Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehörverstoß; richterliche Hinweispflicht; fehlerhafte Rechtsanwendung; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Zur Vermeidung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Überraschungsentscheidung) wie auch der richterlichen Hinweispflicht braucht das Gericht auf nahe liegende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte zumindest dann nicht hinzuweisen, wenn die Beteiligten fachkundig vertreten sind. Auch muss ein solcher Beteiligter bei unklarer Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten.
2. Mit der - der Revision vorbehaltenen - Rüge der "Verletzung materiellen Rechts" und der Rüge der fehlerhaften Rechtsanwendung, die die Beteiligten mit ihrer eigenen, vom FG abweichenden Rechtsansicht begründen, kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
3. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist u.a. erforderlich, sich mit den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zu den aufgeworfenen Rechtsfragen auseinanderzusetzen.
Normenkette
AO §§ 121, 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 5, § 208; FGO § 76 Abs. 1-2, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 28.11.2007; Aktenzeichen 2 K 74/06) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind auch nicht gegeben.
1. Die gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor. Für eine hinreichende Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch unterlassene Amtsermittlung fehlt es an den dazu erforderlichen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43; vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74). Eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) wie auch eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) sind nicht gegeben (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 8. November 2005 III B 33/05, BFH/NV 2006, 568; vom 7. Dezember 2005 I B 90/05, BFH/NV 2006, 601). Auf naheliegende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte braucht das Gericht zumindest dann nicht hinzuweisen, wenn die Beteiligten --wie hier-- fachkundig vertreten sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947; vom 11. Februar 2003 XI B 4/02, BFH/NV 2003, 802). Abgesehen davon muss ein Beteiligter bei unklarer Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135, m.w.N.). Zudem wird nicht dargetan, warum die rechtskundig vertretenen Kläger angesichts der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) nach Charakter (Werbungskosten) und Abfluss (Streitjahr 1991) bestrittenen Aufwendungen nicht von sich aus in der mündlichen Verhandlung auf eine entsprechende weitere Sachaufklärung hingewirkt haben.
2. Mit der --der Revision vorbehaltenen-- Rüge der "Verletzung materiellen Rechts" und der Rüge der fehlerhaften Rechtsanwendung, die die Kläger mit ihrer eigenen, vom FG abweichenden Rechtsansicht begründen, kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 27; BFH-Beschlüsse vom 25. November 2002 I B 2/02, BFH/NV 2003, 488; vom 31. Januar 2003 IX B 174/02, BFH/NV 2003, 649, m.w.N.). Auch ist die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Gestalt einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) nicht hinreichend dargelegt; es fehlt an der Benennung von auf abweichenden, abstrakten Rechtssätzen beruhenden Divergenzentscheidungen.
Auch hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Kläger haben sich nicht hinreichend mit den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zu den aufgeworfenen Rechtsfragen auseinandergesetzt (s. zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 der Abgabenordnung --AO--bei "Ermittlungen von Besteuerungsgrundlagen": BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749, 755, m.w.N.; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 171 Rz 78; zu steuerrechtlichen Ermittlungen nach § 208 AO: BTDrucks 7/4292; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 208 AO Rz 14, 15; zur (vermeintlich) falschen Rechtsgrundlage: Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 121 AO Rz 44 ff., 212; zur Anwendung der Vorschriften der AO und FGO betr. Feststellungen bei § 169 Abs. 2 Satz 2 AO: Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO, Rz 25).
Entsprechend ist auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) erforderlich.
Fundstellen