Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
1.Die Zweimonatsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO für die Einreichung der Revisionsbegründung ist auch gewahrt, wenn die Revisionsbegründung innerhalb dieser Frist beim FG eingereicht wird.
2.Das gilt auch für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist im Sinne des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO, der auch beim FG bis zum Fristablauf eingereicht werden kann.
FGO § 120.
Normenkette
FGO § 120
Tatbestand
Durch Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 19. September 1966 wurde die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts (FA) wegen Verspätung als unzulässig abgewiesen. Die Einspruchsentscheidungen waren dem Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) am 4. November 1965 zugestellt worden. Die Klage ging beim FG erst am 3. Januar 1966 ein; die Rechtsmittelfrist von einem Monat war also bereits abgelaufen. Das FG lehnte es ab, dem Stpfl. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO oder Nachsicht gemäß § 86 AO a. F. zu gewähren, weil er nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Das FG ließ die Revision auch nicht besonders zu. Das Urteil des FG wurde dem Stpfl. am 5. Oktober 1966 zugestellt. Die Revision ging am 4. November 1966 beim FG ein. Mit dem beim FG am 5. Dezember 1966 eingegangenen Schriftsatz vom 4. Dezember 1966 beantragte der Stpfl. Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 15. Februar 1967 mit der Begründung, er sei in Terminschwierigkeiten wegen der Vorbereitung einer Tagung und des bevorstehenden Jahresabschlusses. Der Vorsitzende des erkennenden Senats verlängerte die Frist zur Begründung der Revision wie beantragt. Die Revisionsbegründung ging bis zum Ablauf der gewährten Frist nicht ein. Der Stpfl. wurde im Schreiben vom 20. Februar 1967 darauf hingewiesen; es wurde ihm anheimgestellt, wegen der Versäumung der Begründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu beantragen und die Begründung binnen zwei Wochen vorzulegen. Dieses Schreiben wurde ihm am 22. Februar 1967 zugestellt. Ein Wiedereinsetzungsantrag und eine Revisionsbegründung sind nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision mußte als unzulässig verworfen werden. Der Senat hat geprüft, ob der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung rechtzeitig, d. h. vor dem Ablauf der Zweimonatsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, gestellt war. Die Frist lief am 5. Dezember 1966 ab. An diesem Tage ging der Antrag auf Fristverlängerung beim FG ein. Er wurde aber dem BFH erst am 7. Dezember 1966, also nach dem Ablauf der Zweimonatsfrist, vorgelegt.
Aus § 120 FGO ergibt sich nicht eindeutig, bei welchem Gericht - ob bei dem FG oder beim BFH - der Antrag auf Fristverlängerung vor Ablauf der Frist gestellt werden muß. Barske-Woerner (Buchreihe "Finanz und Steuern", Band 35, "Finanzgerichtsordnung" S. 122) vertreten die Auffassung, die Revisionsbegründung müsse vor dem Ablauf der Frist beim BFH eingehen; dasselbe müsse auch für den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gelten. Die gegensätzliche Auffassung vertreten Ziemer-Birkholz und Görg- Müller (Kommentare zur Finanzgerichtsordnung, zu § 120); ebenso Eyermann-Fröhler (Anm. 11 zu der entsprechenden Vorschrift des § 139 der Verwaltungsgerichtsordnung). Ziemer-Birkholz führen aus, die Einbringung der Revisionsbegründung beim BFH wahre die Frist, da die Revision hier bereits anhängig sei.
Nach der Auffassung des Senats läßt sich aus der Wortfassung des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO, daß "die Frist für die Revisionsbegründung auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden kann", nicht herleiten, daß der Antrag schon vor dem Ablauf der Frist beim BFH eingegangen sein muß. Ebensowenig läßt sich das aus der Fassung des § 120 Abs. 3 FGO, wonach das FG die Revisionsschrift dem BFH mit den Akten vorzulegen hat, herleiten.
Nach § 120 FGO muß die Revision beim FG innerhalb der gesetzlichen Frist von je einem Monat eingelegt und begründet werden. Wahrt aber der rechtzeitige Eingang der Revisionsbegründung beim FG die Frist, so ist es sinnvoll, es auch genügen zu lassen, wenn der Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist rechtzeitig beim FG eingeht, wenngleich die Fristverlängerung nicht vom FG, sondern vom Vorsitzenden des Senats beim BFH auszusprechen ist. Für die Auslegung spricht auch, daß sonst beim BFH Anträge auf Fristverlängerung eingehen, bevor das FG die Revisionsschrift mit den Akten dem BFH vorgelegt hat. Ferner spricht für diese Auslegung auch, daß die FGO keinen Vertretungszwang für das Revisionsverfahren kennt. Wenn § 120 FGO vorschreibt, daß die Revision beim FG eingelegt werden muß, so würde es unerfahrenen Steuerpflichtigen unverständlich sein, wenn ihr Antrag auf Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung, den sie beim FG vor Ablauf der Frist gestellt haben, nicht rechtzeitig sein sollte. Im Streitfall war die Revision demgemäß nicht schon deswegen unzulässig, weil der Stpfl. vor dem Ablauf der Zweimonatsfrist am 5. Dezember 1966 weder eine Revisionsbegründung noch einen Fristverlängerungsantrag beim BFH eingereicht hat.
Die Revision war aber als unzulässig zu verwerfen, weil der Stpfl. die Begründung weder innerhalb der rechtswirksam bis zum 15. Februar 1966 verlängerten Frist noch innerhalb einer weiteren im Wege der Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO möglichen Frist eingelegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 412535 |
BStBl III 1967, 342 |
BFHE 1967, 160 |
BFHE 88, 160 |