Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Weder die Kostenentscheidung des FG ist mit der Beschwerde an den BFH anfechtbar, noch ist die Kostenentscheidung des BFH anfechtbar (im Streitfall wertete der BFH das Vorbringen als – erfolglose – Gegenvorstellung).

2. Die Kosten finanzgerichtlicher Verfahren, in denen die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung streitig war, können in der Regel selbst dann nicht dem FA auferlegt werden, wenn das BVerfG bei gegen die Regelung anhängig gewesenen (erfolglosen) Verfassungsbeschwerden die Auslagenerstattung angeordnet hat. In solchen Fällen scheidet auch eine Nichterhebung von Gerichtskosten nach § 8 Abs.1 Satz 1 GKG aus.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 4, § 135; GKG § 8 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

BVerfG (Beschluss vom 22.12.1992; Aktenzeichen 2 BvR 1265/90)

BFH (Urteil vom 08.06.1990; Aktenzeichen III R 102/88)

FG Köln (Urteil vom 14.07.1988; Aktenzeichen 5 K 424/88)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für das Streitjahr (1986) zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ermittelte für die Eheleute ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 23 945 DM und setzte die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle auf 3 254 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger den Ansatz eines höheren Grundfreibetrages begehrte, hatten keinen Erfolg. Der erkennende Senat wies die Revision des Klägers mit Urteil vom 8. Juni 1990 III R 102/88 als unbegründet zurück. Die Kosten des Revisionsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.

Der Kläger griff das Urteil des erkennenden Senats mit der Verfassungsbeschwerde an. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerde mit Beschluß vom 22. Dezember 1992 2 BvR 1265/90 nicht zur Entscheidung an. Es ordnete jedoch die Erstattung der dem Kläger für die Verfassungsbeschwerde entstandenen notwendigen Auslagen durch die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) an.

Daraufhin wandte sich der Kläger erneut an den Bundesfinanzhof (BFH). Er macht geltend, daß es unbillig sei, wenn er wegen seines Unterliegens vor dem Finanzgericht (FG) und dem BFH die Kosten des Klage- und des Revisionsverfahrens tragen müsse, obwohl das BVerfG im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Kosten dem Staat auferlegt habe.

Der Kläger beantragt, die Kosten des erfolglosen Klageverfahrens und des erfolglosen Revisionsverfahrens dem FA aufzuerlegen, hilfsweise, die Gerichtskosten in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) niederzuschlagen.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat wertet dieses Vorbringen des Klägers als Gegenvorstellung gegen das Revisionsurteil vom 8. Juni 1990 III R 102/88, da der Kläger eine Änderung der in diesem Urteil enthaltenen Kostenentscheidung erreichen will.

Die Gegenvorstellung ist nicht statthaft. Gegen das Urteil des Senats ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen und daher weder abänderbar noch aufhebbar. Das gilt auch für die in dem Urteil enthaltene Kostenentscheidung. Gegen eine Kostenentscheidung, die in einem Urteil eines FG enthalten ist, ist nicht einmal eine Beschwerde an den BFH gegeben (§ 128 Abs.4 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Erst recht ist kein Rechtsmittel gegen eine in einem Urteil des BFH enthaltene Kostenentscheidung statthaft (vgl. BFH-Beschluß vom 6. April 1994 V B 168/93, BFH/NV 1995, 633).

Allerdings hat es das BVerfG als naheliegend bezeichnet, ausnahmsweise eine Abänderung auch an sich nicht abänderbarer Entscheidungen zuzulassen, wenn die Entscheidung auf einer offenkundigen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das erkennende Gericht beruht (BVerfG-Beschluß vom 8. Juli 1986 2 BvR 152/83, BVerfGE 73, 322; BFH-Beschluß vom 23. April 1991 VII B 74/90, BFH/NV 1992, 392). Ferner hat das BVerfG die Abänderung einer formell und materiell rechtskräftigen Entscheidung dann in Betracht gezogen, wenn sie unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ergangen ist (Beschluß vom 20. Februar 1984 1 BvR 166/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, § 93, Rechtsspruch 17; vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 9. August 1995 VII B 126/95, BFH/NV 1996, 239). Der Senat braucht zu dieser Rechtsprechung nicht grundsätzlich Stellung zu nehmen, denn um diese Fragen geht es bei der Gegenvorstellung des Klägers nicht.

Im übrigen hält der Senat den Antrag des Klägers auf eine Änderung der Kostenentscheidung auch in der Sache nicht für gerechtfertigt. Der Senat hat mit Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90 (BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20) seine Rechtsprechung fortgeführt, wonach die Kosten finanzgerichtlicher Verfahren, in denen die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung streitig war, in der Regel selbst dann nicht dem FA auferlegt werden können, wenn das BVerfG bei gegen die Regelung anhängig gewesenen (erfolglosen) Verfassungsbeschwerden die Auslagenerstattung angeordnet hat. Die gegen dieses Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit Beschluß vom 16. Oktober 1996 2 BvR 2956/95 nicht zur Entscheidung angenommen. Bereits mit Beschluß vom 18. März 1994 III B 543/90 (BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473) hat der erkennende Senat ebenfalls entschieden, daß in solchen Fällen auch eine Nichterhebung von Gerichtskosten nach § 8 Abs.1 Satz 1 GKG ausscheidet. Die Kostenentscheidung ist im Streitfall daher zu Recht ergangen.

In dem vorliegenden Verfahren über die Gegenvorstellung ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen (BFH-Beschluß vom 27. Dezember 1994 X B 124/93, BFH/NV 1995, 534).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1934949

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