Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungserheblichkeit bei Divergenz
Leitsatz (NV)
Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen, wenn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts das angefochtene Urteil selbst unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der Divergenzentscheidung für den Rechtsmittelführer nicht steuerlich günstiger ausgefallen wäre.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 16.08.2023 - 2 K 2449/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen.
Rz. 2
1. Der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) angeführte Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) greift nicht durch.
Rz. 3
a) Voraussetzung hierfür ist, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), ein anderes FG oder ein anderes oberstes Bundesgericht. Dabei muss das FG seinem Urteil einen entscheidungserheblichen (tragenden) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (statt vieler Senatsbeschluss vom 21.06.2023 - IX B 58/22, Rz 4). Hinzukommen muss, dass das angefochtene Urteil auf der geltend gemachten Divergenz beruhen kann. Dies ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei Zugrundelegung der Divergenzentscheidung anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 16.10.2003 - VII B 6/03, BFH/NV 2004, 544; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 185).
Rz. 4
b) Diese rechtlichen Anforderungen erfüllt das Vorbringen der Kläger nicht.
Rz. 5
aa) Sie führen zwar zu Recht an, dass der entscheidungstragende Rechtssatz des FG, der Verkehrswert eines Mietwohngrundstücks sei für steuerrechtliche Zwecke grundsätzlich vorrangig im Sachwertverfahren zu ermitteln, mit der Entscheidung des Senats vom 20.09.2022 - IX R 12/21 (BFHE 278, 169) kollidiert.
Rz. 6
In jener Entscheidung hat der Senat für einen zum vorliegenden Streitfall vergleichbaren Sachverhalt hervorgehoben, dass kein steuerrechtlicher --insbesondere kein typisierender-- Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten besteht und sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung dem Grunde nach entzieht (dort Rz 40). Weder ergibt sich aus der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 19.05.2010 (BGBl I 2010, 639) ein Vorrang des Sachwertverfahrens noch ist diese Verordnung für die Wertermittlung eines Grundstücks abschließend. Diese baurechtliche Ausgangslage verbietet es, dass die finanzgerichtliche Rechtsprechung ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts bindend vorgibt (dort Rz 41).
Rz. 7
Diese Rechtsgrundsätze hat die Vorinstanz nicht berücksichtigt.
Rz. 8
bb) Die Kläger gehen allerdings fehl in ihrer Annahme, dass diese Divergenz entscheidungserheblich ist. Sie haben nicht ausreichend dargelegt, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung der die Senatsentscheidung vom 20.09.2022 - IX R 12/21 (BFHE 278, 169) tragenden Rechtssätze anders --steuerlich günstiger-- ausgefallen wäre.
Rz. 9
(1) Der von den Klägern geführte Rechtsstreit zielt im Kern darauf ab, dass die von ihnen in den Streitjahren verausgabten Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung ihres Vermietungsobjekts in der vom FG festgestellten Höhe von insgesamt 56.117,29 € als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und nicht als --nur sukzessiv über die Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigende-- anschaffungsnahe Herstellungskosten im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes behandelt werden. Letzteres ist der Fall, wenn jene Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Im Hinblick auf diese 15 %-Grenze wären die Aufwendungen der Kläger sofort abziehbar, wenn die Gebäude-Anschaffungskosten mit mindestens 314.382 € zu veranschlagen wären (56.117,29 € Brutto-Aufwendungen = 47.157,38 € Netto-Aufwendungen * 100/15). Der von der Vorinstanz festgestellte Gesamtkaufpreis der Immobilie von 395.000 € zuzüglich der Anschaffungsnebenkosten von 37.100,43 € müsste demnach zu (mindestens) 72,75 % auf das Gebäude entfallen.
Rz. 10
(2) Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ein Gebäudeanteil in vorgenannter Höhe nach Maßgabe der Feststellungen des FG mit einem in Betracht zu ziehenden Wertermittlungsverfahren erreichbar gewesen wäre.
Rz. 11
Die Aufteilung des Gesamtkaufpreises nach Maßgabe des Ertragswertverfahrens (§ 17 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV) hätte nicht zu der von den Klägern begehrten Rechtsfolge geführt. Der vom FG festgestellte Ertragswert der Immobilie lag mit 387.000 € noch unter dem Sachwert (388.000 €). Der Gebäudeanteil wäre --bei einem unstreitigen Anteil für die auf den Grund und Boden entfallenden Anschaffungskosten von 117.450 €-- mit 69,65 % noch geringer ausgefallen als im Zuge des vom FG angewandten Sachwertverfahrens. Ein Sofortabzug der Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen wäre folglich ebenfalls ausgeschlossen gewesen.
Rz. 12
Das von den Klägern hervorgehobene periodisierte Ertragswertverfahren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ImmoWertV wäre auch unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze in der Divergenzentscheidung vom 20.09.2022 - IX R 12/21 (BFHE 278, 169) im Streitfall nicht anwendbar gewesen. Die Vorinstanz hat hierzu unter anderem ausgeführt, dass die Kläger die besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV nicht dargelegt hätten und für deren Vorliegen auch nichts ersichtlich sei. An diese, von den Klägern nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Rz. 13
Zu weiteren, auch außerhalb des Regelungsbereichs der Immobilienwertermittlungsverordnung liegenden Wertermittlungsverfahren haben die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nichts vorgebracht. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass selbst das von den Klägern im außergerichtlichen Verfahren vorgelegte Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt … einen Gebäudeanteil mit nur 69,17 % ausweist, der es nicht erlaubt, die Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln.
Rz. 14
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
Rz. 15
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 16185735 |
BFH/NV 2024, 407 |