Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung des BMF zum Beitritt in einer EW-Sache (Betriebsvermögen einer Personengesellschaft)
Leitsatz (NV)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen im Eigentum von Gesellschaftern einer Personengesellschaft stehende Anteile an einer Kapitalgesellschaft Betriebsvermögen der Personengesellschaft sein können.
Normenkette
BewG §§ 95, 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 121 Abs. 2; DBASchlProt ITA Nr. 7; GewStG § 9 Nr. 2, § 12 Abs. 3
Tatbestand
Die Kl`in. ist eine KG, an der A als persönlich haftender Gesellschafter und seine Ehefrau als Kommanditistin beteiligt sind (Gewinnverteilungsschlüssel 80:20). Gegenstand der Gesellschaft ist die Fabrikation und der Großhandel mit X-Waren. 1966 errichteten die Eheleute A in Italien die A-AG, an der sie sich ebenfalls im Verhältnis 80:20 beteiligten. Diese Gesellschaft stellt X-Waren her und läßt solche herstellen. Die Waren werden fast ausschließlich an die Kl`in. geliefert, die sie weitervertreibt. Die Eheleute A behandeln die Aktien als Teil ihres Privatvermögens. Im Rahmen einer 1973 bis 1976 durchgeführten Betriebsprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, daß die Aktien als Betriebsbvermögen der Kl`in. zu behandeln seien. Den Wert der Aktien schätzte er unter Zugrundelegung des sog. Stuttgarter Verfahrens, und zwar zum
1. Januar 1969 auf ... DM,
1. Januar 1970 auf ... DM,
1. Januar 1971 auf ... DM und
1. Januar 1972 nach Berichtigung auf ... DM.
Unter Berücksichtigung dieser Werte stellte das FA die Einheitswerte des Betriebsvermögens der Kl`in. auf die vier Bewertungsstichtage fest.
Die Kl`in. legte Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 8. März 1979 zurückgewiesen wurde. Das FA widersprach der Auffassung der Kl`in., daß die Aktien der deutschen Besteuerung durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung - DBA - (insbesondere durch Nr. 7 des Schlußprotokolls) entzogen worden seien und daß eine geringere Bewertung der Aktien in Betracht komme.
Die Kl`in. hat Klage erhoben und weiter daran festgehalten, daß eine Heranziehung der Aktien in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) wegen des DBA nicht in Betracht komme. Im übrigen gehörten die Aktien nicht zum notwendigen Betriebsvermögen, da sie für die Funktion des Betriebs nicht wesentlich oder gar unentbehrlich seien. Schließlich seien sie auch zu hoch bewertet. Sie hat beantragt, die Einheitswerte jeweils um den Wert der Aktien herabzusetzen.
Das FG hat die Klage abgewiesen (EFG 1983, 9).
Die Kl`in. hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den Klaganträgen zu erkennen.
Entscheidungsgründe
Der vorliegende Fall wirft grundsätzlich Rechtsfragen auf, die es notwendig erscheinen lassen, daß der Bundesminister der Finanzen (BMF) dem Revisionsverfahren beitritt. Diese grundsätzlichen Rechtsfragen betreffen nicht nur das frühere Recht, sondern auch den seit dem 1. Januar 1984 geltenden § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BewG. Von Bedeutung ist vor allen Dingen die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Eigentum von Gesellschaftern einer Personengesellschaft stehende Anteile an einer Kapitalgesellschaft Betriebsvermögen der Personengesellschaft sein können. Der Senat hat Bedenken, ob derartige Anteile für die Zeit vor dem 1. Januar 1985 in einem weiteren Umfang zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gezogen werden können, als dies nunmehr nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BewG möglich ist. Im einzelnen:
Mit der Frage, ob überhaupt Wirtschaftsgüter, die nicht der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zustehen, sondern ihren Gesellschaftern gehören, Betriebsvermögen einer Personengesellschaft im Sinne der früheren Fassung des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG sein können, hat sich der III. Senat des BFH zuletzt in seinen beiden Urteilen vom 7. Dezember 1984 III R 35/79 (BFHE 143, 87, BStBl II 1985, 236) und III R 91/81 (BFHE 143, 93, BStBl II 1985, 241) befaßt. Er hat diese Frage trotz des Fehlens einer eindeutigen Vorschrift im Anschluß an seine ständige Rechtsprechung bejaht, seine bisherige Rechtsprechung zur Behandlung der Anteile an der GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist, jedoch eingeschränkt. Der erkennende Senat hält eine grundsätzliche Überprüfung für erforderlich, ob nicht eine weitere Einschränkung der Rechtsprechung erforderlich ist.
Auszugehen sein wird von der neu eingeführten Vorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 BewG, wonach zu dem gewerblichen Betrieb einer Personengesellschaft auch die Wirtschaftsgüter gehören, die im Eigentum eines, mehrerer oder aller beteiligten Gesellschafter stehen und dem Betrieb der Gesellschaft dienen. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich dann erfüllt, wenn ein Wirtschaftsgut dem Betrieb der Personengesellschaft unmittelbar in dem Sinn dient, daß es objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt ist (vgl. hierzu die BFH-Urteile vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582, und vom 13. Mai 1976 IV R 4/75, BFHE 119, 256, BStBl II 1976, 617). Dies dürfte die durch die Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung für das sog. Sonderbetriebsvermögen I sein (vgl. BFHE 143, 87, 92, BStBl II 1985, 236). Die Rechtsprechung (sowohl der Ertragsteuersenate als auch des III. Senats) ist aber darüber hinausgegangen. Sie zieht bei der GmbH & Co. KG die den Kommanditisten gehörenden Anteile an der GmbH, wenn diese nur Verwaltungsgesellschaft ist, zum Sonderbetriebsvermögen und darüber hinaus auch bei der Betriebsaufspaltung die Anteile der Gesellschafter einer Besitzpersonengesellschaft oder einer Betriebspersonengesellschaft an der Betriebskapitalgesellschaft oder der Besitzkapitalgesellschaft (vgl. z. B. die Urteile in BFHE 143, 87, 93, BStBl II 1985, 236, 241 und vom 14. August 1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88). In der Literatur hat diese Rechtsprechung allerdings Widerspruch hervorgerufen (vgl. u.a. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 4. Aufl., § 22 VI 3 b, S. 534; dieselbe in Festschrift für von Wallis, 1985, 373; Knoppe, Betriebsverpachtung, Betriebsaufspaltung, 7. Aufl., S. 215 ff., mit zahlreichen Hinweisen auf früheres Schrifttum; ferner Schulze zur Wiesche, Zur Diskussion um die Personengesellschaft, FR 1978, 307, 313).
Auch der erkennende Senat hat Zweifel, ob sich diese Ausweitung der Rechtsprechung angesichts der Gesetzeslage (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BewG) rechtfertigen läßt.
Der vorliegende Fall betrifft allerdings weder eine Betriebsaufspaltung durch Betriebsverpachtung noch eine GmbH & Co. KG, sondern die Gründung einer Produktionsgesellschaft in der Rechtsform einer AG italienischen Rechts durch die Gesellschafter einer inländischen KG. Aber auch in vergleichbaren Fällen läßt sich eine Ausweitung der Rechtsprechung feststellen (vgl. das Urteil in BFHE 143, 87, BStBl II 1985, 236 unter 3. b; vgl. auch das Urteil vom 6. November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220). Auch insoweit hat der Senat Zweifel. Er vermag vor allem nicht zu sehen, daß nach dem Sinn und Zweck der §§ 95, 97 BewG eine derartige Ausweitung der Rechtsprechung geboten ist. Die Entwicklung der Gesetzgebung spricht jedenfalls nicht dafür.
Wie der vorliegende Fall zeigt, geht es bei dem Streit vor allem um die Auswirkungen bei der GewSt. Sind die Aktien Teil des Betriebsvermögens, so gehören sie bis zum Stichtag 1. Januar 1971 zum inländischen Gewerbekapital und unterliegen deshalb der Gewerbekapitalsteuer. Dieses Ergebnis dürfte mit der Zielsetzung der GewSt kaum zu vereinbaren sein. Dies zeigt deutlich die Entwicklung des GewSt-Rechts, die u.a. 1963 zur Einführung des § 12 Abs. 3 Nr. 2 a und im Rahmen des Außensteuergesetzes (AStG) zur Einführung des § 12 Abs. 3 Nr. 4 in das GewStG geführt hat. Als 1963 § 9 Nr. 2 und § 12 Abs. 3 Nr. 2 a in das GewStG eingefügt wurden, hat sich der Finanzausschuß dahin geäußert, daß eine nicht vertretbare Benachteiligung des Einzelunternehmers und der Personengesellschaften vorliege, wenn das Schachtelprivileg gewerbesteuerrechtlich nicht auch den Einzelunternehmern und den Personengesellschaften, die wesentlich an Kapitalgesellschaften beteiligt sind, eingeräumt werde (BTDrucks IV/1343, S. 2). Ähnlich hat es die Bundesregierung bei Vorlage des AStG gesehen. Sie ist davon ausgegangen, daß die GewSt wesensmäßig nur inländische Betriebe betreffe und daß es unter diesen Umständen naheliege, die Regelung, wonach ausländische Betriebsstätten bei der GewSt unberücksichtigt blieben, auf die Fälle zu übertragen, in denen das deutsche Unternehmen seinen ausländischen Betrieb in der Form einer Tochtergesellschaft organisiere (vgl. BTDrucks VI/2883, S. 22, Tz. 44). Der Schluß liegt nahe, daß der Gesetzgeber gewisse Inkonsequenzen des GewSt-Rechts beseitigen wollte. Hiermit läßt es sich schwerlich vereinbaren, diese Inkonsequenzen des GewSt-Rechts für die Zeit vor dem Inkrafttreten der jeweiligen neuen Vorschriften dadurch zu vergrößern, daß der Begriff des Sonderbetriebsvermögens im Hinblick auf die den Gesellschaftern einer Personengesellschaft gehörenden Anteile an Kapitalgesellschaften erheblich ausgeweitet wird.
Auch die Unterschiede, die sich hinsichtlich der Behandlung der Anteile als Inlandsvermögen nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 BewG ergeben, dürften die Ausweitung der Rechtsprechung nicht ohne weiteres als zwingend erscheinen lassen.
Der erkennende Senat erwartet von dem BMF eine grundsätzliche Stellungnahme zu der Frage, wo die Grenzen für die Behandlung der im Eigentum von Gesellschaftern einer Personengesellschaft befindlichen Anteile an einer Kapitalgesellschaft als (Sonder-) Betriebsvermögen der Personengesellschaft liegen und ob diese Grenzen in einem Fall wie dem vorliegenden überschritten sind.
In diesem Zusammenhang könnte auch von Bedeutung sein, ob das DBA unabhängig von den aufgeworfenen Fragen des deutschen Rechts für die Klägerin zu einer günstigen Entscheidung führen könnte. Der erkennende Senat sieht dies allerdings nicht. Eine Erklärung des BMF über den Beitritt zum Verfahren erwartet der Senat bis zum 31. Oktober 1985.
Fundstellen
Haufe-Index 414142 |
BFH/NV 1986, 390 |