Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung rechtlichen Gehörs: Ablehnung eines Vertagungsantrags
Leitsatz (NV)
- Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten stellt nur dann eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wird.
- Dem "in letzter Minute" gestellten und mit einer plötzlichen Erkrankung begründeten Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung muss das FG nicht entsprechen, wenn der Antrag nicht den Anforderungen an eine aussagefähige Begründung genügt und die Gründe für die beantragte Terminverlegung nicht zugleich mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden.
Normenkette
FGO § 91 Abs. 1, § 155; ZPO § 227
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des (ordnungsgemäß) geladenen Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Verlegung zu Unrecht nicht stattgegeben worden ist (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726; vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902, m.w.N.). Der Beteiligte ist allerdings gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt deshalb nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 726; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 13 und 15, m.w.N.).
Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) "kann" das Gericht "aus erheblichen Gründen" einen Termin aufheben oder verlegen. Der Beteiligte muss ihm aber im Einzelfall darlegen, dass es sich um erhebliche Gründe handelt. Zwar sind die erheblichen Gründe nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO erst auf Verlangen glaubhaft zu machen. Das berührt aber nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228).
2. Das Finanzgericht (FG) brauchte im Streitfall den Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 91 Abs. 1 FGO) nicht aufzuheben oder zu verlegen; denn der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte ―dafür erforderliche― erhebliche Gründe nicht substantiiert vorgetragen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist das FG nicht verpflichtet, dem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung, der sozusagen "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet wird, stattzugeben, wenn dieser Antrag den Anforderungen an eine aussagefähige Begründung nicht genügt und die Gründe für die beantragte Terminsverlegung nicht zugleich mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 1997 VIII B 94/96, BFH/NV 1998, 66, und in BFH/NV 1996, 228, m.w.N.). Notwendig ist hiernach in solchen eiligen Fällen (anders, wenn zwischen dem Antrag und dem Termin zur mündlichen Verhandlung noch einige Tage liegen: BFH-Urteil vom 4. Mai 1994 XI R 104/92, BFH/NV 1995, 46) entweder die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung durch den Beteiligten, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann. Zwar sind nach § 227 Abs. 2 ZPO die Gründe erst auf Verlangen glaubhaft zu machen; das kann aber nur gelten, wenn zwischen der Antragstellung und dem Termin ausreichend Zeit besteht, um dies zu verlangen. Ist diese Zeit ―wie im Streitfall― nicht mehr vorhanden, so muss der Beteiligte seine Gründe mit der Antragstellung glaubhaft machen, weil andernfalls keine Möglichkeit bestünde, dessen Angaben zu überprüfen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 228, m.w.N.). Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags im Falle einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsverlegung nicht gestellt, bestände die Gefahr, dass die Entscheidung über die Terminsverlegung allein vom Beteiligten abhängen würde. Dies wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar.
Im Streitfall hat das FG in seinem Urteil ausführlich begründet, dass die Angaben im Verlegungsantrag, der am Montag vor der auf Dienstag, den 17. Oktober 2000 um 14.45 Uhr anberaumten Sitzung in den Hausbriefkasten des Gerichts eingeworfen wurde, keine Prüfung der Verhandlungsfähigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers erlaubten. Weder aus dem Antrag noch aus der diesem beigefügten Kopie einer auf fünf Tage begrenzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes für Allgemeinmedizin ergab sich ein Hinweis auf Art oder Schwere der Ursache der Arbeitsunfähigkeit; für die Beurteilung der ―von der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheidenden― Verhandlungsfähigkeit fehlte daher jeder Anhaltspunkt.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
Fundstellen