Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit von Gegenvorstellungen - Voraussetzungen für die Statthaftigkeit in formeller Hinsicht (hier: Gegenvorstellung gegen den Beschluß über die Zurückweisung der Beschwerde wegen Richterablehnung)
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103
Tatbestand
Durch Beschluß vom 14. August 1998 hat der erkennende Senat die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Richterablehnung (Einkommensteuer 1977 bis 1981) als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Gegenvorstellung. Der Kläger beantragt, den Beschluß vom 14. August 1998 aufzuheben und der Beschwerde gegen den Beschluß des Finanzgerichts vom 20. Oktober 1997 stattzugeben. Eine Begründung wolle er nachreichen, sobald ihm antragsgemäß Einsicht in die Akten des Bundesfinanzhofs (BFH) beim Finanzamt gewährt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Gegenvorstellung ist unzulässig. Die Finanzgerichtsordnung (FGO) sieht eine förmliche Gegenvorstellung nicht vor. Gleichwohl gehen Rechtsprechung und Schrifttum davon aus, daß eine Gegenvorstellung ausnahmsweise zu einer Änderung formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen führen kann, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ―GG―) ergangen ist oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (z.B. BFH-Beschluß vom 21. April 1997 V R 22, 23/93, BFH/NV 1998, 32, m.w.N.). Der Senat läßt offen, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte (zur Kritik vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., Vor § 115 Rz. 27). Jedenfalls liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
Die Auffassung zur Zulässigkeit einer Gegenvorstellung beruht auf der Überlegung, daß ungeachtet der formellen Rechtskraft von Entscheidungen Verstöße der Fachgerichte gegen Art. 101 und 103 GG, bei denen es sich um ganzoffensichtliche "Pannen" handelt, nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde behoben werden sollen, sondern daß die Fachgerichte die Möglichkeit haben sollen, derartige Versehen selbst korrigieren zu können. In formeller Hinsicht ist deshalb Voraussetzung für die Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung, daß die Verletzung rechtlichen Gehörs oder der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters oder das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für eine Entscheidung dieses Inhalts innerhalb der Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde (vgl. § 93 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht) substantiiert und schlüssig dargelegt werden (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 6. August 1996 VII S 7/96, BFH/NV 1997, 135, m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Der Kläger hat die Gegenvorstellung bis heute nicht begründet, sondern lediglich angekündigt, eine Begründung nachreichen zu wollen, nachdem ihm antragsgemäß Einsicht in die BFH-Akten gewährt worden sei.
Um einen der vorstehend aufgezählten Rechtsfehler begründen zu können, bedarf es keiner Akteneinsicht; denn die ganz offensichtlichen Fehler, die ausnahmsweise ―ungeachtet der formellen Rechtskraft der Entscheidung― eine Gegenvorstellung rechtfertigen, sind auch und gerade für den Beteiligten ohne weiteres aufgrund der Entscheidung bzw. deren Begründung offensichtlich. Abgesehen davon, daß deshalb für Akteneinsicht zur Begründung einer Gegenvorstellung grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, haben im Streitfall der Kläger selbst und sein Prozeßbevollmächtigter am 8. Juni 1998, unmittelbar vor Ergehen der mit der Gegenvorstellung angegriffenen Entscheidung, sämtliche dem BFH zum Verfahren wegen Einkommensteuer 1977 bis 1981 vorliegenden Akten einschließlich der BFH-Akten, eingesehen, ohne hieraus weitere Folgerungen für das Verfahren zu ziehen. Der erneute Antrag auf Akteneinsicht diente deshalb offensichtlich nur der Prozeßverschleppung.
Fundstellen