Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unterlassener Einlegung einer nachträglich durch den BFH zugelassenen Revision
Leitsatz (NV)
Die Annahme des Prozessbevollmächtigten, bei Zulassung der Revision durch den BFH erübrige sich deren Einlegung, rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Revisionsfrist, wenn in der Rechtsmittelbelehrung des finanzgerichtlichen Urteils darauf hingewiesen wird, dass die Revision im Falle der Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses schriftlich beim FG einzulegen ist.
Normenkette
FGO §§ 56, 115 Abs. 5, § 120 Abs. 1
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 19. August 1998 die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger vom 2. Dezember 1998 hat der Senat durch Beschluss … die Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Der Beschluss wurde zusammen mit dem Anschreiben der Geschäftsstelle vom 2. Juli 1999 dem Prozessbevollmächtigten der Kläger durch Postzustellungsurkunde am 5. Juli 1999 zugestellt.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 1999 machten die Kläger "in Ergänzung des Schriftsatzes vom 2.12.1998" Ausführungen zur materiell-rechtlichen Streitfrage. Nach Hinweis der Geschäftsstelle des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Dezember 1999, auf den Zulassungsbeschluss sei keine Revision eingelegt worden, beantragten die Kläger mit ihrem am 30. Dezember 1999 beim BFH eingegangenen Schreiben "Wiedereinsetzung" mit folgender Begründung:
"Der Schriftsatz vom 19.8.1998 in der Sache gilt nicht nur als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, sondern stellt auch gleichzeitig die Revision dar.
Auf eine andere Rechtsansicht wurde im Beschluss des BFH vom … nicht hingewiesen. Die jetzige Präsidentin des BFH hat in der Fachpresse angekündigt, die prozessualen Hürden im Verfahrensausgang herabzusetzen, so dass dieser Antrag im Zweifel der Präsidentin vorzulegen ist.
Wir haben hier kein Verständnis dafür, dass ein ohne jeglichen Hinweis ergangener Beschluss nunmehr mangels ausdrücklicher zusätzlicher Revisionseinlage das weitere Rechtsschutzinteresse abschneiden soll."
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gleichzeitig als Revisionsschriftsatz gelten. Denn nach § 120 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 5 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision im Falle der Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich bei dem FG einzulegen. Hierauf wurden die Kläger durch die dem angefochtenen Urteil des FG beigefügte Rechtsmittelbelehrung hingewiesen.
2. Die Kläger haben innerhalb der Revisionsfrist keine Revision eingelegt. Der Beschluss über die Zulassung der Revision wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 5. Juli 1999 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Revision lief daher am 5. August 1999 ab (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, 1. Alternative des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―). Dem Beginn der Monatsfrist stand nicht entgegen, dass der Beschluss über die Zulassung der Revision nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war. Eine Belehrung im angefochtenen FG-Urteil über die Revisionseinlegung für den Fall der Zulassung reicht aus (BFH-Entscheidungen vom 26. Juni 1969 VI R 125/68, BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7; vom 22. November 1993 IX R 4/91, BFH/NV 1994, 568, m.w.N.).
3. Erst aus den Schriftsätzen vom 14. Dezember 1999 und vom 29. Dezember 1999 wurde erkennbar, dass die Kläger eine Überprüfung des finanzgerichtlichen Urteils durch den BFH begehrten. Wie das FG in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend ausgeführt hat, hätte die Revision gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO bei dem FG eingelegt werden müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 568). Um wirksam zu werden, hätten die an den BFH gerichteten Schriftsätze an das FG weitergeleitet werden müssen. Da die Revisionsfrist bereits am 5. August 1999 abgelaufen war, erübrigte sich eine Weiterleitung.
4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Revisionsfrist ist unbegründet.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Versäumung der Revisionsfrist durch einen Steuerberater (Prozessbevollmächtigten) aber nicht entschuldbar, wenn ―wie im Streitfall― in der Rechtsmittelbelehrung des finanzgerichtlichen Urteils darauf hingewiesen wird, dass die Revision im Falle der Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses schriftlich beim FG einzulegen ist (z.B. BFH-Entscheidungen vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 123, 14, BStBl II 1977, 769; vom 25. Februar 1999 X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221, m.w.N.). Die Kläger müssen sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 425150 |
BFH/NV 2000, 879 |