Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Eigenverschulden des Bevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Für die Frage, ob der Kläger ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dem Kläger das Verschulden des Prozessbevollmächtigten als eigenes Verschulden zuzurechnen. Für einen Bevollmächtigten unvermeidbar und unvorhersehbar kann das Büroversehen von ansonsten zuverlässig arbeitenden Büroangestellten sein, nicht aber sein eigenes Versehen (leichte Fahrlässigkeit), mag ihm dies auch nur bei der technischen bzw. mechanischen Bearbeitung eines Schriftsatzes widerfahren sein.
Normenkette
FGO § 56
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 15 K 2579/02 E) |
Tatbestand
I. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen das am 22. März 2007 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 13. Februar 2007 15 K 2579/02 E wurde vom Prozessbevollmächtigten des Klägers fristgerecht erhoben. Unter dem 16. Mai 2007 wurde beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat zu verlängern. Diesem Antrag wurde durch gerichtliche Verfügung vom 22. Mai 2007 entsprochen (Fristende: 22. Juni 2007).
Am 23. Juni 2007 ging die Beschwerdebegründung beim BFH ein. Den damit verbundenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers damit, er übe seine freiberufliche Tätigkeit ohne Mitarbeiter aus. In dem für diese Rechtssache geführten Terminüberwachungsblatt habe er persönlich in Folge eines Büroversehens das Fristende mit "24. Juni 2007" notiert. Da er am 21. und 22. Juni ganztägig bei einer Rückkehr am 22. Juni um 21.00 Uhr beruflich bedingt auswärtig tätig gewesen sei, sei der Eintragungsfehler erst bei der Bearbeitung am 23. Juni 2007 entdeckt worden. Der Prozessbevollmächtigte hat ein (Fristen-)"Überwachungsblatt" sowie einen Ausdruck des maschinell geführten Kalenders vorgelegt. In dem Überwachungsblatt ist mit dem Hinweis "Frist zur Begründung" ein Termin "24.5.2007" notiert.
Der Kläger beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Revision zuzulassen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der bis zum 22. Juni 2007 verlängerten Frist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begründet worden ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen (§ 56 FGO).
1. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils des FG zu begründen. Die Begründungsfrist kann vom Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Die Begründung ist beim BFH einzureichen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO). Im Streitfall lief die hiernach verlängerte Begründungsfrist am 22. Juni 2007 ab. Die Beschwerdebegründung ist jedoch erst am 23. Juni 2007 und damit verspätet beim BFH eingegangen.
2. Die von dem Kläger zugleich und damit innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO beantragte Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist kann nicht gewährt werden.
a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Kläger ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten einem Kläger als sein eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 84 Satz 1, § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Juni 2002 XI R 8/97, BFH/NV 2002, 1468; vom 4. Dezember 2003 XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526). Die Fristversäumnis durch einen rechtskundigen Prozessvertreter kann nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 526; vom 24. Januar 2005 III B 34/04, BFH/NV 2005, 720; vom 15. Juni 2005 VI B 184/04, BFH/NV 2005, 1623; vom 29. März 2007 VIII R 52/06, BFH/NV 2007, 1515).
b) Aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass er selbst "in Folge eines Büroversehens" in seinem Überwachungsblatt "das Fristende mit 24. Juni 2007" notiert habe und der Fehler erst bei der Bearbeitung der Sache am 23. Juni 2007 aufgefallen sei, ergibt sich nicht, dass die Frist zur Beschwerdebegründung ohne Verschulden versäumt worden ist. So ist im Überwachungsblatt als Frist tatsächlich der "24.5.2007" notiert. Darüber hinaus ist der 24. Juni 2007 ein Sonntag, was als Endtermin einer Frist bei einer diesem Datum zugrunde liegenden Verlängerung durch das Gericht eine nähere Prüfung hätte nahelegen müssen. Jedenfalls kann daraus geschlossen werden, dass der Prozessbevollmächtigte bei der Fristüberwachung in dieser Sache nicht die gebotene und zumutbare Sorgfalt hat walten lassen. Da nach ständiger Rechtsprechung jedes Verschulden -also auch eine einfache Fahrlässigkeit- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 526), stellt ein zumindest auf leichter Fahrlässigkeit beruhender Fehlgriff des Prozessbevollmächtigten keinen Entschuldigungsgrund dar. Für einen Bevollmächtigten unvermeidbar und unvorhersehbar kann das Büroversehen einer ansonsten zuverlässig arbeitenden Büroangestellten sein, nicht aber sein eigenes Versehen, mag ihm dies auch nur bei der technischen bzw. mechanischen Bearbeitung eines Schriftsatzes widerfahren (z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 526; in BFH/NV 2005, 720).
Fundstellen