Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Direktverkaufs von Milch

 

Leitsatz (NV)

Unmittelbar an den Verbraucher verkaufte Milch i.S. des Art. 5c Abs. 2 EWGVO Nr. 804/68 ist auch solche Milch, die von einem Milcherzeuger gegen Entgelt unmittelbar an einen Kälbermastbetrieb zur Viehfütterung geliefert wird.

 

Normenkette

EWGVO Nr. 804/68 Art. 5c Abs. 2; EWGVO Nr. 857/84 Art. 12 Buchst. e; MGV § 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzeugte im Milchwirtschaftsjahr 1986/87 über seine Anlieferungs-Referenzmenge hinaus Milch, für die er vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) auf eine Zusatzabgabe nach der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (VO Nr. 857/84) des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 90/13) in Höhe von ... DM in Anspruch genommen wird. Der Kläger hat geltend gemacht, die Milch sei unmittelbar an einen Mastbetrieb geliefert, dort für die Kälbermast verwandt worden und deshalb abgabenfrei. Einspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.

In dem Urteil des Finanzgerichts (FG) heißt es, es könne offenbleiben, ob der Abgabentatbestand der Lieferung an einen Käufer oder der des unmittelbaren Verkaufs an Verbraucher erfüllt sei. In beiden Fällen sei ein Abgabentatbestand der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) erfüllt. Es handele sich nicht um einen abgabenbefreiten Selbstverbrauch. Denn dieser setze jedenfalls voraus, daß der Milcherzeuger die Milch an eigene Tiere verfüttere. Daran fehle es im Streitfall.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage geltend gemacht wird, ob die Lieferung von Milch an Kälbermastbetriebe zur Viehfütterung einen unmittelbaren Verkauf an Verbraucher i.S. von §1 Nr. 2 MGV darstelle.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde zugemessene grundsätzliche Bedeutung (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Vorschrift hat eine Rechtssache, wenn sich auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich Rechtsfragen stellen, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ebenso wie der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes fehlt es daran, wenn sich eine Rechtsfrage anhand der einschlägigen Rechtsvorschriften und der ggf. dazu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten läßt (vgl. u.a. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1987 V B 33/85, BFHE 148, 560, BStBl II 1987, 316, und Beschluß des Senats vom 26. August 1986 VII B 107/86, BFHE 147, 276, BStBl II 1986, 865). So liegt es hier. Die Frage, ob "unmittelbar an den Verbraucher verkaufte Milch" i.S. des Art. 5c Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (VO Nr. 804/68) des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 148/13), insoweit geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 90/10) bzw. der hier noch anzuwendenden VO Nr. 857/84 (Art. 12 Buchst. h) auch solche Milch ist, die von einem Milcherzeuger gegen Entgelt unmittelbar an einen Kälbermastbetrieb zur Viehfütterung geliefert wird, ist offenkundig ohne weiteres zu bejahen.

Wie der erkennende Senat zuletzt in seinem Beschluß vom 8. Juli 1997 VII B 239/96 (BFH/NV 1998, 235) hervorgehoben hat, ist der Zweck der Milch-Garantiemengen- Abgaberegelung -- nämlich auf dem durch strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Milchmarkt mittels einer Beschränkung der Milcherzeugung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder herzustellen -- nur zu erreichen, wenn alle erzeugten Milchmengen berücksichtigt werden, die auf die eine oder andere Weise in den Wirtschaftskreislauf gelangen und so Angebot und Nachfrage beeinflussen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -- EuGH -- vom 23. November 1995 C-285/93, EuGHE 1995, I-4069 Tz. 15). In dieser Entscheidung, die einen dem Streitfall im wesentlichen gleichenden Sachverhalt betrifft, hat der Senat daraus die Folgerung gezogen, vom System der Milch-Garantiemengen-Regelung würden alle Milchmengen erfaßt, die an andere Abnehmer, seien es Molkereien oder Verbraucher, geliefert werden; nur der Selbstverbrauch sei für die Entstehung der Abgabe nicht zu berücksichtigen.

Diese Rechtslage ist eindeutig. Der Abgaberegelung unterliegt -- neben der an einen Käufer, d.h. an einen milchbe- oder verarbeitenden Unternehmer (Art. 12 Buchst. e VO Nr. 857/84), gelieferten Milch -- die von einem Milcherzeuger an den Verbraucher verkaufte Milch (Art. 5c Abs. 2 VO Nr. 804/68). Ebenso wie es nach den einschlägigen Vorschriften offenkundig ohne Bedeutung ist, welchem Verwendungszweck die an einen Käufer gelieferte Milch zugeführt wird, ist dies bei der Lieferung von Milch unmittelbar an den Verbraucher, dem Direktverkauf i.S. des Abschn. 3 MGV, von Belang. Nur diese Auslegung wird dem genannten Ziel der Abgaberegelung gerecht, das Wachstum der Milcherzeugung zu regulieren (Art. 5c Abs. 1 VO Nr. 804/68). Verbraucher ist danach jeder, der von einem milcherzeugenden Betrieb Milch oder Milcherzeugnisse zu einem anderen Zweck abnimmt, als sie zu be- oder verarbeiten bzw. an ein Unternehmen abzugeben, das sie be- oder verarbeitet. Die in dem Beschluß des Senats in BFH/NV 1998, 235 für die Lieferung von Milch an einen Käufer offengelassene Frage, ob der Abgabentatbestand auch bei einer unentgeltlichen Milchlieferung erfüllt wäre, kann im übrigen auch hier offenbleiben, da der Kläger nach den Feststellungen des FG die von ihm erzeugte Milch nicht unentgeltlich abgegeben hat.

Da diese Rechtslage eindeutig ist, käme in dem von der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nicht in Betracht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415). Deshalb ist die Zulassung der Revision auch nicht zu dem Zweck erforderlich, eine Befassung des EuGH mit der Rechtssache zu ermöglichen.

Von einer näheren Darstellung des Sachverhalts und der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Gründe sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67642

BFH/NV 1998, 1386

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