ihm ein Erscheinen vor Gericht unzumutbar ist, weil sie zur Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Erkrankten führt (BFH-Beschluss vom 14. Januar 1998 II B 34/97, BFH/NV 1998, 864).
3. Zu Recht hat das FG angenommen, der Beschwerdeführer habe sein Ausbleiben --auch nachträglich-- nicht ausreichend entschuldigt; denn allein der durch privatärztliches Attest belegte Umstand, er sei am Verhandlungstag arbeitsunfähig gewesen, ist nicht geeignet, sein Ausbleiben als nicht pflichtwidrig erscheinen zu lassen. Es obliegt nicht den Gerichten, dem säumigen Zeugen die Reise- und Verhandlungsfähigkeit nachzuweisen. Vielmehr muss sich der Zeuge seinerseits hinreichend entschuldigen (BFH-Beschluss vom 18. April 1993 X B 207, 208/92, BFH/NV 1993, 555).
Die Höhe des Ordnungsgeldes von 300 € bewegt sich im unteren Bereich des zwischen 5 bis 1 000 € betragenden Rahmens für die Bemessung eines Ordnungsgeldes (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch).
Abgesehen davon, dass in solchen Fällen eine besondere Begründung durch das FG sogar entbehrlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. August 1992 VII B 80/92, BFH/NV 1993, 115, 116, m.w.N.; vom 27. Juni 2002 III B 162/01, BFH/NV 2002, 1335, 1336) lassen die Erwägungen des FG keinerlei Ermessensfehler erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1480567 |
BFH/NV 2006, 771 |