Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit von Gesellschafter-Geschäftsführertantiemen
Leitsatz (NV)
- Eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG kann auch dann vorliegen, wenn kein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch der Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter besteht.
- Inwieweit die in einem Gehaltsgutachten angegebene Schwankungsbreite der marktüblichen Gehälter im Rahmen der Schätzung der angemessenen Gesellschafter-Geschäftsführerbezüge zu berücksichtigen ist, läßt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Dieser Frage kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu.
- Das Rechtsproblem, ob bei der Prüfung des Verhältnisses zwischen einer Gewinntantieme und den "angemessenen Jahresgesamtbezügen" (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549) letztere unter Berücksichtigung einer üblichen Altersversorgung zu ermitteln sind, vermag nicht zu einer Zulassung der Revision zu führen, wenn das FG auf diese Frage nicht eingegangen ist und seine (typische Einzelfall-)Schätzung der angemessenen Jahresgesamtbezüge in einem Revisionsverfahren für den BFH bindend wäre (§ 118 Abs. 2 FGO).
- Der BFH definiert die vGA unabhängig vom Mißbrauchstatbestand des § 42 AO 1977 und nimmt eine vGA auch dann an, wenn der Gesellschafter sich einer "Gewinnabsaugung" nicht bewußt war.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; AO 1977 § 42
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
a) Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, das Finanzgericht (FG) habe das Verhältnis zwischen den Tantiemen und den Jahresgesamtbezügen ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer zu Unrecht als unangemessen angesehen, weil es entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Oktober 1994 I R 50/94 (BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549) nicht von den angemessenen Jahresgesamtbezügen unter Berücksichtigung einer "marktüblichen" Altersversorgung und üblicher Sachbezüge, sondern nur von den "monetären" Bezügen (Festgehälter und Tantiemen) ausgegangen sei, stellt die Klägerin zwar einander widersprechende Rechtssätze gegenüber. Der von ihr aus der Vorentscheidung abgeleitete Rechtssatz läßt sich dieser jedoch nicht entnehmen. Das FG hat sich die Grundsätze der angeblichen Divergenzentscheidung ausdrücklich "zu eigen" gemacht und die angemessenen Gesamtbezüge anhand des im Klageverfahren eingeholten Gutachtens geschätzt. Auf die Frage, ob Sachbezüge oder die Üblichkeit einer Altersversorgung die Höhe der angemessenen "Jahresgesamtbezüge" im Sinne der zitierten Divergenzentscheidung beeinflussen oder ob insoweit nur die "monetären" Bezüge maßgebend sind, ist das FG nicht eingegangen. Der erkennende Senat kann deshalb offen lassen, ob die vermeintliche Divergenzentscheidung zu diesem Rechtsproblem einen allgemeinen Rechtssatz enthält und ob das FG die BFH-Rechtsprechung fehlerfrei angewandt sowie das Gutachten zutreffend gewürdigt hat. Denn eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO läge selbst dann nicht vor, wenn das FG ―ohne ausdrücklich oder konkludent einen von der BFH-Rechtsprechung abweichenden allgemeinen Rechtssatz aufzustellen― bei der Anwendung der Rechtssätze auf den konkreten Fall Fehler begangen haben sollte (vgl. BFH-Beschluß vom 18. April 1995 VIII B 38/94, BFH/NV 1995, 1000).
b) Die Vorentscheidung weicht nicht deshalb von dem Senatsurteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549 ab, weil sie (unter anderem) auf die im Gutachten unter Berücksichtigung der Ertragslage der Klägerin ermittelten "Marktwerte für Tantiemen" abstellt, ohne die Tantiemen ausdrücklich anhand der "erwarteten Durchschnittsgewinne des Unternehmens" auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Dem Urteil des FG läßt sich weder ausdrücklich noch konkludent der Rechtssatz entnehmen, daß die im Zeitpunkt der Tantiemevereinbarungen (bzw. der späteren Gehaltsänderungen) erwarteten Durchschnittsgewinne unerheblich seien.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt den Senatsurteilen vom 14. September 1994 I R 6/94 (BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89) und vom 13. November 1996 I R 126/95 (BFHE 182, 358) kein Rechtssatz zugrunde, wonach die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) stets einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch voraussetzt, auf den seitens der Kapitalgesellschaft verzichtet worden ist. Eine vGA setzt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats eine Vermögensminderung (z.B. hier: Gehaltszahlungen) voraus und kann auch dann vorliegen, wenn kein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch besteht (Senatsurteile vom 30. August 1995 I R 155/94, BFHE 178, 371 unter II. 3. c; vom 18. Dezember 1996 I R 26/95, BFHE 182, 190 unter II. A. 3.).
d) Die Vorentscheidung weicht nicht vom Beschluß des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) ab. Der darin aufgestellte sog. Halbteilungsgrundsatz betrifft nicht das (individuelle) Ausschüttungsverhalten der Körperschaft und die sich daraus ergebenden Konsequenzen (Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 19/97, BFH/NV 1998, 746).
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
a) Das von der Klägerin aufgeworfene Problem, welche Prozentsätze für eine untere und obere Bandbreite der marktmäßig abzuleitenden Grundvergütung und für die Höhe der Altersversorgung bzw. einer Leistungszulage im Verhältnis zur Grundvergütung einzuhalten sind, wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Eine Pensionszusage ist im Streitfall nicht erteilt worden. Die Schwankungsbreite der Gehälter und die Frage, ob eine Leistungszulage zu berücksichtigen ist, läßt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beurteilen.
b) Die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob der Begriff der vGA zusätzlich die Annahme eines Mißbrauchs voraussetzt und ob ein solcher im Falle einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung ausgeschlossen ist, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Insbesondere fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der eine angemessene Kapitalverzinsung nur das Mindestmaß dessen ist, was der Kapitalgesellschaft verbleiben muß (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1989 I R 89/95, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Im übrigen hat der BFH die vGA stets unabhängig vom Mißbrauchstatbestand des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) definiert und eine vGA auch dann angenommen, wenn der Gesellschafter sich einer "Gewinnabsaugung" nicht bewußt war.
c) Die Beschwerdeschrift genügt auch hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, ob die Rechtsprechung der FG zur vGA mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung vereinbar ist, nicht den Begründungserfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit der vom BVerfG (Beschluß vom 8. Dezember 1992 1 BvR 326/89, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 574) gebilligten Rechtsprechung des Senats, wonach der Begriff der vGA als sog. unbestimmter Rechtsbegriff verfassungsrechtlich unbedenklich ist (Senatsurteile vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25; vom 13. April 1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395).
d) Die von der Klägerin im Rahmen ihrer Divergenzrüge möglicherweise aufgeworfene Grundsatzfrage, ob die "angemessenen Jahresgesamtbezüge" (BFH in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549) unter Berücksichtigung einer üblichen Altersversorgung zu ermitteln sind, könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Das FG hat ein Gutachten zur Feststellung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütungen eingeholt und die dort ermittelten Durchschnittswerte geringfügig erhöht. Es handelt sich insoweit um eine typische Einzelfallschätzung, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden wäre.
e) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aufgrund der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt, daß die Annahme einer vGA nicht stets einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch voraussetzt (vgl. unter 1. c). Im Hinblick auf die Entscheidung des VIII. Senats des BFH vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98 (BFHE 186, 379) könnte zwar möglicherweise der Frage grundsätzliche Bedeutung zukommen, ob und unter welchen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche einer Kapitalgesellschaft gegen ihren Gesellschafter die Annahme einer Vermögensminderung und damit den Ansatz einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 KStG ausschließen. Dieses Rechtsproblem ist im Streitfall in einem Revisionsverfahren jedoch nicht klärungsfähig. Der Klägerin stehen bzw. standen gegenüber ihren Gesellschafter-Geschäftsführern keine Schadensersatzansprüche aufgrund der getroffenen Tantiemevereinbarungen zu. Insbesondere ist eine Schadensersatzpflicht gemäß § 43 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung bereits deshalb ausgeschlossen, weil für die Änderung der Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern die Gesellschafterversammlung zuständig war (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1995 I R 64/94, BFHE 178, 321, BStBl II 1996, 246) und die Tantiemevereinbarungen im Einvernehmen aller Gesellschafter getroffen wurden (vgl. Senatsurteil in BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89).
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 302414 |
BFH/NV 1999, 1516 |