Leitsatz (amtlich)
Der Nachweis von Aufwendungen im Sinne von § 33 EStG, die einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Behinderung eines Angehörigen erwachsen sind, kann nicht durch den Hinweis auf die dem behinderten Angehörigen selbst zustehenden Pauschbeträge des § 33b Abs.3 Satz 2 EStG geführt werden. Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs.2 Nr.1 FGO.
Orientierungssatz
Die in § 33b Abs. 5 EStG ausdrücklich geregelte Möglichkeit, den einem Kind zustehenden Behindertenpauschbetrag auf die Eltern zu übertragen, bei denen das Kind gemäß § 32 Abs. 4 bis 7 EStG zu berücksichtigen ist, darf nicht analog auf andere Angehörige, auch nicht auf in gerader Linie aufsteigend Verwandte oder Verschwägerte übertragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1965 VI 191/65 U).
Normenkette
EStG §§ 33, 33b Abs. 3 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 33b Abs. 5
Tatbestand
Die im Streitjahr 1982 81jährige, zu 80 v.H. dauernd behinderte Schwiegermutter des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), die einen eigenen Haushalt führt, bezog im Streitjahr eine Rente in Höhe von 940 DM sowie Sozialhilfe im Betrag von 5 766 DM. Der Kläger unterstützte seine Schwiegermutter im Streitjahr mit Unterhaltsleistungen im Betrag von 4 800 DM, die er gemäß § 33a Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Außerdem beantragte er in der Einkommensteuererklärung 1982, die folgenden Aufwendungen, die ihm wegen der Behinderung seiner Schwiegermutter erwachsen seien, gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen:
Fahrtkosten 2 722 DM
sonstige Kosten im Zusammenhang mit der
Behinderung 2 070 DM
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zusammen 4 792 DM.
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Die "sonstigen Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung" wurden im einzelnen weder dargetan noch glaubhaft gemacht, sondern vom Kläger mit dem in § 33b Abs.3 EStG für Stufe 6 geregelten Pauschbetrag angesetzt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte --auch im Einspruchsverfahren-- lediglich die Unterhaltsleistungen gemäß § 33a Abs.1 EStG.
Mit der Klage trug der Kläger vor, seine Schwiegermutter sei wegen ihrer nur geringen Einkünfte nicht in der Lage gewesen, die mit ihrer Behinderung zusammenhängenden Aufwendungen selbst zu tragen. Wegen der nicht nachgewiesenen sonstigen Kosten sei der Pauschbetrag gemäß § 33b Abs.3 EStG als gesetzlicher Mindestbetrag anzusetzen. Der Gesetzgeber habe, da jedem Behinderten infolge der Behinderung typischerweise besondere Aufwendungen erwachsen, die eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG darstellen, die Geltendmachung dieser oft schwer nachzuweisenden Ausgaben durch die Einführung von entsprechend dem Grad der Minderung gestaffelten Pauschbeträgen in § 33b Abs.3 EStG erleichtert. Da es sich bei den Pauschbeträgen um geschätzte Mindestbeträge handele, müsse diese Erleichterung auch dann gelten, wenn Aufwendungen der in § 33b EStG bezeichneten Art gemäß § 33 EStG von einem Angehörigen des Behinderten geltend gemacht würden, dem diese Aufwendungen zwangsläufig erwachsen sind.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es u.a. aus: Unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung i.S. von § 33 EStG fielen zwar Krankheitskosten, die ein Steuerpflichtiger für eine von ihm unterhaltene Person trägt. Denn mit der Steuerermäßigung gemäß § 33a Abs.1 EStG seien nur die typischen Unterhaltskosten, nicht aber sonstige Kosten, wie Aufwendungen infolge einer Krankheit, abgegolten. Die Steuerermäßigung des § 33 EStG könne aber nur beanspruchen, wer die Voraussetzungen für ihre Gewährung im einzelnen nachweise oder glaubhaft mache. Der Kläger habe --abgesehen von den Fahrtkosten-- weder schlüssig dargetan noch glaubhaft gemacht, daß ihm überhaupt Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung seiner Schwiegermutter entstanden sind. Eine Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen komme auch in Höhe der Pauschbeträge des § 33b EStG nicht in Betracht. Die gesetzliche Zubilligung eines Pauschbetrages an den Behinderten selbst gemäß § 33b EStG sowie die Möglichkeit der Übertragung des Pauschbetrages von einem beim Steuerpflichtigen zu berücksichtigenden Kind auf den Steuerpflichtigen selbst gemäß § 33b Abs.5 EStG sei eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen zur Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen gemäß § 33 EStG und einer Verallgemeinerung --auch im Wege der Analogie zugunsten des Steuerpflichtigen-- nicht zugänglich. Es sei daher nicht zulässig, den dem Behinderten zustehenden Pauschbetrag ohne gesetzliche Regelung demjenigen zukommen zu lassen, der den Behinderten durch zwangsläufige Aufwendungen i.S. von § 33 EStG unterstütze.
Im Streitfall könne offenbleiben, ob es sich bei den Kosten für die Beförderung der Schwiegermutter um Aufwendungen i.S. von § 33 EStG handele. Denn diese Aufwendungen würden --auch zusammen mit den weiteren gemäß § 33 EStG geltend gemachten Aufwendungen für Brillen usw. im Betrag von 857 DM-- die zumutbare Belastung nach § 33 Abs.3 EStG nicht übersteigen.
Das FG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen ist auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache gestützt. Der Kläger macht geltend, die ihm wegen der Behinderung seiner Schwiegermutter erwachsenen Aufwendungen hinreichend glaubhaft gemacht zu haben. Durch die Rechtsprechung sei nicht abschließend geklärt, ob Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die mit der Behinderung eines bedürftigen nahen Angehörigen zusammenhängen, unter Hinweis auf die Pauschbeträge des § 33b EStG als im Rahmen des § 33 EStG hinreichend glaubhaft gemacht anzusehen seien. Diese Rechtsfrage sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus für viele gleichgelagerte Fälle von Bedeutung.
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA tritt diesem Antrag entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.
Bei der Frage, ob einem Steuerpflichtigen der Nachweis oder die Glaubhaftmachung außergewöhnlicher, zwangsläufig erwachsener Aufwendungen i.S. von § 33 EStG gelungen ist, handelt es sich um eine Tatfrage, über die das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat (§ 96 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dabei hat das FG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Wege der freien Beweiswürdigung zu entscheiden, ob und in welcher Höhe Aufwendungen i.S. von § 33 EStG als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht anzusehen sind. Im Streitfall ist das FG bei seiner Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, daß die geltend gemachten Aufwendungen in einer die zumutbare Grenze übersteigenden Höhe nicht als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht angesehen werden können. Bei der Frage, ob das FG zu dieser Feststellung kommen konnte, handelt es sich nicht um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
An dieser Beurteilung ändert nichts, daß das FG seine Entscheidung maßgebend auch auf die rechtliche Erwägung gestützt hat, die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 33 EStG könne durch einen Hinweis auf die der Schwiegermutter des Klägers zustehenden Pauschbeträge des § 33b Abs.3 Satz 2 EStG nicht ersetzt werden. Über die Frage, ob und ggf. welche Bedeutung bei Nachweis oder Glaubhaftmachung von gemäß § 33 EStG geltend gemachten Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für einen behinderten Angehörigen den Pauschbeträgen des § 33b Abs.3 Satz 2 EStG zukommt, haben sich Rechtsprechung und Schrifttum bisher zwar nicht ausdrücklich geäußert. Das FG hat jedoch zutreffend entschieden, daß die in § 33b Abs.5 EStG ausdrücklich geregelte Möglichkeit, den einem Kind zustehenden Behindertenpauschbetrag auf die Eltern zu übertragen, bei denen das Kind gemäß § 32 Abs.4 bis 7 EStG zu berücksichtigen ist, nicht analog auf andere Angehörige, auch nicht auf in gerader Linie aufsteigend Verwandte oder Verschwägerte übertragen werden darf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.Dezember 1965 VI 191/65 U, BFHE 84, 308, BStBl III 1966, 112). Die Beschränkung der Möglichkeit, den Behindertenpauschbetrag auf Eltern zu übertragen, hat gute Gründe. Während nämlich Aufwendungen wegen der Behinderung eines Kindes regelmäßig von dessen Eltern als den in erster Linie Unterhaltspflichtigen getragen werden müssen, weil das behinderte Kind seine außergewöhnlichen Belastungen typischerweise nicht selbst trägt, werden die Aufwendungen wegen der Behinderung einer älteren Person häufig von dritter Seite (Versicherung, Schädiger usw.) --wenn auch nur zum Teil-- getragen. Auch ist denkbar, daß mehrere Kinder oder neben den Kindern andere Angehörige die Aufwendungen der Behinderung des Angehörigen tragen. Aus diesen Gründen erscheint es nicht zulässig, den dem Körperbehinderten zustehenden Pauschbetrag ohne gesetzliche Regelung demjenigen zukommen zu lassen, der den Körperbehinderten durch zwangsläufige Aufwendungen i.S. von § 33 oder § 33a EStG unterstützt.
Aus vorstehenden Gründen verbietet sich auch die Annahme einer widerlegbaren Vermutung des Inhalts, daß Aufwendungen, die der bedürftigen Schwiegermutter zwangsläufig wegen ihrer Behinderung entstanden sind, durch den Kläger in Höhe der Behindertenpauschbeträge tatsächlich getragen worden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 62577 |
BFHE 156, 198 |
BFHE 1989, 198 |
BB 1989, 1252-1253 (LT1) |
DB 1989, 1216 (KT) |
DStR 1989, 498 (KT) |
HFR 1989, 429 (LT) |