Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründetheit einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO gestützten NZB
Leitsatz (NV)
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt u. a. Klärbarkeit der für grundsätzlich erachteten Frage voraus; bei der diesbezüglichen Prüfung sind die revisionsrechtlichen Vorschriften zu beachten.
2. Für die Voraussetzung der Klärbarkeit ist nicht entscheidend, ob die Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren theoretisch möglich erscheint. Vielmehr muß zu erwarten sein, daß eine Klärung tatsächlich stattfinden würde.
3. Wird als Verfahrensmangel die Verletzung der finanzgerichtlichen Sachaufklärungspflicht gerügt, so ist die NZB jedenfalls unbegründet, wenn die Darlegungen zur vorzunehmenden Beweiserhebung und zum voraussichtlichen Beweisergebnis so undeutlich und unbestimmt sind, daß ein bei stattgefundener Beweiserhebung günstigerer Verfahrensausgang nicht in Betracht zu ziehen ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt eine . . . Mit Vertrag vom 31. März 1979 beauftragte sie ein anderes Unternehmen, für sie in eigener Verantwortung . . . arbeiten auszuführen. Im Vertrag ist das Unternehmen als ,,Fa. A" bezeichnet. Nach dem Stempelaufdruck war Auftragnehmerin die A-GmbH.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1979) machte die Klägerin die ihr auf Grund der vertraglichen Leistungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Dem stimmte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) zunächst zu (§ 168 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
Nach einer Betriebsprüfung machte das FA - durch einen auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten Bescheid - die Berücksichtigung des Vorsteuerabzuges mit der Begründung rückgängig, in den Rechnungen seien sowohl das leistende Unternehmen als auch der Leistungsgegenstand unzutreffend bezeichnet. Eine Firma A-GmbH habe niemals bestanden. A bestreite, Leistungen für die Klägerin ausgeführt zu haben. Er sei den Arbeitern auch nicht bekannt.
Die Verhandlungen mit der Klägerin habe ausschließlich ein Herr F geführt. Nach den Bekundungen der Arbeitnehmer sei F der Firmeninhaber gewesen. Außerdem wiesen die Rechnungen zwar Werkleistungen aus. In Wirklichkeit sei jedoch über Personalgestellung abgerechnet worden.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen, der Zugang zum Vorsteuerabzug werde nur dann durch eine Rechnung eröffnet, wenn aus dieser oder den sonstigen Unterlagen das leistende Unternehmen eindeutig und leicht nachprüfbar zu entnehmen sei (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1987 X R 60/82, BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34). Dies treffe unter den gegebenen Umständen nicht zu. Als Auftragnehmer seien unstreitig nicht die in den Rechnungen und im Vertrag vom 31. März 1979 genannten Firmen A-GmbH bzw. A anzusehen. Leistender Unternehmer sei - auch nach dem Vortrag der Klägerin - F gewesen, so daß diesem die Umsätze zuzurechnen seien.
Ob F die Firmenbezeichnung mißbräuchlich benutzt habe oder ob ihm die Verwendung gestattet worden sei, könne dahinstehen, zumal weder die Rechnungen noch sonstige Unterlagen Hinweise auf ihn enthielten. Die angeführten Firmen stellten auch keine Bezeichnungen dar, unter denen F im Geschäftsverkehr bekannt gewesen sei. Vielmehr hätten erst Ermittlungen der Kriminalpolizei und des Steuerfahndungsdienstes ergeben, daß er der leistende Unternehmer gewesen sei.
Unerheblich sei ferner, daß die Klägerin wesentlich zur Entdeckung von F als des leistenden Unternehmers beigetragen habe, daß sie beim Abschluß des Vertrages vom 31. März 1979 guten Glaubens hinsichtlich der zutreffenden Bezeichnung ihres Vertragspartners gewesen sei und daß sie, wie sie geltend mache, Rechnungen von F - ggf. nach einem Zivilrechtsstreit - nachreichen könne. Hierdurch werde die Voraussetzung des Vorliegens ordnungsmäßiger Abrechnungspapiere nicht ersetzt. Inwieweit solche Umstände Anlaß geben könnten, den umstrittenen Vorsteuerabzug billigkeitshalber zu gewähren, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich die Klägerin auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet; sie wird zurückgewiesen.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die Klägerin macht insoweit geltend, im BFH-Urteil in BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34 sei es zwar für möglich gehalten worden, daß ein Vorsteuerabzug wegen einer Lieferung auch auf Grund der Rechnung einer Scheinfirma vorgenommen werden dürfe. Dagegen liege noch kein höchstrichterliches Erkenntnis zur Frage der Abrechnung durch Scheinfirmen vor, die Subunternehmerleistungen erbringen oder möglicherweise unerlaubt Leiharbeiter zur Verfügung stellen. Die diesbezügliche Rechtsprechung der FG sei uneinheitlich.
Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts sei mithin zu klären:
aa) Welche Bedeutung für den Vorsteuerabzug kommt dem Umstand zu, daß sich eine Arbeitnehmerüberlassung im nachhinein als illegal herausstellt?
bb) Ist die vorstehende Rechtsfrage anders zu beantworten, wenn es sich bei dem leistenden Unternehmer zusätzlich ,,um eine Scheinfirma handelt"?
cc) Was sind die qualitativen Kriterien einer ,,eindeutig" und ,,leicht nachprüfbaren" Feststellung des Lieferanten oder Leistenden? Sind diese Kriterien bei einer sonstigen Leistung anders zu gewichten als bei einer Lieferung?
dd) Bis zu welchem Grad darf das Steuerrecht dazu gebraucht werden, einen gesetzestreuen Auftraggeber zu veranlassen, Nachforschungen über den geschäftlichen Status seines Vertragspartners anzustellen?
ee) Unter welchem Gesichtspunkt ist es steuerrechtlich vertretbar, das Risiko einer Realisierung der Ansprüche aus einem Umsatzsteuerschuldverhältnis einem gesetzestreuen Auftraggeber anzulasten?
Die Klärung dieser Rechtsfragen habe grundsätzliche Bedeutung. An der Beantwortung bestehe ein allgemeines Interesse, weil die Fragen in einer großen Zahl von Fällen, vor allem in der Bauindustrie und im produzierenden Gewerbe, aufträten.
b) Der Vortrag der Klägerin ergibt nicht, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn es fehlt mindestens an der Klärungsbedürftigkeit bzw. an der Klärbarkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen (vgl. hierzu Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, §§ 115 Anm. 8 ff.).
Die Klägerin hat zwar zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht nur die unter II. 1. a) aa bis ee wiedergegebenen Einzelfragen angeführt, sondern diesen eine - sozusagen - Generalfrage vorangestellt. Dies erfordert jedoch nicht, daß sich die Begründetheitsprüfung außer auf die Einzelfragen auch auf die Generalfrage beziehen müßte. Es genügt vielmehr eine Auseinandersetzung mit den Einzelfragen; denn diese enthalten sämtliche Momente der Generalfrage.
aa) Soweit die Klägerin als problematisch für den Vorsteuerabzug die nachträgliche Erkenntnis anführt, daß die bezogene Leistung illegale Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand hat (unter II. 1. a) aa und bb), fehlt es an der erforderlichen Klärbarkeit (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 10 f.). Für diese Zulassungsvoraussetzung kommt es auf die revisionsrechtlichen Vorschriften an. Hierbei genügt es nicht, daß die Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren theoretisch möglich erscheint. Vielmehr muß zu erwarten sein, daß eine Klärung tatsächlich stattfinden würde.
Dies ist im Rahmen der nach § 115 Abs. 2 und 3 FGO gebotenen Prüfung zu verneinen. Das FG hat die Abweisung der Klage ausschließlich darauf gestützt, daß die dem geltend gemachten Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Rechnungen nicht vom leistenden Unternehmer stammen, nicht etwa auf die Erwägung, daß der Leistungsgegenstand unzutreffend oder unzureichend bezeichnet worden sei. Zur Frage nach dem Rechnungsaussteller hat das FG Feststellungen getroffen, welche die Würdigung durch das FG tragen. An diese Feststellungen würde der BFH in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich gebunden sein; denn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bietet keinen Anhalt für die Annahme, daß die Klägerin im Revisionsverfahren zulässige und begründete Angriffe gegen die Feststellungen des FG führen würde (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Unter diesen Umständen hätte der BFH keinen Anlaß, auf die hier erörterten Fragen einzugehen.
bb) Zum selben Ergebnis und mit entsprechenden Erwägungen kommt der Senat, soweit die Klägerin die Begriffe ,,eindeutig" und ,,leicht nachprüfbar" (vgl. BFH-Urteil in BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34) zum Gegenstand einer Einzelfrage macht (unter II. 1. a) cc). Angesichts der Feststellungen des FG, daß die Rechnungen und die sonstigen Unterlagen keine Hinweise auf F, als den leistenden Unternehmer, enthalten, ist nicht zu erwarten, daß der BFH sich im Revisionsverfahren mit der Klärung der beiden Begriffe eingehender über das hinaus beschäftigen würde, was sich hierzu aus dem eben zitierten Urteil entnehmen läßt. Dies gilt um so mehr, als die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Anhalt bietet, die Klägerin würde im Revisionsverfahren vorbringen, daß das FG beide Begriffsinhalte verkannt habe.
cc) Hinsichtlich der unter II. 1. a) dd und ee wiedergegebenen Fragen besteht keine Klärungsbedürftigkeit mehr (vgl. hierzu Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 8 f.), und zwar im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 151, 233, BStBl II 1988, 34 sowie auf das BFH-Urteil vom 19. Oktober 1978 V R 39/75 (BFHE 127, 71, BStBl II 1979, 345).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ferner nicht im Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet, wonach die Revision u. a. zuzulassen ist, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
a) Insoweit hat die Klägerin zur Begründung ausgeführt, dem FG sei bekannt gewesen, daß die Verhandlungen der Klägerin ausschließlich mit F stattgefunden hätten. Angesichts dessen hätte sich dem FG der Gedanke aufdrängen müssen, auch ohne diesbezüglichen Beweisantrag, die Klägerin bzw. deren - namentlich benannten - Meister als Zeugen zu hören. Die Zeugen hätten möglicherweise darüber Auskunft geben können, wie die in den Rechnungen und sonstigen Unterlagen enthaltenen Hinweise aufzufassen seien. Das FG habe mithin seine Sachaufklärungspflicht verletzt.
Auch wenn Bedenken zurückgestellt werden, ob die Klägerin mit diesem Vorbringen nicht überhaupt die Mindestanforderungen an die Begründung einer auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützten Nichtzulassungsbeschwerde verfehlt hat (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO; siehe hierzu Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 65 i. V. m. §§ 120 Anm. 37 ff.), kann die Klägerin keinen Erfolg haben, weil die Beschwerde jedenfalls bei der Prüfung der Begründetheit scheitern muß. Die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der vorzunehmenden Beweiserhebungen und die hinsichtlich des voraussichtlichen Beweisergebnisses (vgl. hierzu Gräber / Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 40) sind so undeutlich und unbestimmt, daß ihretwegen nicht in Betracht zu ziehen ist, die unterbliebene Beweiserhebung, wäre sie vorgenommen worden, hätte zu einem für die Klägerin günstigeren Verfahrensausgang führen können.
3. Weitere Zulassungsgründe werden von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht. Die ursprünglich zusätzlich gerügte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) soll offenbar nicht mehr weiterverfolgt werden, nachdem die Vorentscheidung berichtigt worden und damit der Ansatzpunkt für die Rüge einer Divergenz entfallen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 417811 |
BFH/NV 1992, 823 |