Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung - Anordnungsgrund
Leitsatz (NV)
Zur Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Normenkette
FGO § 114
Verfahrensgang
Tatbestand
Das FA erließ gegen die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) einen auf § 75 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuerschulden einer in Konkurs gegangenen GmbH. Die Beschwerdeführerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Eine Entscheidung wurde bislang weder über den Einspruch noch über den Aussetzungsantrag getroffen.
Das FA hatte am 3. Juli 1984 durch Bescheid die Investitionszulage zugunsten der Beschwerdeführerin auf insgesamt 30 000 DM festgesetzt. Nachdem das FA diesen Betrag von der Haftungssumme abgezogen hatte, erteilte es der Beschwerdeführerin eine Abrechnung, in der nur noch 20 000 DM Investitionszulage mit der Haftungsschuld verrechnet wurden. Die Beschwerdeführerin erhob gegen die dieser Abrechnung beigefügte Zahlungsaufforderung Beschwerde. Das FA verrechnete den weiteren Teil der Investitionszulage mit eigener Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Finanzgericht (FG), das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an sie Investitionszulage in Höhe von 20 000 DM zu erstatten. Sie machte geltend, daß sie das Geld dringend benötige, da sie sonst ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen könne und Arbeitsplätze in Gefahr seien. Mangels Rechtskraft des Haftungsbescheides sei eine Aufrechnung unzulässig. Das FG wies den Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung zurück, daß eine einstweilige Anordnung schon deshalb ausscheide, weil die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides begehrt werden könne (§ 114 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Finanzverwaltung dürfe auch mit Ansprüchen, die vom Steuerpflichtigen bestritten würden, aufrechnen. Die Voraussetzungen der Aufrechnung seien im Streitfall gegeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin, der das FG nicht abgeholfen hat. Das FA ist der Ansicht, daß die Beschwerde unzulässig sei, und weist darauf hin, daß inzwischen nicht mehr 20 000 DM, sondern nur noch 7 500 DM mit der Haftungsschuld verrechnet worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Der Senat läßt dahinstehen, ob der Antrag wegen der Möglichkeit, Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO zu beantragen, unzulässig (§ 114 Abs. 5 FGO) oder deswegen unbegründet ist, weil die beantragte einstweilige Anordnung das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnehmen würde. Denn jedenfalls hat die Beschwerdeführerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Die Beschwerdeführerin begehrt eine Regelungsanordnung i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt" (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236). Der befürchtete Nachteil muß also ein solcher sein, der über den allgemeinen Nachteil einer Steuerzahlung hinausgeht (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Januar 1982 VIII B 94/79, BFHE 135, 23, BStBl II 1982, 307, 309). Das Vorliegen solcher Gründe hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Beschwerdeführerin hat lediglich vorgetragen, daß sie das Geld dringend benötige, da sie sonst ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen könne und Arbeitsplätze gefährdet seien. Sie hat aber ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht im einzelnen dargelegt und nicht erkennbar gemacht, ob und aus welchen Gründen die Verweigerung der Auszahlung der begehrten Investitionszulage ihre wirtschaftliche Existenz gefährden könnte. Die bloße Behauptung der Unmöglichkeit einer Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen und der Gefährdung von Arbeitsplätzen genügt zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht, zumal der mit der Haftungsschuld im Streitfall verrechnete Investitionszulagebetrag nur noch 7 500 DM beträgt. Da die Beschwerdeführerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat, kann es dahinstehen, ob sie einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
Anmerkung
Ebenso: Beschluß vom 19. September 1985 VII B 10/85
Fundstellen
Haufe-Index 414147 |
BFH/NV 1986, 170 |