Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde: Divergenzbegründung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine inzwischen aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung ist nicht divergenzbegründend.

2. Nicht klärungsbedürftig ist die (eindeutig zu bejahende) Frage, ob die Zollfreiheit für Diplomaten- oder Konsulargut auch von der tatsächlichen - nicht nur bescheinigten - Bestimmung zu dem begünstigten Zweck abhängt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3; AZO § 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 (§ 68 a.F.)

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte 1979 in zwei Fällen - im zweiten Fall in fremdem Namen - unter Vorlage von Erklärungen des Generalkonsulats X die Abfertigung zum freien Verkehr für ,,Konsulargut" für E und K als ,,konsularische Mitglieder" des Generalkonsulats. Das Zollamt (ZA) gab die Waren - Spirituosen und Zigaretten - ohne Erhebung von Eingangsabgaben frei (§ 68 der Allgemeinen Zollordnung - AZO - in der damals geltenden Fassung; vgl. jetzt § 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AZO). Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Waren nicht zum persönlichen Verbrauch durch berechtigte Personen bestimmt gewesen waren, setzte das beklagte Hauptzollamt gegen die Klägerin Eingangsabgaben fest.

Die nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) entschied, die materiellen Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Abgabenfreiheit hätten nicht vorgelegen, da die Waren für den Deutschen D bestimmt gewesen und von diesem verwendet und bezahlt worden seien; die (blanko ausgestellten) konsularischen Erklärungen begründeten für sich noch keine Abgabenfreiheit. Die Klägerin sei Zollschuldnerin (§ 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Zollgesetzes - ZG - in der vor Inkrafttreten des 17. Gesetzes zur Änderung des ZG vom 12. September 1980, BGBl I 1980, 1695, geltenden Fassung), weil ihr die Waren freigegeben worden seien; darauf, ob sie bei beiden Abfertigungen Zollbeteiligte gewesen sei, komme es insoweit nicht an (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 22. August 1972 VII R 34/70, BFHE 107, 81). Die Klägerin sei jedoch - so führt das FG im Hinblick auf § 36 Abs. 2 ZG aus - auch Zollbeteiligte, im zweiten Falle (,,für K") als Vertreterin ohne Vertretungsmacht (§ 10 Abs. 3 Satz 2 ZG). Es fehle an jeglichen Erklärungen des K gegenüber dem ZA, aus denen dieses auf eine Vollmachtserteilung hätte schließen müssen. Zwischen K und der Klägerin hätten keine Kontakte bestanden.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beruft die Klägerin sich auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Letztere liege - gegenüber BFHE 107, 81, 83 - darin, daß nicht aufgeklärt worden sei, wem die Waren freigegeben oder überlassen worden seien (nur theoretische Alternativfeststellung), ferner darin, daß es darauf ankommen solle, wer den Zollantrag gestellt habe. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Sache, soweit das FG das Risiko betreffend den Wahrheitsgehalt einer urkundlichen amtlichen Erklärung der begünstigten konsularischen Vertretung der Klägerin zuschiebe.

Insoweit sei die Bedeutung einer solchen Erklärung (Ankündigung künftiger Bestimmung) zu klären. Unrichtig sei, daß der im Zollantrag als Zollbeteiligter Angegebene Antragsteller sei; vielmehr verhalte es sich umgekehrt. Das FG habe verkannt, daß bei der ersten Abfertigung das Generalkonsulat (als vollmachtloser Vertreter der Klägerin), bei der zweiten Abfertigung K Zollbeteiligter gewesen sei. Die ,,konkludente Vollmacht" (von K auf die Klägerin) sei rechtsfehlerhaft verneint worden. Das FG habe nicht geprüft, ob die konkludent gegebene Vollmacht gegenüber der Klägerin erteilt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Ob eine Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), kann dahingestellt bleiben. Sie liegt jedenfalls nicht vor.

Die Entscheidung in BFHE 107, 81 ist nicht mehr divergenzbegründend, denn der Senat hat - wie die Klägerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens selbst erkannt hat - die Auffassung aufgegeben, daß nach § 58 Abs. 2 ZG (a. F.) Zollschuldner derjenige sei, dem das Zollgut freigegeben oder überlassen worden ist, nicht aber der Zollbeteiligte (in letzterem Sinne nunmehr NV-Urteil vom 9. Februar 1982 VII R 36/79; Urteile vom 2. April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93, 95 und vom 19. Januar 1988 VII R 61-62/85, BFH/NV 1988, 746). Zur Begründung der Divergenz kann die alte Entscheidung mithin nicht mehr herangezogen werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 19). Im übrigen ist das FG jenem Urteil gefolgt, nicht von ihm abgewichen. Eine ihm etwa widersprechende ,,Alternativfeststellung" hat das FG nicht getroffen, sondern nur den Wortlaut von § 58 Abs. 2 ZG a. F. (,,freigegeben oder überlassen") wiedergegeben und im übrigen neben der Freigabe die - bei Abfertigung zum freien Verkehr allerdings außer Betracht bleibende - Überlassung erwähnt (,,und"), dabei jedoch ausdrücklich festgestellt, der Klägerin seien die Waren freigegeben worden. In der im Zusammenhang mit § 36 Abs. 2 ZG getroffenen Feststellung, die Klägerin sei Zollbeteiligte gewesen, liegt keine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Entscheidung.

Auch der Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist nicht gegeben. Soweit es um die Eigenschaft der Klägerin als Zollbeteiligte (damit Zollschuldnerin) geht, fehlt es bereits an einer ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., Anm. 62). Die Beschwerdeschrift enthält diesbezüglich nur Rechtsrügen; die nachträgliche Konkretisierung ist verspätet. Im übrigen wären die nachträglich bezeichneten Fragen - Zollbeteiligteneigenschaft, wenn ein eigener Antrag nicht gestellt und auch nicht als vollmachtloser Vertreter gehandelt worden ist; Möglichkeit der Vollmachtserteilung auch gegenüber dem Bevollmächtigten - nicht klärungsfähig. Das FG ist davon ausgegangen, daß die Klägerin auf Grund eigenen Antrags bzw. als vollmachtlose Vertreterin Zollbeteiligte war und daß eine Vollmacht des K auch ihr gegenüber nicht erteilt worden war.

Soweit die Klägerin die Frage der Rechtswirkung der Erklärung des Leiters der diplomatischen oder konsularischen Vertretung (vgl. jetzt § 42 Abs. 3 AZO) aufwirft, kann die Zulassung der Revision gleichfalls nicht erreicht werden. Der Zulassung steht allerdings nicht entgegen, daß die Frage formal die Auslegung alten Rechts betrifft. Denn auch nach geltendem Recht kommt es - unter anderem - darauf an, daß die Waren zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch durch die Mitglieder der Vertretung ,,bestimmt sind" (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 AZO). Es fehlt jedoch insoweit an der Klärungsbedürftigkeit der Frage. Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache, wenn die zur Prüfung vorzulegende Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist wie sie durch die Vorinstanz entschieden worden ist (z. B. Senat, Beschluß vom 26. August 1986 VII B 107/86, BFHE 147, 276, BStBl II 1986, 865 mit Nachweisen; ständige Rechtsprechung). Dieser Fall ist hier gegeben. Es ist eindeutig, daß die Abgabenfreiheit für Diplomaten- oder Konsulargut nicht nur von der Vorlage der auf Grund von § 24 Abs. 2 ZG vorgeschriebenen Erklärung, sondern ebenfalls - in erster Linie - von der Bestimmung zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch durch eine begünstigte Person abhängt (zugrunde liegende Ermächtigung: § 24 Abs. 1 Nr. 6 ZG). Die erforderliche Widmung muß bei der Abfertigung, d. h. im maßgebenden Zeitpunkt (§ 35 Abs. 1 ZG), bestehen; nach der Fassung, die die Befreiungsvorschrift später, durch die 29. Verordnung zur Änderung der AZO vom 12. Dezember 1979 (BGBl I 1979, 2150), erhalten hat, müssen die Waren auch der Bestimmung entsprechend verwendet werden (jetzt im Rahmen der Freigutverwendung). Auf das letztgenannte Erfordernis für die Abgabenfreiheit kam es zwar im Streitfall noch nicht an, wohl aber auf die tatsächliche - nicht nur bescheinigte - Bestimmung zu dem begünstigten Zweck ,,bei der Einfuhr" (vgl. § 68 Abs. 3 AZO a. F.: tatsächliche Voraussetzung der Zollfreiheit). Diese (gegenwärtige) Bestimmung wird durch die Vorstellung des Zollbeteiligten, die Waren seien für einen berechtigten Empfänger vorgesehen, nicht ersetzt. Die Widmung war, wie sich der Vorentscheidung entnehmen läßt, bei den Abfertigungen im Streitfall nicht gegeben. Bestimmt waren die Sendungen vielmehr für eine nichtberechtigte Person (§ 68 Abs. 2 Nr. 1 AZO a. F.).

Die weitere Frage, ob bei bestehender Widmung zu dem begünstigten Zweck eine ,,blanko" abgegebene Erklärung der Befreiungsvorschrift genügt, ist unter diesen Umständen ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417170

BFH/NV 1991, 207

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