Leitsatz (amtlich)

1. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, dem Prozeßbevollmächtigten diejenigen Unterlagen zu verschaffen, die er zur Prozeßführung benötigt.

2. Vom Prozeßbevollmächtigten gefertigte Ablichtungen sind dann nach § 27 BRAGebO besonders zu vergüten, wenn es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Verhältnis zum Auftraggeber nicht Aufgabe des Prozeßbevollmächtigten war, die Ablichtungen zu fertigen.

2. Post- und Fernsprechgebühren können bei der Kostenfestsetzung dann ohne weitere Nachprüfung als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Höhe nicht ersichtlich unangemessen ist.

2. Eine Beweisaufnahmegebühr steht dem Prozeßbevollmächtigten nicht zu, wenn er im Vorverfahren lediglich Urkunden vorgelegt hat, die sich in Händen seines Auftraggebers befanden.

2. Der Senat hält daran fest, daß der Beschluß, der über die Kosten entscheidet, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, keine Entscheidung im Sinne des § 117 Abs. 2 BRAGebO ist.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1, 3 S. 1; BRAGO §§ 26-27, 34, 117 Abs. 2, § 118 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt (HZA) forderte von der Beschwerdeführerin mit Steuerbescheid vom 5. Juni 1963 für die Einfuhr von Schnittkäse in der Zeit von Oktober 1957 bis September 1958 insgesamt ... DM Eingangsabgaben mit der Begründung, bei der Einfuhr seien die Abgaben aufgrund von Rechnungspreisen berechnet worden, in denen die vereinbarte Vermittlerprovision von 2 % nicht enthalten gewesen sei und die deshalb nicht dem Normalpreis entsprochen hätten. Die Beschwerdeführerin legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein. In der Begründung behauptete sie, der Normalpreis sei niedriger gewesen als die Rechnungspreise. Als Bestätigung legte sie Ablichtungen von Aufstellungen über Preisnotierungen (sogenannte Kölner Notierungen) vor. Außerdem übersandte sie dem HZA während des Vorverfahrens je eine Ablichtung der Schreiben der Landwirtschaftskammer und der Firma, mit denen sie nachweisen wollte, daß es sich bei dem eingeführten Käse nicht um eine Spitzenqualität handele. Im Schreiben vom 10. Juli 1963 wies die Beschwerdeführerin außerdem darauf hin, daß sie eine graphische Darstellung zum Vergleich der Werte vorlege, die sich aus den sogenannten Kölner Notierungen ergeben würden, mit dem ursprünglichen und dem "falsch berichtigten" Zollwert. Das HZA wies den Einspruch durch Entscheidung vom 7. August 1964 als unbegründet zurück.

Die Beschwerdeführerin legte dagegen Berufung ein. Im Laufe des Berufungsverfahrens bat der Vorsitzende des FG das HZA mit Schreiben vom 12. Juli 1965, alle den "...-komplex" betreffenden Schriftstücke aus den Akten des FG zu entfernen und zurückzubehalten, wenn sie der Beschwerdeführerin nach Auffassung des HZA nicht zugänglich gemacht werden könnten. In den Akten des FG befindet sich weiter eine "Vfg" vom 15. Februar 1966, die unter anderem eine Aufforderung an die Beschwerdeführerin enthält, zum 10. März 1966 mitzuteilen, welche Anträge nunmehr gestellt würden. Unter der Verfügung steht zwar "Der Vorsitzende". Die Verfügung ist aber weder unterschrieben noch mit einem Namenszeichen versehen. Bevor das FG über die Berufung entschieden hatte, nahm das HZA den angefochtenen Steuerbescheid zurück. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Durch Beschluß vom 28. Juni 1967 entschied das FG unter anderem:

"Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Vorverfahren war notwendig."

Mit Schriftsatz vom 18. August 1967 beantragte die Beschwerdeführerin, unter anderem folgende zu erstattende Kosten festzusetzen:

1. Eine Beweisaufnahmegebühr nach § 118 Abs. 1

Nr. 3 BRAGebO wegen Vorlage der Ablichtungen

im Einspruchsverfahren in Höhe von 70,- DM

2. eine Verhandlungsgebühr gemäß § 117 Abs. 2

BRAGebO in Höhe von 70,- DM

3. Ablichtungskosten

a) für das Vorverfahren in Höhe von 17,- DM

b) für das finanzgerichtliche Verfahren

in Höhe von 35,50 DM

insgesamt also 52,50 DM

4. Kosten für Ferngespräche

a) für das Vorverfahren in Höhe von 56,20 DM

b) für das finanzgerichtliche Verfahren

in Höhe von 48,80 DM

insgesamt also 105,- DM

5. Kosten für Porti und Ortsgespräche

a) für das Vorverfahren in Höhe von 21,20 DM

b) für das finanzgerichtliche Verfahren

in Höhe von 15,60 DM

insgesamt also 36,80 DM

334,30 DM

Der Prozeßbevollmächtigte versicherte, daß die Auslagen entstanden seien.

In dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 13. September 1967 setzte der Urkundsbeamte des FG von diesen Kosten lediglich einen Betrag von insgesamt ... DM für Postgebühren fest. Im übrigen lehnte er die Festsetzung dieser Kosten ab. Die dagegen eingelegte Erinnerung wies das FG durch Beschluß vom 13. Mai 1968 als unbegründet zurück. Gegen den Beschluß ließ es die Beschwerde zu.

Mit der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, das FG habe bei der Entscheidung über die Festsetzung der Beweisaufnahmegebühr den Sinn und Zweck des § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO nicht berücksichtigt. In behördlichen Verfahren sei die Beweisaufnahmegebühr nicht von der Anordnung einer Beweisaufnahme abhängig. Sie werde auch nicht durch § 34 BRAGebO ausgeschlossen, da die Marktpreisunterlagen sich nicht in Händen der Beschwerdeführerin befunden hätten.

Schon aufgrund der Entscheidung des FG über die Einstellung des Verfahrens sei eine Verhandlungsgebühr nach § 117 Abs. 2 BRAGebO entstanden. Außerdem seien die Verfügungen vom 12. Juni 1965 und vom 15. Februar 1966 Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift.

Auch die Kosten für die Ablichtung des Beweismaterials und des Prozeßmaterials für die Akten des Prozeßbevollmächtigten seien zu erstatten. Sie seien notwendig gewesen und würden nicht mit der Prozeßgebühr abgegolten. Es habe Prozeßmaterial zusammengestellt werden müssen, ohne das die Verteidigung der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei. Außerdem seien sämtliche Unterlagen von der Zollfahndung beschlagnahmt gewesen. Es hätten Abschriften der bei den jeweiligen Partnern befindlichen Unterlagen erstellt werden müssen.

Die Kosten für Porti und Ferngespräche hätten ebenfalls nicht abgesetzt werden dürfen. Durch die Ferngespräche sei zumindest eine Informationsreise vermieden worden, durch die etwa 150 DM Kosten entstanden wären.

Hilfsweise werde noch geltend gemacht, daß die FG nach § 2 FGO obere Landesgerichte seien. Nach § 2 BRAGebO seien daher § 114 Abs. 2, § 11 Abs. 1 Satz 2 BRAGebO sinngemäß anzuwenden.

Für den Fall, daß der Beschwerde nicht in allen Punkten abgeholfen werde, werde beantragt, die Streitfragen gemäß § 2 des Gesetzes vom 19. Juni 1968 (Bundesgesetzblatt I S. 661) dem gemeinsamen Senat vorzulegen.

Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I.

Soweit die Beschwerdeführerin die Erstattung der Aufwendungen für die Anfertigung von Ablichtungen sowie für Porti und Fernsprechgebühren verlangt, ist die Beschwerde begründet.

1. Die Aufwendungen in Höhe von 17 DM und von 35,50 DM für die Fertigung von Ablichtungen sind zu erstatten. Die Ablichtungen sind im Sinne von § 27 BRAGebO zusätzlich gefertigt worden und werden demgemäß nicht durch die Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGebO abgegolten. Ablichtungen sind dann nach § 27 BRAGebO besonders zu vergüten, wenn es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Verhältnis zum Auftraggeber nicht Aufgabe des Prozeßbevollmächtigten war, die Ablichtungen zu fertigen (vgl. Lauterbach, Kostengesetze, 15. Aufl., BRAGebO § 27 Anm. 2 b; Riedel-Corves-Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 3). Aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte erst nach Erlangung der Ablichtungen in der Lage war, ihre Rechte zu wahren und damit das Geschäft ordnungsgemäß zu betreiben. Es ist Aufgabe des Auftraggebers, dem Prozeßbevollmächtigten die Unterlagen, die er zur Prozeßführung benötigt, zu verschaffen. Das gilt nicht nur für Beweisurkunden (vgl. Beschlüsse des OLG München 11 W 981/61 vom 19. Januar 1962, NJW 1962, 817, und 11 W 615/68 vom 16. August 1968, NJW 1968, 2115, sowie des OLG Düsseldorf 10 W 179/62 vom 23. Oktober 1963, abgedruckt bei Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung, BRAGebO § 27 Nr. 17), sondern auch für andere Schriftstücke (vgl. Lauterbach, a. a. O., § 27 Anm. 2 b; Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 3. Aufl., § 27 Anm. 14 mit weiteren Hinweisen).

Entgegen der Auffassung des FG kann auch mit der Regelung in § 77 Abs. 2 FGO nicht die Auffassung begründet werden, daß die Fertigung der Ablichtungen von Beweisurkunden durch die Prozeßgebühr abgegolten werde. Für die Entscheidung, ob Ablichtungen zusätzlich gefertigt worden sind, ist darauf abzustellen, ob die Fertigung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch den Prozeßbevollmächtigten gehört. Darüber ist in § 77 Abs. 2 FGO keine Regelung getroffen. Diese Vorschrift regelt lediglich die Pflichten der Parteien in finanzgerichtlichen Verfahren. Was zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Prozeßbevollmächtigten gehört, ist aus der Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Partei und dem Prozeßbevollmächtigten zu entnehmen.

Es wird zwar die Auffassung vertreten, daß von zusätzlichen Ablichtungen nur dann die Rede sein könne, wenn die Zahl der Ablichtungen ungewöhnlich groß sei (vgl. Riedel-Corves-Sußbauer, a. a. O., § 27 Rdnr. 5). Für die Frage, ob Ablichtungen zusätzlich gefertigt worden sind, kommt es nach Auffassung des Senats jedoch nicht auf die Zahl der Ablichtungen an. Maßgebend ist vielmehr die Frage, ob die Fertigung der Ablichtungen Aufgabe des Prozeßbevollmächtigten ist und demgemäß zum Betreiben des Geschäfts gehört.

Auch der Auffassung, die Anfertigung von Aktenauszügen durch Bürokräfte und auf mechanischem Wege sei ein Teil der Akteneinsicht (Beschluß des OLG Celle 4 Ws 82/66 vom 20. Mai 1966, NJW 1966, 1425), vermag der Senat zumindest dann nicht zu folgen, wenn, wie im vorliegenden Fall, Ablichtungen ganzer Schriftstücke gefertigt werden mit dem Ziel, die Unterlagen des Prozeßbevollmächtigten für die Prozeßführung zu vervollständigen. In diesem Fall ist die Fertigung der Ablichtungen zwar durch die Akteneinsicht veranlaßt worden. Sie ist aber eine Folge und nicht ein Teil der Akteneinsicht.

Da im Streitfall die Fertigung der Ablichtungen erforderlich war, um die Rechte der Beschwerdeführerin wahren zu können, sind die Aufwendungen von insgesamt 52,50 DM auch als notwendig anzusehen.

2. Auch die Aufwendungen für Ferngespräche sind als notwendig anzuerkennen. Die Behauptung, daß durch die Ferngespräche eine sonst notwendige Informationsreise vermieden worden sei, ist nicht zu widerlegen; eine solche Reise wird gewöhnlich erforderlich sein, wenn Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung einer Partei und Sitz des Prozeßbevollmächtigten sich an verschiedenen Orten befinden. Aus dem Unterbleiben einer solchen Reise im Streitfall kann die Bestätigung dafür entnommen werden, daß umfangreichere Gespräche erforderlich waren, um den Prozeßbevollmächtigten in die Lage zu versetzen, die Rechte der Beschwerdeführerin wahren zu können. Die Notwendigkeit der Aufwendungen für Porti und Ortsgespräche hat die Beschwerdeführerin zwar nicht näher dargelegt. Da ihre Höhe jedoch nicht ersichtlich unangemessen ist, erscheint es gerechtfertigt, sie ohne weitere Nachprüfung als notwendig anzuerkennen (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 104 II 2).

Von den angeführten Aufwendungen für Porti und Fernsprechgebühren sind über den vom Urkundsbeamten des FG berücksichtigten Betrag von ... DM hinaus weitere ... DM zu erstatten.

II.

Im übrigen ist die Beschwerde nicht begründet.

1. Hinsichtlich der Beweisaufnahmegebühr kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin so zu stellen ist, als habe das HZA im Vorverfahren eine Beweisaufnahme angeordnet. Der Prozeßbevollmächtigte hat im Vorverfahren lediglich Urkunden vorgelegt, die sich in Händen der Beschwerdeführerin befanden. Wie aus § 34 Abs. 1 BRAGebO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO zu entnehmen ist, steht ihm dafür eine Beweisaufnahmegebühr nicht zu.

Der Beschwerdeführerin kann nicht darin gefolgt werden, § 34 Abs. 1 BRAGebO könne nicht angewendet werden, da sich die sogenannten Kölner Notierungen nicht in ihrer Hand befunden hätten, sondern erst hätten beschafft werden müssen. Die Beschwerdeführerin will damit offenbar zum Ausdruck bringen, daß sie sich die Originalunterlagen über die sogenannten Kölner Notierungen erst habe beschaffen müssen. Es ist aber nicht zu entscheiden, ob dem Prozeßbevollmächtigten eine Beweisaufnahmegebühr zustehen würde, wenn er die Originalunterlagen vorgelegt hätte, da lediglich Ablichtungen vorgelegt worden sind. Bei der Anwendung des § 34 Abs. 1 BRAGebO kommt es allein darauf an, ob die vorgelegten Urkunden sich in der Hand der Beschwerdeführerin befunden haben. Die Ablichtungen sind neben den Originalunterlagen selbständige Urkunden. Das folgt schon daraus, daß ihr Beweiswert dem der Originalunterlagen nicht gleichzustehen braucht (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V., 1.-5. Aufl., FGO § 77 Anm. 4).

Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, daß sich die Ablichtungen von Anfang an lediglich in ihren Händen befunden haben. Insbesondere aus den Angaben zu den geltend gemachten Ablichtungskosten ist zu entnehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte auch die Ablichtungen der sogenannten Kölner Notierungen als "Beweismaterial" angefertigt hat. Der Feststellung, daß sich die Ablichtungen in Händen der Beschwerdeführerin befunden haben, steht es nicht entgegen, daß ihr Prozeßbevollmächtigter sie angefertigt hat (vgl. Gerold-Schmidt, a. a. O., § 34 Anm. 3).

Für die Frage, ob § 34 Abs. 1 BRAGebO im vorliegenden Fall sinngemäß anzuwenden ist, ist es auch ohne Bedeutung, daß die Verwaltung von Amts wegen zur Klärung der Zollwertfragen verpflichtet war. Maßgebend ist allein, daß sich die Urkunden in Händen der Beschwerdeführerin befunden haben. Aus dem Hinweis auf § 34 BRAGebO in § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGebO muß man entnehmen, daß für die Vorlage von Urkunden in behördlichen Verfahren auch dann eine Beweisaufnahmegebühr nicht verlangt werden kann, wenn die Verwaltung von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, die Urkunden anzufordern.

2. Eine Verhandlungsgebühr ist ebenfalls nicht zu erstatten, da sie dem Prozeßbevollmächtigten auch aufgrund von § 117 Abs. 2 BRAGebO nicht zusteht. Eine Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift hat das FG nicht getroffen.

Wie der Senat bereits durch Beschluß VII B 96/67 vom 27. September 1968 (BFH 93, 408, BStBl II 1968, 826) entschieden hat, ist, wenn die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, die Entscheidung über die Kosten keine Entscheidung im Sinne des § 117 Abs. 2 BRAGebO (zustimmend Boeker in "Der Betriebs-Berater" 1969 S. 431). Die Entscheidung über die Kosten ist, wie aus § 143 Abs. 1 FGO zu entnehmen ist, nicht in dem Verfahren ergangen, das die Klage der Beschwerdeführerin zum Gegenstand hatte. Gegen diese Auffassung des Senats hat sich das Niedersächsische FG in dem Beschluß VII 55/68 E vom 10. Januar 1969 (EFG 1969, 194) mit der Begründung gewandt, das Verfahren sei mit der Erledigungserklärung der Beteiligten nicht beendet. Das könne auch nicht aus § 143 FGO entnommen werden. In Verbindung mit § 145 FGO ergebe sich aus dieser Vorschrift, daß die Kostenentscheidung grundsätzlich ein unselbständiger Teil der Entscheidung in der Hauptsache sei und daß sie deshalb dem Verfahren im Sinne der FGO zuzurechnen sei. Außerdem liege es nahe, als "Verfahren" im Sinne des § 117 Abs. 2 BRAGebO den "Rechtszug" im Sinne der BRAGebO anzusehen. Die Ausführungen des Niedersächsischen FG geben dem Senat keinen Anlaß, von seiner früheren Entscheidung abzuweichen. Man kann daraus, daß über die Kosten grundsätzlich im Urteil zu entscheiden ist und daß die Kostenentscheidung allein in einem solchen Fall nicht anfechtbar ist (§ 145 Abs. 1 FGO), nicht herleiten, daß die sogenannte "isolierte" Kostenentscheidung in dem "Verfahren" im Sinne von § 143 Abs. 1 FGO getroffen wird. Diese Kostenentscheidung ist gerade nicht Teil eines Urteils; sie ist außerdem selbständig anfechtbar (§ 145 Abs. 2 FGO). Dem Wortlaut des § 143 Abs. 1 FGO kann nicht entnommen werden, daß die Kostenentscheidung nach dem Willen des Gesetzgebers noch Gegenstand des "Verfahrens" im Sinne dieser Vorschrift sein soll. In ihm kommt vielmehr zum Ausdruck, daß das Verfahren im Sinne dieser Vorschrift nach Ansicht des Gesetzgebers beendet ist, wenn der Beschluß über die Kosten ergeht. Diese Auslegung stimmt auch mit der in der Literatur und auch vom BVerwG vertretenen Auffassung überein, daß das Verfahren vor den Gerichten durch die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache beendet wird (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 143 Anm. 4; Schunck-De Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 161 Erl. 1 c; Klinger, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 161 A 1 c; Beschluß des BVerwG VII ER 412.63 vom 13. März 1964, Deutsches Verwaltungsblatt 1964 S. 874; vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 143 Anm. 2; Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Aufl., § 90 Rdnr. 5; auch Tipke-Kruse, a. a. O., 2.-3. Aufl., FGO § 143 A 2, führen aus, daß das Verfahren durch Erledigung der Hauptsache beendet worden ist, bevor es zur isolierten Kostenentscheidung kommt). Die vom Niedersächsischen FG genannte Entscheidung des BFH III B 41/67 vom 5. Dezember 1967 (BFH 91, 18, BStBl II 1968, 202) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Durch diesen Beschluß hat der BFH lediglich entschieden, daß die Erklärungen, die Hauptsache sei erledigt, die spätere Zurücknahme der Klage nicht ausschließen würden und daß die Klage in einem solchen Fall bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kosten zurückgenommen werden könne, da der Rechtsstreit bis dahin noch anhängig sei. Für die Frage, ob die Kostenentscheidung im Verfahren im Sinne von § 143 Abs. 1 FGO getroffen worden ist, kommt es aber nicht darauf an, ob der Rechtsstreit noch anhängig war. Maßgebend ist vielmehr, ob das Verfahren beendet war. Ein Rechtsstreit kann durchaus über die Beendigung des Verfahrens hinaus anhängig sein. Auch ein Urteil beendet nach § 143 Abs. 1 FGO ein Verfahren, ohne daß damit die Anhängigkeit entfallen muß. Sie entfällt nicht, solange das Urteil nicht rechtskräftig geworden ist (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 66 Anm. 6). Zu einem anderen Ergebnis kann man auch nicht mit dem Einwand gelangen, daß die BRAGebO von anderen Begriffen ausgehe als die FGO und daß der Begriff des Verfahrens im Sinne von § 117 Abs. 2 BRAGebO anders auszulegen sei als der des § 143 Abs. 1 FGO. Sinn und Zweck der Verhandlungsgebühr führen dazu, den Begriff des Verfahrens im Sinne der FGO zu verstehen. Durch die Verhandlungsgebühr soll nämlich die Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung abgegolten werden (Lauterbach, a. a. O., BRAGebO § 31 Anm. 3 A). Wie durch § 35 BRAGebO soll auch durch § 117 Abs. 2 BRAGebO erreicht werden, daß dem Prozeßbevollmächtigten die Verhandlungsgebühr dafür gezahlt wird, daß er durch seine schriftsätzliche Vorarbeit zu der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beigetragen hat (vgl. Boeker, Kostenrecht in steuerlichen Rechtsmittelverfahren, 2. Aufl., S. 76 ff.). Eine solche Entscheidung kann nur in dem "Verfahren" im Sinne von § 143 Abs. 1 FGO ergehen, das, falls es nicht "in anderer Weise" beendet wird, durch Urteil endet. Die hier vertretene Auffassung stimmt auch mit der Regelung in § 37 Nr. 7 BRAGebO überein, nach der für den Kostenausspruch eine besondere Gebühr nicht entstehen soll.

Auch die Einstellung des Verfahrens durch das FG ist keine Entscheidung im Sinne von § 117 Abs. 2 BRAGebO. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einstellung überhaupt eine Entscheidung ist. Der Einstellung des Verfahrens nach Zurücknahme der Klage, die in § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgesehen ist, wird in der Literatur überwiegend nur deklaratorische Bedeutung beigemessen (Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., FGO § 72 Anm. 24; Ziemer-Birkholz, a. a. O., § 72 Tz. 22; Becker-Riewald-Koch, a. a. O., FGO § 72 Anm. 3 Abs. 1; anderer Ansicht offenbar Tipke-Kruse, a. a. O., FGO § 72 A 9). Für den Fall einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sieht die FGO die Einstellung des Verfahrens nicht vor. Da das Verfahren mit der Erledigung beendet ist, kommt eine dennoch vorgenommene Einstellung des Verfahrens als Entscheidung im Sinne von § 117 Abs. 2 BRAGebO schon deshalb nicht in Betracht, weil sie, wie die Kostenentscheidung, erst nach Beendigung des Klageverfahrens getroffen worden ist.

Auch die in dem Schreiben des Vorsitzenden des FG vom 12. Juli 1965 enthaltene Bitte an das HZA, bestimmte Schriftstücke aus den Akten zu entfernen und gegebenenfalls zurückzubehalten, ist keine Entscheidung im Sinne von § 117 Abs. 2 BRAGebO. Sie enthält nur eine Anregung an das HZA.

Die von der Beschwerdeführerin erwähnte, in den Akten befindliche "Vfg" vom 15. Februar 1966 kommt als Entscheidung schon deshalb nicht in Betracht, weil sie nicht unterschrieben ist.

3. Die festgesetzten Gebühren sind auch nicht nach §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 114 Abs. 2 BRAGebO zu erhöhen (vgl. Beschluß des BFH VII B 187/67 vom 20. August 1968, BFH 93, 228, BStBl II 1968, 745).

4. Es besteht auch kein Grund, den gemeinsamen Senat anzurufen, da der erkennende Senat nicht in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs abweicht (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe vom 19. Juni 1968, BGBl I S. 661).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68294

BStBl II 1969, 590

BFHE 1969, 219

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