Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rüge der Unterlassung einer beantragten Beweiserhebung; Verkennung der Grundsätze über die Verteilung der Feststellungslast
Leitsatz (NV)
- Macht der Beschwerdeführer geltend, das FG habe einen von ihm benannten Zeugen verfahrensfehlerhaft nicht vernommen, so ist u.a. darzulegen, weshalb dies nicht bereits vor dem FG gerügt wurde. Die insoweit gegebene Begründung, das FG hätte in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht darauf hinweisen müssen, daß es von einer Beweiserhebung absehen werde, genügt jedenfalls nicht, wenn der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung durch einen rechtskundigen Prozeßbevollmächtigten vertreten war.
- Mit der Behauptung, das FG habe die Grundsätze der Verteilung der Feststellungslast verkannt, indem es diese dem Beschwerdeführer aufgebürdet habe, wird ein materiell-rechtlicher Fehler des angefochtenen Urteils geltend gemacht. Wird hingegen vorgetragen, diese Grundsätze hätten (noch) nicht angewendet werden dürfen, weil noch nicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft waren, so wird ein Verfahrensfehler gerügt.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat teilweise keine Verfahrensmängel, sondern materiell-rechtliche Fehler des Finanzgerichts (FG) geltend gemacht; im übrigen hat sie die gerügten Verfahrensfehler nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichnet.
1. Die Rüge, das FG habe benannte Zeugen verfahrensfehlerhaft nicht vernommen und außerdem zu Unrecht von einer Beweisaufnahme, die sich ihm selbst hätte aufdrängen müssen, abgesehen, ist nicht im erforderlichen Umfang begründet worden.
a) Soweit die Klägerin geltend macht, der von ihr mit Schriftsatz vom 22. März 1996 benannte Zeuge E hätte vom FG gehört werden müssen, fehlt es insbesondere an der schlüssigen Darlegung, weshalb dies nicht bereits vor dem FG gerügt wurde (zu diesem Erfordernis s. z.B. den Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238; aus jüngerer Zeit auch den Senatsbeschluß vom 29. September 1998 III B 74/98, BFH/NV 1999, 488). Die insoweit von der Klägerin gegebene Begründung, das FG hätte in der mündlichen Verhandlung (am 27. März 1996) im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht darauf hinweisen müssen, daß es von einer Beweiserhebung absehen werde, genügt nicht. Zum einen war die Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch einen rechtskundigen Prozeßbevollmächtigten vertreten, der die Folgen des Verzichts sowohl auf eine ausdrückliche Wiederholung des betreffenden Beweisantrags als auch auf die Rüge der Nichterhebung des angebotenen Beweises durch das FG kennen mußte (vgl. hierzu z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 38 am Ende). Zum anderen ist mit dem Hinweis auf die angebliche Fürsorgepflicht des FG nicht dargetan, daß oder weshalb der Klägerin bzw. deren Prozeßbevollmächtigtem eine rechtzeitige Rüge (noch vor dem FG) nicht möglich oder nicht zumutbar war (s. hierzu z.B. den Senatsbeschluß in BFH/NV 1999, 488).
Hinzu kommt, daß die Klägerin auch nicht hinreichend dargetan hat, inwiefern die beantragte Zeugenvernehmung zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (s. dazu z.B. den BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 238). Die Klägerin hätte insoweit ―ergänzend― auch dazu Stellung nehmen müssen, weshalb sie sich zur Begründung ihrer Auffassung, die Maschine sei (erstmals) bereits im Jahre 1983 fertiggestellt worden, im Einspruchs- und im Klageverfahren auf Schlußabrechnungen des Zeugen E bezogen, diese aber zu keinem Zeitpunkt vorgelegt hat. Nach Aktenlage gibt es ―worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) u.a. bereits in der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 17. März 1995 hingewiesen hat― auch keine derartigen Schlußabrechnungen. Jedenfalls hat die Klägerin im Zulagenantrag für 1983, dem Jahr der angeblichen Fertigstellung der Maschine, insgesamt lediglich Aufwendungen von 1 664 DM geltend gemacht, und zwar für "Alu-Rollen für Entwicklungsmaschine". Auch im Antrag für 1982 ist keine Schlußabrechnung des Zeugen E oder ein entsprechender Aufwendungsbetrag als Beleg für einen Abschluß der Investitionsmaßnahme angegeben.
b) Die Rüge, das FG hätte auch den von ihr außerdem als Zeugen benannten Betriebsprüfer K hören müssen, ist ―abgesehen von den oben dargestellten Gründen― schon deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil die Klägerin nicht angegeben hat, wann oder wo sie einen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben wollte (s. hierzu z.B. den BFH-Beschluß vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601).
c) Schließlich genügt auch die Rüge, das FG hätte den seinerzeit von der Klägerin beauftragten Gutachter von sich aus als Zeugen hören müssen, nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, weshalb sie nicht selbst einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hatte (s. hierzu z.B. den BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 238). Weiter fehlen u.a. auch Ausführungen dazu, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Einvernahme dieses Zeugen voraussichtlich ergeben hätten (s. zu diesem Erfordernis z.B. Ruban, a.a.O., § 120 Anm. 40). Gerade insoweit wären Ausführungen geboten gewesen, weil der Gutachter bei üblicher Sicht der Dinge auch heute allenfalls dazu Angaben machen könnte, in welchem Zustand sich die Maschine im Zeitpunkt der Begutachtung, im Dezember 1992, befand. Es erscheint kaum möglich, daß er auch Angaben dazu machen könnte, ob die Entwicklungsmaschine bereits 1983 fertiggestellt war.
d) Im übrigen macht die Klägerin im Rahmen der Rüge der unzureichenden Sachverhaltsermittlung nur noch materiell-rechtliche Fehler geltend. Das gilt insbesondere für die Behauptung, das FG habe verkannt, daß sich ihr, der Klägerin, Sachvortrag zur Unfertigkeit der Maschine allein auf den Zustand im Jahre 1987 (und nicht jenen im Jahre 1983) bezogen habe. Insoweit wird die unzutreffende Würdigung von Tatsachen, also ein materiell-rechtlicher Fehler, gerügt, was nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führen kann (s. hierzu z.B. den BFH-Beschluß vom 19. August 1992 V B 30/90, BFH/NV 1995, 748). Gleiches gilt für die Rüge, das FG habe die Grundsätze über die Verteilung der Beweislast verkannt (s. insoweit aus jüngerer Zeit den BFH-Beschluß vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490; ständige Rechtsprechung ―s. aber auch unten Nr. 3―).
2. Die Rüge, das FG habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und damit das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Da die Beteiligten auf die Geltendmachung einer solchen Rechtsverletzung verzichten können, hätte die Klägerin (u.a.) darlegen müssen, daß sie eine entsprechende Rüge schon vor dem FG erhoben hatte oder trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht hatte erheben können. Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Weiter hat die Klägerin z.B. auch nicht dargelegt, was sie bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen hätte (zu diesen und anderen Voraussetzungen s. aus jüngerer Zeit den BFH-Beschluß vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196).
3. Im Zusammenhang mit der Rüge, das FG habe ihr zu Unrecht die Feststellungslast aufgebürdet, macht die Klägerin auch geltend, die Grundsätze über die Verteilung der Feststellungslast hätten (ohnedies) erst zur Anwendung kommen können, wenn es trotz Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen bei einem non liquet verblieben wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da sie, die Klägerin, Beweis für die Fertigstellung der Maschine im Jahre 1983 angeboten gehabt habe.
Insoweit rügt die Klägerin zwar eine Verletzung allgemeiner Beweiswürdigungsregeln und damit auch einen Verfahrensfehler (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 14. September 1994 I R 52/94, BFH/NV 1995, 606). Doch ist dieser Fehler nicht hinreichend i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Die Klägerin hätte auch hier (s. bereits oben Nr. 1 Buchst a letzter Abs.) auf den Umstand eingehen müssen, daß sie weder für das Jahr 1983 noch für 1982 eine Schlußabrechnung des als Zeugen für die Fertigstellung benannten E in ihre Zulagenanträge aufgenommen hatte.
4. Soweit die Klägerin schließlich noch eine Verletzung der §§ 175 und 169 der Abgabenordnung (AO 1977) rügt, macht sie materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zur Zulassung einer Revision führen können (s. z.B. Senatsbeschluß in BFH/NV 1999, 488).
Eine Divergenzrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann in den betreffenden Ausführungen nicht gesehen werden. Es fehlt bereits an der Gegenüberstellung voneinander abweichender Rechtssätze des FG-Urteils und der genannten BFH-Entscheidungen.
5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 302391 |
BFH/NV 1999, 1503 |