Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung gegen die öffentliche Hand
Leitsatz (NV)
- Setzt das FG auf eine Anfechtungsklage hin in seinem Urteil die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung des FA herab, handelt es sich um ein Gestaltungsurteil. In der geänderten Steuerfestsetzung liegt keine Verurteilung des FA zur Leistung der überzahlten Steuerschuld, so dass der Steuerschuldner insoweit aus dem Urteil nicht vollstrecken kann.
- Das FA ist in einem solchen Fall von Amts wegen verpflichtet, das sich aus der geänderten Steuerfestsetzung ergebende Erstattungsguthaben dem Berechtigten auszuzahlen.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 2 S. 1, § 151 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 152 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 37 Abs. 2, § 80 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Beschluss vom 31.03.2003; Aktenzeichen 12 K 1324/96) |
Tatbestand
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Finanzgericht (FG) den Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) und seiner Ehefrau auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des FG-Urteils abgelehnt. Dieses Urteil betraf eine Anfechtungsklage der Eheleute gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 mit dem Ausspruch, dass die festgesetzte Einkommensteuer von 12 000 DM auf 9 748 DM herabgesetzt wird. Das FG führte hierzu unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Wesentlichen aus, nach § 151 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hätten Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen keinen vollstreckbaren Tenor; sie könnten daher nur wegen der Kosten, nicht aber auch hinsichtlich des Hauptanspruchs für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Im Streitfall liege, da der Einkommensteuerbescheid auf die Anfechtungsklage hin in seinem Inhalt abgeändert worden sei (§ 100 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative FGO), ein nicht vollstreckbares Gestaltungsurteil vor, welches mit dem Ergehen des Änderungsbescheids vollzogen werde.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) entgegengetreten ist.
Entscheidungsgründe
Die nach § 128 Abs. 1 FGO zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 2. November 1994 VII B 109/94 (BFH/NV 1995, 616) zu Recht ausgeführt, dass die Verfügung der Vollstreckung gegen die öffentliche Hand gemäß den § 152 Abs. 1 Satz 1, § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO deren Verurteilung zu einer Geldleistung voraussetzt. Ergeht ein Urteil ―wie im Streitfall― auf eine Anfechtungsklage hin, handelt es sich nicht um ein Leistungsurteil, sondern um ein Gestaltungsurteil, welches die Rechtslage gestaltet und hinsichtlich des Hauptausspruchs einer Vollstreckung nicht fähig ist. Im Streitfall, in dem das FG auf die Anfechtung hin die Einkommensteuerfestsetzung herabgesetzt hat, liegt der typische Fall des § 100 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative FGO vor. Das FG hat die Steuerfestsetzung des FA mit unmittelbarer Rechtswirkung durch eine andere Festsetzung ersetzt. Diese Gestaltungswirkung hat zur Folge, was das FA im Hinblick auf eine missverständliche Ausführung in dem FG-Urteil zu Recht hervorhebt, dass eine Vollziehung des Urteils im Wege einer Änderungsfestsetzung durch das FA nicht mehr erforderlich ist. Jedenfalls ergibt sich aus der geänderten Steuerfestsetzung durch das FG keine Verurteilung des FA zur Leistung der überzahlten Steuerschuld. Eine Vollstreckung aus dem FG-Urteil ist daher insoweit nicht möglich (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1999 VII B 197/99, BFH/NV 2000, 221).
Der Antragsteller hat sich in seiner Beschwerde mit diesem tragenden Gesichtspunkt der angefochtenen Entscheidung nicht auseinander gesetzt. Seine Einwände betreffen nicht das vorliegende Verfahren, in dem es allein um die Verfügung der Vollstreckung geht, sondern Probleme des Erstattungsverfahrens.
Das FA ist nämlich in einem solchen Fall von Amts wegen verpflichtet, das sich aus der Differenz zwischen der ursprünglichen Steuerfestsetzung und der geänderten Steuerfestsetzung durch das FG ergebende Erstattungsguthaben dem Antragsteller, soweit es diesem nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zuzurechnen ist, auszuzahlen. Mit der vom FA unwidersprochen vorgetragenen Buchung des Erstattungsguthabens auf dem Steuerkonto der Eheleute hat das FA im Erhebungsverfahren die notwendige Voraussetzung für die Auszahlung des Guthabens geschaffen. Wenn es noch nicht zu einer Auszahlung gekommen ist, so liegt dies daran, dass sich das FA unter Berufung auf § 80 Abs. 1 AO 1977 geweigert hat, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Guthaben auszuzahlen, und dementsprechend diesem gegenüber einen Abrechnungsbescheid mit dem Erstattungsanspruch 0 € erlassen hat. Ob dies zu Recht geschehen ist, ist Gegenstand des gegen den Abrechnungsbescheid vom Prozessbevollmächtigten anhängig gemachten Einspruchsverfahrens. Fragen, die sich im Erstattungsverfahren stellen, sind aber nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
Fundstellen
Haufe-Index 1116690 |
BFH/NV 2004, 466 |