Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur gerichtlichen Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs zur Erlangung einer Mineralölsteuervergütung nach § 53 MinöStV
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen der Geltendmachung eines Mineralölsteuervergütungsanspruchs nach § 53 Abs. 1 MinöStV gehört die rechtzeitige Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und die gerichtliche Verfolgung des Kaufpreisanspruchs.
2. Auf eine gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs durch die Erwirkung eines Mahnbescheids kann auch bei Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt nicht verzichtet werden.
Normenkette
MinöStV § 53 Abs. 1; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 240 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) belieferte die Firma D-KG mit Kraftstoffen. Die letzte Lieferung erfolgte im Juli 2000. Mit Beschluss vom 25. Juli 2000 eröffnete das Amtsgericht (AG) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der D-KG und ordnete gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 der Insolvenzordnung (InsO) an, dass Verfügungen der D-KG nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien. Daraufhin sah die Klägerin von einer gerichtlichen Verfolgung der ausstehenden Beträge ab. Nachdem das AG am 1. November 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen eröffnet hatte, meldete die Klägerin ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an. Ihren Antrag auf Vergütung des in den ausgefallenen Forderungen enthaltenen Mineralölsteueranteils lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, dass die Klägerin den Kaufpreisanspruch nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die D-KG oder gegen die nach Gesellschafts- und Handelsrecht Haftenden gerichtlich geltend gemacht habe. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch nach § 53 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) deshalb nicht zustehe, weil sie es versäumt habe, ihre Forderungen durch die Beantragung eines Mahnbescheids gerichtlich geltend zu machen. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Januar 2003 VII R 7/02 (BFHE 200, 475) sei dies auch dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung gestellt worden sei. Im Streitfall stehe § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) dem Erlass eines Mahnbescheids nicht entgegen. Denn das AG habe der D-KG nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen, sondern deren Verfügungen lediglich von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gemacht. Die durch § 240 Satz 2 ZPO angeordnete Unterbrechungswirkung hätte somit nicht eintreten können. Allerdings sei im Streitfall zu bedenken, dass die nach der Rechtsprechung des BFH erforderliche gerichtliche Verfolgung durch den Erlass eines Mahnbescheids mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwand verbunden sei und dass dem Erlass eines Vollstreckungsbescheids in der Regel der Umstand entgegenstehe, dass mit der Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt würden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine unzutreffende Auslegung und Anwendung von § 53 MinöStV und die Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht. Entgegen den schriftsätzlich und "in der mündlichen Verhandlung" gemachten Ausführungen, nach denen der Klägerin bereits am 25. Juli 2000 bekannt war, dass über das Vermögen der D-KG das Insolvenzverfahren eröffnet würde, habe das FG diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen und von einer Beweiserhebung abgesehen. Vor dem Hintergrund der möglicherweise falsch verstandenen BFH-Rechtsprechung sei das FG der Ansicht gewesen, dass es auf die positive Kenntnis der Klägerin von den Vermögensverhältnissen ihres Kunden nicht ankomme. Darüber hinaus verletze die in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung vorgenommene Auslegung von § 53 MinöStV Bundesrecht. Im Streitfall gehe es um die grundsätzlichen Fragen, ob die von der BFH-Rechtsprechung geforderte gerichtliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten auch dann gelte, wenn feststehe, dass diese Maßnahme bzw. die Zwangsvollstreckung nicht zum Erfolg führten und die spätere Erlangung eines Titels ohne weiteres möglich sei; ob der Mineralölhandel zur Anspruchssicherung objektiv nutzlose Aufwendungen tätigen müsse und ob ihm ein Beurteilungsspielraum bei der Einziehung der Forderung zustehe. Die Rechtsprechung des BFH bedürfe einer grundlegenden Kurskorrektur. Denn sie beruhe auf der Prämisse, dass es bei der Entlastungsregelung um eine Abwälzung des Steuerrisikos vom Mineralölhandel auf die Allgemeinheit gehe. Tatsächlich ziele die Regelung jedoch auf eine zumindest teilweise Beseitigung einer den Mineralölhandel treffenden Belastung ab. Es stelle sich die grundlegende Frage, ob es der Mineralölhändler verdiene, mit dem Mineralölsteueranteil der ausgefallenen Kaufpreisforderung belastet zu bleiben. Da es sich um eine Billigkeitsregelung handle, sei die Entscheidung über die Gewährung des Entlastungsanspruchs ausschließlich danach auszurichten, ob der Mineralölhändler das ihm nach einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellende Zumutbare unternommen habe. Eine schematische Anwendung des Wortlauts des § 53 MinöStV habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Bei einer vermögenslosen GmbH könne es auf eine fristgerechte Titulierung einer Forderung nicht ankommen. Solange sich der Vergütungsberechtigte nicht missbräuchlich verhalte, könne ihm die Entlastung nicht versagt werden. Bei Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens sei die Annahme gerechtfertigt, dass eine Anmeldung zur Insolvenztabelle zur Anspruchssicherung ausreichend sei. Im Streitfall stelle sich zudem die Frage, wie ein Irrtum des Anspruchsberechtigten über die verfahrensunterbrechende Wirkung des § 240 Satz 2 ZPO im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu bewerten sei. Denn ein Irrtum über eine Rechtslage, die erst in 2003 geklärt worden sei, könne nicht zum Ausschluss der Vergütung führen. Im Übrigen seien die Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 25. Juli 2003 14 U 207/01 (Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2003, 1510) und des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. Juni 1999 II ZR 70/98 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 2822) unzutreffend und bedürften der Korrektur.
Die K1ägerin beantragt, die erstinstanz1iche Entscheidung sowie die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und das HZA zur Vergütung von Mineralölsteuer in Höhe von 335 107,37 € zu verpflichten.
Das HZA verweist auf die Senatsrechtsprechung und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat kann über die Revision gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das FG hat in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) zu Recht geurteilt, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch nach § 53 MinöStV deshalb nicht zusteht, weil sie den Kaufpreisanspruch nicht rechtzeitig gegenüber der D-KG gerichtlich geltend gemacht hat.
1. Nach § 53 Abs. 1 MinöStV wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 des Mineralölsteuergesetzes versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis enthaltene und beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausgefallene Steuer erstattet oder vergütet, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats müssen die in § 53 Abs. 1 MinöStV genannten Voraussetzungen kumulativ, erfüllt sein, so dass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (Senatsurteil vom 22. Mai 2001 VII R 33/00, BFHE 195, 78, 81). Zu ihnen gehört die rechtzeitige Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs. Da der Vorschrift kein schuldnerschützender Charakter zukommt, sondern sie vielmehr zur Erhaltung des dem Gläubiger eventuell zustehenden Vergütungsanspruchs dient, bleibt es dem Gläubiger überlassen, ob er den in der Vorschrift aufgezeigten typischen Weg (letzte Mahnung unter Fristsetzung und Androhung gerichtlicher Verfolgung) einschlägt oder unter Verzicht auf diese Zwischenschritte seinen Kaufpreisanspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Zwar bezieht sich das Wort "rechtzeitig" in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV allein auf die Mahnung, doch versteht es sich von selbst, dass die gerichtliche Verfolgung zügig erfolgen muss, um Zahlungsausfälle möglichst zu vermeiden (Senatsentscheidung vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217).
b) Die gerichtliche Verfolgung eines Anspruchs i.S. des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV bedeutet regelmäßig, die rückständigen Forderungen beim Zivilgericht mit den Mitteln, die nach den Vorschriften der ZPO zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen, also z.B. Klage zu erheben (§ 261 Abs. 1 ZPO) oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken mit ggf. anschließender Überleitung in das streitige Verfahren (§ 696 Abs. 3 ZPO), und aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Die gerichtliche Geltendmachung hat zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem ein im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und wie ein sorgfältiger Kaufmann handelnder Mineralöllieferant erkennen muss, dass eine Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs die Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordert. In seiner Entscheidung in BFHE 188, 217 hat der Senat ausgeführt, dass ein Mahnsystem hinzunehmen wäre, bei dem sichergestellt sei, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet werde. Indes lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, dass ein Mineralöllieferant in jedem Fall eine Frist von zwei Monaten ausschöpfen kann, bevor er die nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten Schritte einleitet. Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten (Senatsentscheidungen vom 7. Januar 2005 VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384, und vom 17. Januar 2006 VII R 42/04, BFH/NV 2006, 1024). So kann eine Situation eintreten, in der vom Lieferanten ein unverzügliches Handeln gefordert wird.
Dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV sind darüber hinaus keine Anhaltspunkte zu entnehmen, in welchen Fällen der Verordnungsgeber die gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs für entbehrlich gehalten hat. Ohne Ausnahmetatbestände zu formulieren hat er den unter der Geltung der Konkursordnung (KO) normierten Vergütungsanspruch davon abhängig gemacht, dass der Zahlungsausfall trotz gerichtlicher Verfolgung nicht zu vermeiden war.
c) Mehrfach hat der Senat dargelegt, dass der Gläubiger auf eine rechtzeitige gerichtliche Verfolgung seines Anspruchs auch dann nicht verzichten kann, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt und die Sequestration des Schuldnervermögens angeordnet ist (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2001 VII B 232/00, BFH/NV 2001, 1609, und vom 30. September 2002 VII B 64/02, BFH/NV 2003, 84) oder wenn Anträge auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung (Senatsurteil in BFHE 200, 475) oder auf Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens (Senatsentscheidungen vom 6. Februar 2006 VII B 52/05, BFH/NV 2006, 1159, und in BFH/NV 2005, 1384) gestellt sind. Maßgebend für diese Rechtsauffassung war für den Senat, dass es für einen Außenstehenden typischerweise nicht möglich ist, die Vermögenssituation eines sich für zahlungsunfähig erklärenden Schuldners zuverlässig abzuschätzen. Auch besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner oder ein Gläubiger den von ihm gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder zurücknimmt (§ 13 Abs. 2 InsO). In Kenntnis eines Antrags auf Insolvenzeröffnung darf der Gläubiger daher nicht untätig abwarten, ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, sondern muss auch jetzt noch die ihm rechtlich möglichen und zumutbaren gerichtlichen Maßnahmen, wie z.B. die Erwirkung eines Mahnbescheids, ergreifen, um im Falle einer Ablehnung des Insolvenzantrags unverzüglich auf die weitere Durchsetzung seiner Ansprüche hinwirken zu können. Wer untätig bleibt, verliert seinen Vergütungsanspruch, selbst wenn später das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und die Forderungen zur Tabelle angemeldet werden (Senatsentscheidung in BFHE 200, 475, m.w.N.).
2. Zu Recht hat das FG geurteilt, dass nach diesen Grundsätzen im Streitfall von einer rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung nicht mehr ausgegangen werden kann. Denn nach Antragstellung und Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist die Klägerin untätig geblieben und hat erst über drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Maßnahmen ergriffen, indem sie ihre Forderungen zur Tabelle angemeldet hat. Die Erwirkung eines Mahnbescheids hat sie indes unterlassen.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin war ihr die Erwirkung eines Mahnbescheids aufgrund § 240 Satz 2 ZPO rechtlich nicht unmöglich. Denn im Streitfall hat das AG lediglich ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet, einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und künftige Verfügungen des Schuldners nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO unter Zustimmungsvorbehalt gestellt. Der Umstand, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, führt nicht dazu, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen und seine Prozessführungsbefugnis verliert. Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht nur im Falle der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 22 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Setzt das Insolvenzgericht dagegen einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ein, verbleibt die Verfügungs- wie auch die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner (Haarmeyer in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 22 Rz 133, 184; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. § 22 Rz 185, m.w.N.). Infolgedessen werden die im Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt anhängigen Prozesse auch nicht gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen (BGH-Entscheidung in NJW 1999, 2822; Gerhardt in Jaeger, Insolvenzordnung, § 22 Rz 142). Denn die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts führt lediglich zu einem relativen Veräußerungsverbot. Dies reicht jedoch nicht aus, um die in § 240 Satz 2 ZPO angeordneten Rechtsfolgen eintreten zu lassen (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 240 Rz 2; Freiber, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 240 Rz 12, und Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 240 Rz 3).
b) Ein etwaiger Irrtum der Klägerin über die Anwendbarkeit des § 240 Satz 2 ZPO und eine damit verbundene Fehleinschätzung der wahren Rechtslage macht die gerichtliche Verfolgung nicht entbehrlich. Denn für Verschuldenserwägungen ist nach der Rechtsprechung des Senats kein Raum. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, kommt es auf Zumutbarkeits- oder Verschuldenserwägungen sowie auf eine Kausalitätsbetrachtung expost bei den gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV zu ergreifenden Maßnahmen der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche nicht an (Senatsurteil in BFHE 200, 475, m.w.N.).
c) Die Beantragung eines Mahnbescheids nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kann nicht als eine von vornherein aussichtslose und daher für den Mineralölhändler unzumutbare Maßnahme angesehen werden.
aa) Denn es ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein erheblicher Zeitraum liegen kann und dass das vorläufige Insolvenzverfahren nicht zu einer Verteilung des Schuldnervermögens führen soll, sondern lediglich der Sichtung des Vermögensbestands und der Werterhaltung und Bestandswahrung dient. In diesem Zwischenstadium, in dem Ungewissheit darüber besteht, ob es überhaupt zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens kommt, sind die Gläubiger grundsätzlich nicht daran gehindert, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu betreiben. Will das Insolvenzgericht dies verhindern, hat es die Möglichkeit, nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen und damit dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung den Vorrang gegenüber der Einzelzwangsvollstreckung einzuräumen. Allerdings ist eine solche Beschränkung der Vollstreckung nur bei beweglichen Gegenständen möglich, so dass Grundpfandrechte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin verwertet werden dürfen. Selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind aussonderungsberechtigte Gläubiger insoweit privilegiert, als bei Grundstücken das absolute Vollstreckungsverbot des § 89 InsO durch die Regelungen in § 30d und § 153b des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung relativiert wird.
bb) Unterlässt das Insolvenzgericht wie im Streitfall eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO oder besteht für den Gläubiger die Aussicht, in das unbewegliche Vermögen des Schuldners zu vollstrecken, kann der Erlass eines Mahnbescheids und das Bemühen um die Erlangung eines Pfändungspfandrechts allein deshalb Sinn machen, weil im Fall der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens die Vollstreckung sofort fortgesetzt werden kann. Deshalb erscheint es dem Senat nicht sachgerecht, von vornherein und in jedem Fall auf die gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs zu verzichten, sobald ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Denn auch in dieser Situation wird ein die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und sorgfältig handelnder Mineralöllieferant alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich eine günstige Ausgangsposition in einem eventuell bevorstehenden Insolvenzverfahren zu sichern.
cc) Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, welche rechtlichen Schritte von dem Mineralöllieferanten erwartet werden können. Der erkennende Senat vermag deshalb die Ansicht des FG nicht zu teilen, dass dem Mineralöllieferanten mit dem Erfordernis des Erlasses eines Mahnbescheids trotz Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens eine Obliegenheit auferlegt wird, die mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwand verbunden ist und den Mineralölhändler der Erwirkung eines Vollstreckungstitels nicht wirklich näher bringt. Vielmehr ist es dem Mineralölhändler ohne weiteres zuzumuten, eine halbe Gerichtsgebühr in die Durchführung eines solchen Verfahrens zu investieren, wenn er damit einen Vergütungsanspruch realisieren kann. Anwaltsgebühren müssen dabei nicht zwangsläufig anfallen, denn die Beantragung eines Mahnbescheids ist eine vergleichsweise einfache Routinetätigkeit, die in einem Handelsunternehmen, das ein nach kaufmännischen Gesichtspunkten organisiertes Forderungsmanagement betreibt, von entsprechend geschultem Personal ohne anwaltliche Hilfe bewältigt werden kann (Senatsentscheidungen in BFHE 200, 475, 480, und in BFH/NV 2006, 1159).
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt § 53 MinöStV keine reine Billigkeitsregelung dar. Denn durch die Normierung eines Katalogs an Anspruchsvoraussetzungen wird die Regelung gerade aus dem Bereich der Billigkeit herausgehoben und als Rechtsanspruch ausgestaltet (Senatsurteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97, BFHE 187, 177, 192). Deshalb kann die Überprüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs auch nicht darauf beschränkt werden, ob sich der Mineralölhändler missbräuchlich verhalten hat und deshalb die begehrte Entlastung --etwa aufgrund seiner Entlastungsunwürdigkeit-- nicht verdient. Vielmehr hat der Verordnungsgeber in § 53 Abs. 1 MinöStV genau bestimmte Voraussetzungen festgelegt, deren Erfüllung von jedem Mineralölhändler verlangt werden kann.
4. Der durch die Neufassung der Dienstvorschrift der Bundesfinanzverwaltung zur Auslegung und Anwendung von § 53 Abs. 1 MinöStV (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung-Nachrichten - 34, 2005) geregelte Fall der Entbehrlichkeit einer Mahnung liegt nicht vor. Denn der von der Finanzverwaltung ausgesprochene Verzicht auf die Beantragung eines Mahnbescheids bezieht sich nur auf den Fall der Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters, bei dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Dagegen ist nach den Feststellungen des FG im Streitfall vom Insolvenzgericht lediglich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO bestellt worden, was der unter Geltung der KO noch möglichen Anordnung einer Sicherungssequestration gleichkommt. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass der Regelungsgehalt einer Rechtsverordnung durch eine bloße Verwaltungsanweisung nicht abgeändert werden kann. Hätte die Finanzverwaltung eine Rechtssicherheit schaffende Anpassung der Entlastungsregelung an das neu kodifizierte Insolvenzrecht --insbesondere an §§ 21 ff. InsO-- vornehmen und entsprechende Ausnahmetatbestände festlegen wollen, hätte sich hierzu eine Änderung des Verordnungstextes angeboten.
5. Soweit die Klägerin eine Verletzung der dem FG nach § 96 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht und das Übergehen eines Beweisantrags rügt, ist diese Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Denn hierzu ist u.a. darzulegen, dass die weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiellen Rechtsstandpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, m.w.N.). Die Klägerin trägt jedoch selbst vor, dass es aus der Sicht des FG nicht darauf ankam, ob sie bereits am 25. Juli 2000 sichere Kenntnis davon hatte, dass es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D-KG kommen werde. Unabhängig von etwaigen Erkenntnissen der Klägerin über die Vermögenslage der Warenempfängerin hat das FG die Beantragung eines Mahnbescheids innerhalb der vom Senat aufgestellten Zwei-Monats-Frist gefordert. Daher kann das erstinstanzliche Urteil nicht auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen.
Fundstellen
Haufe-Index 1934199 |
BFH/NV 2008, 621 |
ZIP 2008, 1387 |