Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Säumniszuschlägen
Leitsatz (NV)
Ob und in welchem Umfang die Finanzbehörde zur Beurteilung der Voraussetzungen für den Erlass von Säumniszuschlägen verpflichtet ist, an den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit, der Überschuldung und an das Vorliegen einer Stundungssituation nur solche Anforderungen zu stellen, die nicht außer Verhältnis zu dem dadurch entstehenden Aufwand stehen, hängt von den Umständen im Einzelfall ab.
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 2, § 227; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
1. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) lehnte es ab, der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Säumniszuschläge zu erlassen, die wegen nicht rechtzeitiger Entrichtung von Umsatzsteuer und (in geringerem Umfang von) Lohnsteuer für Februar 1982 bis Juli 1985 entstanden waren. Das FA wies auch den Einspruch gegen die ablehnende Entscheidung zurück.
Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab, weil das FA den Erlass nicht ermessensfehlerhaft abgelehnt habe. Ein Erlass komme nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sowohl überschuldet als auch zahlungsunfähig sei. Die Klägerin sei aber nicht zahlungsunfähig gewesen, weil sie ihre Schulden im Wesentlichen innerhalb von sechs Monaten habe tilgen können. Sie habe auch nicht aufgrund entsprechender Nachweise dargetan, dass sie überschuldet gewesen sei. Weitere den Erlass rechtfertigende Gründe habe sie trotz entsprechender Hinweise vor der letzten Verwaltungsentscheidung nicht geltend gemacht.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zur Begründung macht sie geltend, es sei klärungsbedürftig, "ob es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, weitgehende Nachweise für Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder Stundungssituation auch dann zu verlangen, wenn die aufzuwendenden Kosten den angestrebten Erlassbetrag erreichen oder übersteigen". Sie hält außerdem für klärungsbedürftig, "ob es verneinendenfalls geboten sei, einen Erlass zumindest in Höhe des Kostenaufwandes auszusprechen, der den begehrten Erlassbetrag übersteigt".
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision gegen die Vorentscheidung zuzulassen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht ordnungsgemäß dargelegt und nicht bezeichnet.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und weshalb dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit). Dabei sind für das Beschwerde- und Revisionsgericht die tatsächlichen Feststellungen des FG bindend (§ 118 Abs. 1 FGO), sofern dagegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind.
Die Klägerin muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 549; vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Steuer-Eildienst 1996, 410). Dazu muss sie erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfragen hat.
b) Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Der Senat hat in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Klägerin wegen Erlasses von Säumniszuschlägen zur Umsatzsteuer und zur Lohnsteuer für November 1981 bis April 1985 durch Beschluss vom 17. Dezember 1999 V B 147/99, BFH/NV 2000, 821 sinngemäß entschieden, dass es von den Umständen des Einzelfalles abhänge, ob und inwieweit eine Finanzbehörde mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehalten sei, die Anforderungen an den Nachweis von Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder Stundungssituation wegen des damit verbundenen Aufwands angemessen zu verringern. Deswegen sei eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht gegeben.
Dies gilt auch für die im Streitfall als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen. Hinzu kommt, dass die zur Begründung der angeblich vorhandenen Unverhältnismäßigkeit vorgebrachten Tatsachen vom FG nicht festgestellt worden sind. Sie können deshalb für eine Entscheidung in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht beachtet werden.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 515025 |
BFH/NV 2001, 420 |