Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Erfordernis der Einleitung gerichtlicher Schritte zur Sicherung eines Mineralölsteuervergütungsanspruchs
Leitsatz (NV)
Zur Erhaltung des Mineralölsteuervergütungsanspruchs bei Zahlungsausfall des Abnehmers ist der Mineralöllieferant auch dann zur Einleitung von gerichtlichen Schritten, wie z.B. das Erwirken eines Mahnbescheides, verpflichtet, wenn der Abnehmer selbst bzw. einer seiner Gläubiger angekündigt hat, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen zu wollen, oder wenn ein solcher Antrag bereits gestellt worden ist.
Normenkette
MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3; InsO § 130 Abs. 1, §§ 89, 21 Abs. 2 Nr. 3; KO § 30 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) belieferte am 28. November 2002 einen Tankstellenbetreiber (T) unter Eigentumsvorbehalt mit Kraftstoffen. Vereinbart war ein Zahlungsziel von 20 Tagen. In einem am 6. Dezember 2002 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben teilte T mit, dass er in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei und sich außer Stande sehe, die Rechnung der Klägerin zu begleichen. Noch am selben Tag gelang es der Klägerin, bei der Tankstelle des T eine größere Menge an Kraftstoffen abzupumpen. Gleichzeitig erfuhr sie, dass T Insolvenz anmelden wolle. Da auch ein anderer Mineralöllieferant Rechte aus einem vereinbarten Eigentumsvorbehalt geltend machte, teilte die Klägerin sich mit diesem den Erlös aus der Rückholaktion und gewährte ihm eine Gutschrift. Am 9. und 19. Dezember 2002 unternahm die Klägerin erfolglose Versuche, die ausstehende Forderung mittels Lastschrifteinzug zu realisieren. Am 9. Dezember 2002 ging beim Amtsgericht (AG) der Antrag des T auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, dem das AG mit Beschluss vom 15. Januar 2002 stattgab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Klägerin ihre Kaufpreisforderung zur Tabelle an. Im Rahmen der Schlussverteilung konnte nur ein geringfügiger Betrag an die Klägerin ausbezahlt werden.
Den Antrag auf Vergütung der im ausgefallenen Kaufpreis enthaltenen Mineralölsteuer lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, dass die Klägerin die gerichtliche Verfolgung nicht betrieben habe. Nachdem das HZA den daraufhin eingelegten Einspruch über mehrere Monate nicht bearbeitet hatte, erhob die Klägerin Klage, die zum überwiegenden Teil Erfolg hatte.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin die begehrte Vergütung dem Grunde nach zustehe. Da die Klägerin die Forderung zur Tabelle wirksam angemeldet und auch an der Schlussverteilung teilgenommen habe, sei auch die Voraussetzung der rechtzeitigen gerichtlichen Verfolgung i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) im Streitfall als erfüllt anzusehen. Die Forderung sei erst mit Ablauf des 18. Dezember 2002 fällig geworden. Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles sei die Klägerin nach dem 19. Dezember 2002 nicht mehr gehalten gewesen, den Erlass eines Mahnbescheides zu erwirken. Denn aufgrund der am 6. Dezember 2002 der Klägerin bekannt gewordenen Absicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, habe eine gesonderte gerichtliche Verfolgung ihres Anspruchs durch Betreibung eines Mahn- oder Vollstreckungsverfahrens von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Denn selbst wenn es der Klägerin gelungen wäre, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch einen Vollstreckungstitel zu erwirken, sei ein solcher aufgrund der nach § 130 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) gegebenen Anfechtungsmöglichkeit wertlos gewesen. Zudem hätte mit einer Unterbrechung der eingeleiteten Verfahren nach § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gerechnet werden müssen. In seinem Urteil vom 8. Januar 2004 IX ZR 30/03 (Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2004, 481) verlange der Bundesgerichtshof (BGH) von einem verantwortungsbewussten Rechtsanwalt, dass er seinem Mandanten von einer gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche abrate, wenn eine Entscheidung über den Insolvenzantrag bevorstehe. Dementsprechend dürfe der vergütungsberechtigte Mineralölhändler nicht verpflichtet werden, von vornherein aussichtslose Maßnahmen zu ergreifen. Bei der Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse erschöpfe sich eine anschließende gerichtliche Verfolgung regelmäßig nur in der Erlangung eines wertlosen Titels.
Mit seiner Revision rügt das HZA die Verletzung von Bundesrecht. Es ist der Auffassung, dass das FG von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Unrecht abgewichen sei. Denn insbesondere dann, wenn der Warenempfänger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, dürfe der Mineralölhändler nicht untätig bleiben. Erst recht dürfe er sich nicht mit der Behauptung des Warenempfängers begnügen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben. Im Streitfall habe die Klägerin ihre Forderung nicht zu dem im Eröffnungsbeschluss festgelegten Termin am 14. Februar 2003, sondern erst am 15. Juli 2003 nachträglich angemeldet. Seit dem gescheiterten Lastschrifteinzug habe sie über ein halbes Jahr keinerlei Maßnahmen ergriffen, ihre Forderung zu realisieren oder sich tatsächliche Gewissheit über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verschaffen. Die Rechtsansicht des FG laufe auf eine ex-post-Betrachtung hinaus, die nach der Rechtsprechung des BFH gerade nicht anzustellen sei. Im Übrigen weiche der Streitfall in entscheidenden Punkten von dem vom FG in der Begründung in Bezug genommenen und vom BGH entschiedenen Fall ab.
Das HZA beantragt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit das FG der Klage stattgegeben hat, und Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, dass das BGH-Urteil in WM 2004, 481 durchaus auf den Streitfall übertragen werden könne. Im Übrigen beruft sie sich auf die im erstinstanzlichen Urteil dargelegten Gründe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Soweit der Klägerin die begehrte Vergütung zugesprochen und das HZA zur Erstattung von Mineralölsteuer verpflichtet worden ist, verletzt das Urteil Bundesrecht. In diesem Umfang ist es daher aufzuheben.
1. Nach § 53 Abs. 1 MinöStV wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 des Mineralölsteuergesetzes versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis enthaltene und beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausgefallene Steuer erstattet oder vergütet, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats müssen die in § 53 Abs. 1 MinöStV genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (Senatsurteil vom 22. Mai 2001 VII R 33/00, BFHE 195, 78, 81). Zu ihnen gehört die rechtzeitige Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs. Da der Vorschrift kein schuldnerschützender Charakter zukommt, sondern sie vielmehr zur Erhaltung des dem Gläubiger evtl. zustehenden Vergütungsanspruchs dient, bleibt es dem Gläubiger überlassen, ob er den in der Vorschrift aufgezeigten typischen Weg (letzte Mahnung unter Fristsetzung und Androhung gerichtlicher Verfolgung) einschlägt, oder unter Verzicht auf diese Zwischenschritte seinen Kaufpreisanspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Zwar bezieht sich das Wort "rechtzeitig" in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV allein auf die Mahnung, doch versteht es sich von selbst, dass die gerichtliche Verfolgung zügig erfolgen muss, um Zahlungsausfälle möglichst zu vermeiden (Senatsentscheidung vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217).
b) Die gerichtliche Verfolgung eines Anspruchs i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV bedeutet regelmäßig, die rückständigen Forderungen beim Zivilgericht mit den Mitteln, die nach den Vorschriften der ZPO zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen, also z.B. Klage zu erheben (§ 261 Abs. 1 ZPO) oder die Zustellung eines Mahnbescheides nach den Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken mit ggf. anschließender Überleitung in das streitige Verfahren (§ 696 Abs. 3 ZPO), und aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Die gerichtliche Geltendmachung hat zu einem Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem ein im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und wie ein sorgfältiger Kaufmann handelnder Mineralöllieferant erkennen muss, dass eine Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs die Inanspruchnahme der Zivilgerichte erfordert. In seiner Entscheidung in BFHE 188, 217 hat der Senat ausgeführt, dass ein Mahnsystem hinzunehmen wäre, bei dem sichergestellt sei, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet werde. Indes lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, dass ein Mineralöllieferant in jedem Fall eine Frist von zwei Monaten ausschöpfen kann, bevor er die nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten Schritte einleitet. Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten (Senatsentscheidungen vom 7. Januar 2005 VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384, und vom 17. Januar 2006 VII R 42/04, BFH/NV 2006, 1024). So kann eine Situation eintreten, in der vom Lieferanten ein unverzügliches Handeln gefordert wird.
Dem Wortlaut von § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, in welchen Fällen der Verordnungsgeber die gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs für entbehrlich gehalten hat. Ohne Ausnahmetatbestände zu formulieren, hat er den unter der Geltung der Konkursordnung (KO) normierten Vergütungsanspruch davon abhängig gemacht, dass der Zahlungsausfall trotz gerichtlicher Verfolgung nicht zu vermeiden war.
c) Mehrfach hat der Senat dargelegt, dass der Gläubiger auf eine rechtzeitige gerichtliche Verfolgung seines Anspruchs auch dann nicht verzichten kann, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt und die Sequestration des Schuldnervermögens angeordnet ist (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2001 VII B 232/00, BFH/NV 2001, 1609, und vom 30. September 2002 VII B 64/02, BFH/NV 2003, 84) oder wenn Anträge auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung (Senatsurteil vom 8. Januar 2003 VII R 7/02, BFHE 200, 475) oder auf Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens (Senatsentscheidungen vom 6. Februar 2006 VII B 52/05, BFH/NV 2006, 1159, und in BFH/NV 2005, 1384) gestellt sind. Maßgebend für diese Rechtsauffassung war für den Senat, dass es für einen Außenstehenden typischerweise nicht möglich ist, die Vermögenssituation eines sich für zahlungsunfähig erklärenden Schuldners zuverlässig abzuschätzen. Auch besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner oder ein Gläubiger den von ihm gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder zurücknimmt (§ 13 Abs. 2 InsO). In Kenntnis eines Antrags auf Insolvenzeröffnung darf der Gläubiger daher nicht untätig abwarten, ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, sondern muss auch jetzt noch die ihm rechtlich möglichen und zumutbaren gerichtlichen Maßnahmen, wie z.B. die Erwirkung eines Mahnbescheides --selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten durchgeführt werden müssen, dem Mineralölhändler aussichtslos erscheinen-- ergreifen, um im Falle einer Ablehnung des Insolvenzantrags unverzüglich auf die weitere Durchsetzung seiner Ansprüche hinwirken zu können. Wer untätig bleibt, verliert seinen Vergütungsanspruch, selbst wenn später das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und die Forderungen zur Tabelle angemeldet werden (Senatsentscheidungen in BFH/NV 2001, 1609, und in BFHE 200, 475, m.w.N.).
2. Das FG ist von der Rechtsprechung des erkennenden Senats abgewichen und hat der Klägerin zu Unrecht die begehrte Mineralölsteuervergütung zugesprochen.
a) Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin dem Warenempfänger ein Zahlungsziel von 20 Tagen eingeräumt, so dass die der Klägerin gegenüber T zustehende Kaufpreisforderung mit Ablauf des 18. Dezember 2002 fällig gewesen ist. Auch ohne Mahnung war T durch den fehlgeschlagenen Lastschrifteinzug und die damit verbundene Nichtleistung nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verzug geraten. Unter diesen Umständen wäre der Klägerin die Einleitung gerichtlicher Schritte, wie das Erwirken eines Mahnbescheides, ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen. Denn sie konnte nicht zuverlässig abschätzen, ob T tatsächlich einen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen würde und zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ergebnis das AG über diesen Antrag entscheiden würde. Anstelle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ca. fünf Wochen nach Antragstellung hätte es z.B. auch zur Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Einsetzung eines sog. starken oder schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters kommen können. Auch hätte die Möglichkeit bestanden, dass T seinen Antrag wieder zurücknimmt. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsbelastung der Insolvenzgerichte der zwischen Antragstellung und dem Eröffnungsbeschluss liegende Zeitraum nicht zuverlässig vorhersagen lässt und deshalb nicht angenommen werden kann, dass in jedem Fall nach Antragstellung die Entscheidung des Insolvenzgerichts unmittelbar bevorsteht.
Die Rechtsauffassung der Vorinstanz läuft auf eine Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen in einer ex-post-Betrachtung unter Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen --z.B. einer möglichen Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO-- hinaus, die der Senat in ständiger Rechtsprechung nicht zugelassen hat. Die Regelungen in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV verlangen vom Mineralölhändler die Durchsetzung seines Kaufpreisanspruchs und die Einleitung gerichtlicher Schritte unabhängig davon, ob sich die zu ergreifenden Maßnahmen nachträglich als erfolglos erweisen. Zumindest die Chance der Realisierung seiner Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung muss er sich erhalten, will er den Vergütungsanspruch nicht verlieren. Im Streitfall räumt auch die Vorinstanz ein, dass der Erlass eines Mahnbescheides trotz der bevorstehenden Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durchaus möglich gewesen wäre.
b) Soweit dem erstinstanzlichen Urteil eine Auslegung von § 53 Abs. 1 MinöStV entnommen werden könnte, nach der bereits der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Einleitung eines Mahnverfahrens entbehrlich macht und die Anmeldung des Kaufpreisanspruchs zur Tabelle die in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV normierte Anspruchsvoraussetzung der gerichtlichen Verfolgung erfüllt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn nicht in jedem Fall, in dem der Schuldner oder Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, kann davon ausgegangen werden, dass eine gerichtliche Verfolgung der Ansprüche von vornherein aussichtslos erscheint und deshalb unter keinen Gesichtspunkten geeignet wäre, die Stellung des Mineralölhändlers zu verbessern. Insbesondere bei Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens kann die Erlangung eines Pfandrechts Vorteile bieten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das vorläufige Insolvenzverfahren nicht zu einer Verteilung des Schuldnervermögens führen soll, sondern lediglich der Sichtung des Vermögensbestandes und der Werterhaltung und Bestandswahrung dient und dass zwischen der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein erheblicher Zeitraum liegen kann. In diesem Zwischenstadium, in dem Ungewissheit darüber besteht, ob es überhaupt zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens kommt, sind die Gläubiger grundsätzlich nicht daran gehindert, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu betreiben. Will das Insolvenzgericht dies verhindern, hat es die Möglichkeit, nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen und damit dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung den Vorrang gegenüber der Einzelzwangsvollstreckung einzuräumen. Allerdings ist eine solche Beschränkung der Vollstreckung nur bei beweglichen Gegenständen möglich, so dass Grundpfandrechte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin verwertet werden dürfen. Selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind aussonderungsberechtigte Gläubiger insoweit privilegiert, als bei Grundstücken das absolute Vollstreckungsverbot des § 89 InsO durch die Regelungen in § 30d und § 153b des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung relativiert wird.
Es erscheint dem Senat nicht sachgerecht, von vornherein und in jedem Fall auf die gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs zu verzichten, sobald ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist. Denn auch in dieser Situation wird ein die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und sorgfältig handelnder Mineralöllieferant alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich den Vergütungsanspruch nach § 53 Abs. 1 MinöStV zu erhalten. Kommt es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil eine hierzu ausreichende Masse nicht vorhanden ist, oder weil es dem Schuldner gelingt, die Zahlungen allgemein wieder aufzunehmen und dadurch die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, ist der Mineralölhändler gehalten, eine gegen den Warenempfänger bereits eingeleitete Einzelzwangsvollstreckung weiter zu betreiben. In diesem Fall kommt auch eine Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO nicht in Betracht. Denn eine solche setzt voraus, dass das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, so dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter ein Anfechtungsrecht nicht zusteht (hinsichtlich der Tätigkeit eines Sequesters vgl. BGH-Urteil vom 18. Mai 1995 IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38). Auch ist zu berücksichtigen, dass eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO die --vom Insolvenzverwalter zu beweisende-- positive Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder von dem Eröffnungsantrag voraussetzt. Nicht in jedem Fall werden diese Voraussetzungen erfüllt sein. So kann von einer Stundungsbitte des Schuldners oder dem Umstand, dass die Bank des Schuldners keine Kontobelastungen mehr zulässt, nicht zwingend auf eine durch die Zahlungseinstellung indizierte Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 130 Abs. 2 InsO) geschlossen werden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint dem Senat die Schlussfolgerung des FG nicht zwingend, dass T mit der Mitteilung seiner Zahlungsschwierigkeiten der Klägerin zugleich seine Zahlungsunfähigkeit i.S. von § 130 Abs. 1 InsO angezeigt hat. Das FG führt selbst aus, dass in dieser Mitteilung eine endgültige Erfüllungsverweigerung nicht gesehen werden könne.
Auf das Erfordernis der Beantragung eines Mahnbescheides kann aus all diesen Gründen nicht allein deshalb verzichtet werden, weil ein Warenempfänger angekündigt hat, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, oder einen solchen Antrag bereits gestellt hat.
3. Dem Mineralöllieferanten wird mit dem Erfordernis des Erlasses eines Mahnbescheides trotz Vorliegen eines Antrags auf Insolvenzeröffnung auch keine Obliegenheit auferlegt, die mit einem unvertretbaren Kostenaufwand verbunden wäre. Vielmehr ist es dem Mineralölhändler ohne weiteres zuzumuten, eine halbe Gerichtsgebühr in die Durchführung eines solchen Verfahrens zu investieren, wenn er damit einen Vergütungsanspruch realisieren kann. Anwaltsgebühren müssen dabei nicht zwangsläufig anfallen, denn die Beantragung eines Mahnbescheides ist eine vergleichsweise einfache Routinetätigkeit, die in einem Handelsunternehmen, das ein nach kaufmännischen Gesichtspunkten organisiertes Forderungsmanagement betreibt, von entsprechend geschultem Personal ohne anwaltliche Hilfe bewältigt werden kann (Senatsentscheidungen in BFHE 200, 475, 480, und in BFH/NV 2006, 1159).
4. Das Urteil des BGH in WM 2004, 481 steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn in dem vom BGH entschiedenen Fall, der das Verfahren nach der KO betrifft, war die Eröffnung des Konkursverfahrens ein halbes Jahr vor dem Erlass des Mahnbescheides beantragt worden; daher war mit einer alsbaldigen Entscheidung des Konkursgerichts zu rechnen. Zudem waren die Voraussetzungen einer Konkursanfechtung nach § 30 Nr. 2 KO offensichtlich gegeben. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände hat der BGH eine Verletzung der dem Rechtsanwalt obliegenden Beratungspflicht angenommen. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass der BGH einen Rechtsanwalt in jedem Fall, in dem gegen den Schuldner bereits ein Antrag auf Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens gestellt ist, verpflichtet, von der Einleitung gerichtlicher Schritte abzuraten. Darüber hinaus ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass sich der Mineralölhändler mit dem Erlass eines Mahnbescheides einen Vorteil --nämlich einen anderen Anspruch gegenüber einem anderen Schuldner-- sichert. Diese Besonderheit wird bei der anwaltlichen Beratung zu berücksichtigen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 1626750 |
BFH/NV 2007, 109 |