Entscheidungsstichwort (Thema)
Verheizen von Erdgas zur Synthesegasherstellung
Leitsatz (NV)
1. Der Frage, wie der Begriff des Verheizens in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993 auszulegen ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
2. Der Einsatz von Erdgas in einem Vorwärmer, in dem Erdgas und Wasserdampf im Rahmen eines Verfahrens zur Synthesegasherstellung erhitzt werden, stellt ein die Steuerfreiheit ausschließendes Verheizen von Mineralöl dar.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; MinöStG 1993 § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; EnergieStG § 51 Abs. 1; MinöStV § 17 Abs. 11
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 14.06.2006; Aktenzeichen 4 K 5497/04 VM) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt unter Verwendung von Erdgas Synthesegas her. Um das Erdgas auf eine reaktionsfähige Temperatur zu bringen, setzt sie in einem Erdgasvorwärmer ebenfalls Erdgas ein. Bei dem Vorwärmer handelt es sich um einen Ofen, der durch eine zentrale, offene Flamme im Boden beheizt wird. Das verdichtete und zu erwärmende Erdgas durchläuft zunächst in der oberen Zone des Ofens Rillenleitungen und wird dort durch die vorhandenen Rauchgase auf 350 Grad Celsius erhitzt. Alsdann wird das Erdgas zunächst aus dem Ofen geleitet und durchläuft eine Hydrierung sowie ein Zinkoxidbett zur Entschwefelung. Anschließend wird das Erdgas wieder in die untere Zone des Ofens geleitet, wo es in Heizschlangen auf 520 Grad Celsius erhitzt wird. Danach wird es zur partiellen Oxidation aus dem Vorwärmer geleitet. In dem Vorwärmer befindet sich eine weitere Leitung, durch die nach der partiellen Oxidation in einem Abhitzekessel anfallender Dampf von 290 Grad Celsius auf 320 Grad Celsius erhitzt und anschließend in das Werksnetz geleitet wird.
Für das zur Herstellung von Synthesegas eingesetzte Erdgas gewährte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) 1993 eine Steuerbegünstigung. Dagegen lehnte das HZA eine Vergütung der Mineralölsteuer für das in den Monaten Juli bis Dezember 2003 im Vorwärmer verwendete Erdgas mit dem Hinweis ab, dass ein die Steuerfreiheit ausschließendes Verheizen vorliege (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993). Ein einheitlicher Verwendungsvorgang i.S. von § 17 Abs. 11 Satz 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) sei nicht gegeben.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin kein Anspruch auf die begehrte Mineralölsteuervergütung zustehe. Denn das Erdgas werde in dem Vorwärmer nicht zu anderen Zwecken als zum Verheizen eingesetzt. Vielmehr werde die durch das Verbrennen des Erdgases erzeugte Wärme auf andere Stoffe übertragen, denen die Eigenschaft eines neuen Energie- und Wärmeträgers zukomme. Als Wärmeträger fungierten die im Vorwärmer vorhandenen Rillenleitungen sowie die Heizschlangen und die ebenfalls im Vorwärmer vorhandene Leitung, die der Erhitzung von Wasserdampf diene.
Unerheblich sei, dass das Aufheizen des Erdgases in dem Vorwärmer der begünstigten Herstellung von Synthesegas diene. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssten dem Verheizen von Mineralöl als abgeschlossenem Vorgang nachfolgende Verwendungszwecke außer Betracht bleiben. Auch liege zusammen mit der Synthesegasherstellung kein einheitlicher Verwendungsvorgang vor, denn die Mengen an Erdgas, die im Vorwärmer verbrannt würden, seien nicht mit den zur Synthesegasherstellung verwendeten Erdgasmengen identisch. Schließlich sei die Rechtsprechung des BFH zum Begriff des Verheizens hinsichtlich des Einsatzes von Erdgas zu Heizzwecken infolge des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 29. April 2004 Rs. C-240/01 (EuGHE 2004, I-4733, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 231) nicht als überholt anzusehen.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Auslegung des Begriffes des Verheizens in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993 im Lichte der Rechtsprechung des EuGH und des "neuen Energievorrechtes 2006". Aufgrund der Widersprüchlichkeit des angefochtenen Urteils zu dem Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Mai 2005 4 K 3995/03 VM (ZfZ 2005, 348) komme auch die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in Betracht. Aufgrund des EuGH-Urteils in EuGHE 2004, I-4733 liege die Unsicherheit und Unklarheit in Bezug auf die Auslegung des Begriffes "Verheizen" auf der Hand. Der EuGH habe diesen Begriff unabhängig davon festgelegt, welches Energieerzeugnis zum Einsatz komme, deshalb könne der vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 verwendete Begriff des Verheizens nicht für Gasöl und Erdgas unterschiedlich ausgelegt werden. Bestätigt werde dies durch das am 1. August 2006 in Kraft getretene Energiesteuergesetz (EnergieStG).
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es führt aus, dass dem Vorbringen der Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht entnommen werden könne.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend dargelegt hat, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert; jedenfalls kommt der Frage keine Klärungsbedürftigkeit zu. Die Voraussetzungen, unter denen eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in Betracht käme, sind weder schlüssig vorgetragen, noch liegen sie vor.
1. Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sich ihre Beantwortung ohne weiteres aus dem Gesetz oder anhand der Rechtsprechung des BFH ergibt, so dass sie sich nur so beantworten lässt, wie es die Vorinstanz getan hat (BFH-Entscheidungen vom 16. Juni 2004 X B 172/03, BFH/NV 2004, 1528, und vom 9. Januar 2002 III B 81/01, BFH/NV 2002, 667).
a) Ausgehend von der Grundkonzeption der Mineralölbesteuerung, jegliche Nutzung von Mineralöl zur Erzeugung von motorischer Leistung und Wärme zu erfassen (vgl. Senatsurteil vom 27. August 1996 VII R 14/95, BFHE 181, 243, 246), hat der BFH in mehreren Entscheidungen den Begriff des "Verheizens" präzisiert und dabei Grundsätze entwickelt, die auf den Streitfall deshalb uneingeschränkte Anwendung finden, weil die Klägerin das Erdgas zu Heizzwecken und nicht als Kraftstoff verwendet hat. Die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Erdgasverwendung noch geltende Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle --Mineralölstrukturrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316/12) sieht eine Besteuerung von Erdgas nämlich nur dann vor, wenn es als Kraftstoff eingesetzt wird. Die Besteuerung von Erdgas, das wie im Streitfall zu Heizzwecken verwendet wird, stand den Mitgliedstaaten bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) frei. Insoweit handelte es sich bei der Besteuerung des zu Heizzwecken verwendeten Erdgases bis zum 1. Januar 2004 um eine in der Gemeinschaft nicht harmonisierte Verbrauchsteuer, weshalb auch die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des in der Mineralölstrukturrichtlinie verwendeten Begriffes des Verheizens keine Anwendung finden kann.
Der EuGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es ausschlaggebend sei, ob sich die in der Mineralölstrukturrichtlinie verwendeten Begriffe auf einen bereits harmonisierten Bereich beziehen oder nicht. Daher kann der Ansicht der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass der EuGH für sämtliche Energieerzeugnisse und Verwendungszwecke den Begriff des Verheizens in einer für die Auslegung der nationalen Vorschriften verbindlichen Weise abschließend festgelegt hat. Aus dem Umstand, dass die Mitgliedstaaten nach dem im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Erdgasverwendung geltenden Gemeinschaftsrecht von der Besteuerung des zu Heizzwecken eingesetzten Erdgases gänzlich absehen konnten, folgt gleichzeitig die Befugnis, Steuerbegünstigungen auf bestimmte Verwendungszwecke zu beschränken und in diesem Rahmen festzulegen, welche Vorgänge als ein den Steuervorteil ausschließendes Verheizen anzusehen sind.
Im Übrigen würde die Übertragung der EuGH-Rechtsprechung auf den Streitfall zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen. Denn der EuGH hat den Begriff des Verheizens auf alle Fälle bezogen, in denen Mineralöle verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt wird, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen kann, auf den diese thermische Energie bei einem chemischen oder industriellen Prozess übertragen wird.
b) Nach der vom beschließenden Senat entwickelten Rechtsprechung bedeutet "Verheizen" die gewollte Ausnützung des Heizwertes eines Stoffes, d.h. sein (ganzes oder teilweises) Verbrennen zur Erzeugung von Wärme, die (ganz oder teilweise) auf einen anderen Stoff übertragen wird, wobei die Wärmeerzeugung und die Übertragung der Wärme neben anderen Zwecken der Verwendung des Mineralöls nicht nur eine untergeordnete Bedeutung haben dürfen (BFH-Entscheidung vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93, BFHE 176, 165, m.w.N.). Entscheidend ist, dass die durch den Mineralöleinsatz erzeugte Wärme auf einen anderen Stoff übertragen wird, der seinerseits wieder als Energieträger (Heizmittel) fungiert, ohne dabei --z.B. durch Cracken-- seiner stofflichen Beschaffenheit verlustig zu gehen (zuletzt Senatsentscheidung vom 16. Juni 2005 VII B 138/04, BFH/NV 2005, 1869, m.w.N.). Ein Verheizen liegt demnach nicht vor, wenn der Wärmeträger der Wärme selbst als Objekt zur Herstellung eines bestimmten anders beschaffenen Produktes ausgesetzt ist (Senatsentscheidung vom 30. September 1997 VII R 114/96, BFHE 184, 170).
c) Nach den Feststellungen des FG, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind und die infolgedessen für den Senat bindend sind, wird die durch den Erdgaseinsatz erzeugte Wärmeenergie auf andere Stoffe --nämlich auf Rillenleitungen, eine andere Leitung und Heizschlangen-- übertragen, denen die Eigenschaft eines neuen Energie- und Wärmeträgers zukommt. Damit ist die Verwendung der Erdgasmenge, die im Vorwärmer eingesetzt wird, abgeschlossen. Der eigentliche und vorgreifliche Zweck des Erdgaseinsatzes besteht in der Aufheizung des in Synthesegas umzuwandelnden Erdgases und in der weiteren Erhitzung von Wasserdampf. Eine chemische Umwandlung des verbrannten Energieerzeugnisses zur unmittelbaren Erzeugung eines neuen Produktes findet dabei nicht statt. Das FG hat daher zu Recht erkannt, dass es sich um ein die Steuerbefreiung ausschließendes Verheizen von Mineralöl handelt. Da voneinander getrennt zu behandelnde Erdgasmengen zum Einsatz kommen, die die Klägerin in den Vergütungsanträgen auch gesondert ausgewiesen hat, ist die Anwendung von § 17 Abs. 11 MinöStV im Streitfall ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2001 VII R 81/99, BFH/NV 2001, 1612, m.w.N.).
Die von der Klägerin behauptete Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage ist auch nicht deshalb gegeben, weil der Gesetzgeber in Reaktion auf das EuGH-Urteil in EuGHE 2004, I-4733, in § 51 Abs. 1 EnergieStG einen Katalog von Befreiungstatbeständen aufgenommen hat, nach dem Mineralöle, die zur Erzeugung von Wärme verbrannt und damit verheizt werden (vgl. § 2 Abs. 6 EnergieStG), dennoch von einer Besteuerung freigestellt werden können. Denn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Erdgasverwendung war das EnergieStG noch nicht in Kraft. Seinen Bestimmungen kann daher zur Auslegung des Begriffes des Verheizens in § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 nichts entnommen werden.
2. Soweit die Klägerin eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung begehrt, genügt ihr Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn allein mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Widersprüchlichkeit mehrerer Entscheidungen ein und desselben FG wird eine Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen nicht schlüssig dargelegt. Eine solche Widersprüchlichkeit vermag der beschließende Senat auch nicht zu erkennen. Denn die vorliegende Entscheidung und das von der Klägerin in Bezug genommene FG-Urteil betreffen verschiedene Sachverhalte, nämlich einerseits das Verheizen von Erdgas und andererseits das Verheizen von Gasöl und damit ein Energieerzeugnis, dessen Besteuerung im Zeitpunkt der FG-Entscheidung in der Gemeinschaft harmonisiert war.
Fundstellen
Haufe-Index 1728692 |
BFH/NV 2007, 1194 |