Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagerücknahme bei nicht statthaftem Rechtsmittel
Leitsatz (NV)
1. Mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist tritt Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils ein, wenn bis dahin lediglich eine nicht statthafte Kostenbeschwerde eingelegt worden ist; eine spätere Klagerücknahme geht somit ins Leere (Abgrenzung zum Beschluß vom 24. Oktober 1983 GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353).
2. Mit einer dem Schriftformerfordernis nicht genügenden Fotokopie der Vollmacht in den FG-Akten wird die Bevollmächtigung für das Rechtsmittelverfahren vor dem BFH nicht ordnungsgemäß nachgewiesen.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3 S. 1, § 72 Abs. 1 S. 1, § 145; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung eines Branntwein-, Schaumwein- und Biersteuerbescheids unter Hinweis auf § 69 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als nicht statthaft zurück und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.
Gegen die in dem als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid (§ 90 a Abs. 3 FGO) enthaltene Kostenentscheidung legte die X- GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, welche die Klägerin in erster Instanz vertreten hatte, "Rechtsmittel" ein und begründete dies damit, daß die OFD in ihrer Beschwerdeentscheidung eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt habe. Auf die Aufforderung der Geschäftsstelle des Senats, eine Prozeßvollmacht der Klägerin im Original für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vorzulegen, nahm die X- GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die eingereichte Klage zurück und bat, von einer Gebührenfestsetzung abzusehen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
Nach § 145 FGO ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, da das eingelegte Rechtsmittel ausdrücklich gegen die Kostenentscheidung des FG erhoben worden ist, ohne daß dessen Entscheidung zur Hauptsache angegriffen worden ist. Eine Behandlung des Rechtsmittels als Erinnerung (obschon von der Klägerin in der Folge so bezeichnet) scheidet schon deswegen aus und ist vom FG zu Recht nicht in Betracht gezogen worden, weil mit der Erinnerung nur eine Entscheidung im Kostenansatzverfahren, nicht aber die Kostenentscheidung im Urteil selbst angegriffen werden kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, Vor § 135 Anm. 17). Da das Rechtsmittel bereits nicht statthaft ist, erübrigen sich nähere Ausführungen dazu, daß es auch deshalb unzulässig ist, weil nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von der Vertretung vor dem BFH ausgeschlossen ist (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 62 FGO Anm. 82 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH).
Die namens der Klägerin erklärte Rücknahme der Klage ("wird die eingereichte Klage zurückgezogen") hindert den Senat nicht, über das eingelegte Rechtsmittel zu entscheiden. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 FGO kann der Kläger seine Klage nur bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Das Urteil des FG ist im Streitfall mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden, da bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die Kostenbeschwerde, damit also kein statthaftes Rechtsmittel eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 1971 I R 127, 154/70, BFHE 103, 36, BStBl II 1971, 805; vom 15. Dezember 1987 VIII R 132/86, BFH/NV 1988, 506).
Dieser Auffassung steht der Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 24. Oktober 1983 GmS-OGB 1/83 (BGHZ 88, 353, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1984, 1027), wonach die Rechtskraft eines Urteils in der Regel erst mit der Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung des Rechtsmittelgerichts eintritt, nicht entgegen, da diese Entscheidung sich ausdrücklich nur auf an sich statthafte und rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel bezieht (vgl. auch BFH-Beschluß vom 26. November 1986 VIII R 295/81, BFH/NV 1987, 108). Ist das eingelegte Rechtsmittel hingegen, wie im Streitfall, von vornherein nicht statthaft, tritt die Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils bereits mit Ablauf der Rechtsmittelfrist ein. Hieraus folgt, daß die mit Schriftsatz vom 5. April ... erklärte Klagerücknahme ins Leere ging, da die Rechtskraft des FG-Urteils bereits mit Ablauf des 13. Januar ... eingetreten war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X- GmbH als vollmachtloser Vertreterin aufzuerlegen, da diese das erfolglose Rechtsmittelverfahren veranlaßt hat (ständige Rechtsprechung des BFH seit BFH-Beschluß vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5; s. auch Senatsbeschluß vom 22. Mai 1979 VII B 10/79, BFHE 128, 24, BStBl II 1979, 564). Trotz wiederholten Hinweises durch die Senatsgeschäftsstelle hat die Prozeßvertreterin keine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht im Original für das Verfahren vor dem BFH vorgelegt. Die beiden sich in den FG-Akten befindlichen Prozeßvollmachten sind unzureichend, da es sich hierbei ersichtlich nur um bloße Fotokopien handelt. Mit einer dem Schriftformerfordernis nicht genügenden Fotokopie wird aber die Bevollmächtigung nicht im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO nachgewiesen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392). Da sich aus dem Inhalt der Akten auch nicht ergibt, daß die Klägerin selbst die Einlegung des Rechtsmittels veranlaßt hat, steht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft damit einer vollmachtlosen Vertreterin gleich.
Fundstellen
Haufe-Index 419971 |
BFH/NV 1995, 126 |