Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung gewährter Ausfuhrerstattung nach vorangegangener Abtretung des Erstattungsanspruchs
Leitsatz (NV)
1. Es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass sich die auf § 10 Abs.1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Sätze 5-8 VwVfG a.F. (bzw. § 49a VwVfG) gestützte Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen gegen denjenigen richtet, der die Leistung tatsächlich empfangen hat und bei dem es sich im Fall einer Abtretung eines Ausfuhrerstattungsanspruchs auch um den Abtretungsempfänger handeln kann, und dass es hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage, gegen wen der Rückforderungsanspruch zu richten ist, entscheidend auf die wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls und nicht auf die rechtsformalen Gegebenheiten ankommt.
2. Für ab dem 1. April 1995 getätigte Ausfuhren ist diese Frage gemeinschaftsrechtlich in Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 geregelt.
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 11 Abs. 3; FGO § 96 Abs. 1; MOG § 10 Abs. 1; VwVfG § 48 Abs. 2, § 49a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte der Firma X für in der Zeit von Dezember 1984 bis Februar 1986 durchgeführte Exporte von Rindern Ausfuhrerstattungen. Die Fa. X hatte ihre Ausfuhrerstattungsansprüche an R abgetreten. Dieser wiederum hatte diese Ansprüche an die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) aufgrund eines Sicherungsvertrags abgetreten. Die an die Klägerin abgetretenen Ansprüche dienten zur Sicherung all ihrer bestehenden und künftigen Forderungen gegen R. Dieser war allerdings widerruflich berechtigt, die abgetretenen Forderungen im eigenen Namen einzuziehen. Das HZA zahlte die gewährten Ausfuhrerstattungen auf ein Sammelkonto der Klägerin bei der Y-Bank; von dort wurden die Zahlungen kurz nach ihrem Eingang von der Klägerin auf ein Konto des R weitergeleitet.
Wegen Manipulationen bei der Verwiegung der ausgeführten Rinder nahm das HZA die der Fa. X erteilten Erstattungsbescheide teilweise zurück; die hiergegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Mit Bescheid über zu erstattende Beträge forderte das HZA die überzahlten Ausfuhrerstattungen von der Klägerin zurück. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) aus den in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2004, 210 veröffentlichten Gründen statt und hob den Bescheid auf. Das FG urteilte, dass sich der auf § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) i.V.m. § 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bzw. § 48 Abs. 2 Sätze 5-8 VwVfG a.F. gestützte Erstattungsanspruch gegen denjenigen richte, der die Leistung tatsächlich empfangen habe. Diese Person sei jedoch im Streitfall nicht die Klägerin gewesen, sondern R, dem nach der besonderen Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Personen die Ausfuhrerstattungen wirtschaftlich zugestanden hätten. Da die Erstattungsansprüche, die das HZA habe erfüllen wollen, von der Fa. X an R abgetreten gewesen seien, der seinerseits diese Ansprüche nur sicherungshalber an die Klägerin abgetreten habe, habe durch die Zahlung der Ausfuhrerstattungen eine Vermögensverschiebung nur zwischen dem HZA und R stattgefunden.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des HZA, die es auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Der gerügte Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist nicht schlüssig dargelegt. Mit dieser Verfahrensrüge behauptet die Beschwerde einen Verstoß des FG gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat; hierzu gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Dem Beschwerdevorbringen kann jedoch nicht schlüssig entnommen werden, dass das FG rechtserhebliche Teile der Akte übersehen oder übergangen hat. Hinsichtlich der Abtretungsanzeige der Klägerin gegenüber dem HZA trägt die Beschwerde sogar selbst vor, dass das FG vom Vorliegen dieser Abtretungsanzeige offenbar ausgegangen sei, während der weitere von der Beschwerde für bedeutsam gehaltene Gesichtspunkt, dass sich das Konto des R bei der Klägerin seinerzeit mit … DM im Soll befanden habe, der Feststellung des FG, dass der Sicherungsfall nicht eingetreten gewesen sei, nicht entgegensteht. Dementsprechend macht die Beschwerde auch lediglich geltend, dass das FG diese Punkte "nicht deutlich genug herausgearbeitet" habe. Damit wird jedoch ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht schlüssig dargelegt.
Dem weiteren diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass das FG --nach Ansicht der Beschwerde-- die genannten Punkte unzutreffend gewürdigt und die falschen Schlüsse gezogen habe. Die Klägerin habe nämlich mit der Abtretungsanzeige die Zahlung an sich verlangt und R habe daher keine Befugnis mehr gehabt, die Forderungen im eigenen Namen einzuziehen. Die Klägerin sei daher so verfahren, als habe keine Sicherungs-, sondern eine Vollabtretung vorgelegen. Deshalb sei es entgegen der Ansicht des FG unbeachtlich, dass die Klägerin das Konto des R noch nicht für Verfügungen gesperrt gehabt habe.
Auch dieses Vorbringen verdeutlicht jedoch, dass die Beschwerde keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten darlegt, sondern sich gegen die Richtigkeit der Tatsachenwürdigung des FG wendet, wonach der Leistungsempfänger im Streitfall nicht die Klägerin, sondern R gewesen sei. Die Beschwerde behauptet letztlich, dass das FG --hätte es sein Augenmerk auf diese bezeichneten Gesichtspunkte gelenkt und sie in richtiger Weise gewertet-- zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, und macht damit keinen Verfahrensfehler geltend, sondern wendet sich in Wahrheit gegen die materielle Richtigkeit des Urteils.
2. Hinsichtlich der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kann es offen bleiben, ob dieser Zulassungsgrund von der Beschwerde schlüssig dargelegt ist, da die bezeichneten Rechtsfragen
ob nach Offenlegung einer Abtretung durch den Zessionar (Bank), wonach die Leistungen mit befreiender Wirkung nur noch auf ein Konto gezahlt werden können, über das allein die Bank verfügungsberechtigt ist und auf das die Leistungen auch tatsächlich gezahlt werden, die Bank im Fall zu Unrecht gewährter Leistungen erstattungspflichtig ist,
ob in diesem Fall der Zessionar auf Erstattung in Anspruch genommen werden kann, wenn die Geldbeträge an eine dritte Person bzw. den Zedenten weitergeleitet wurden,
jedenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig sind.
Es ist vielmehr durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, dass sich die auf § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Sätze 5-8 VwVfG a.F. (bzw. § 49a VwVfG) gestützte Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen gegen denjenigen richtet, der die Leistung tatsächlich empfangen hat und bei dem es sich im Fall einer Abtretung eines Ausfuhrerstattungsanspruchs auch um den Abtretungsempfänger handeln kann, und dass es hinsichtlich der Beantwortung dieser Frage, gegen wen der Rückforderungsanspruch zu richten ist, entscheidend auf die wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls und nicht auf die rechtsformalen Gegebenheiten ankommt (Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 VII R 46/92, BFHE 169, 570). Dementsprechend hat der Senat in jenem Fall, in welchem das FG festgestellt hatte, dass die Ausfuhrerstattungsforderungen nur zur Sicherheit abgetreten worden waren und der Zedent berechtigt war, die abgetretenen Forderungen geltend zu machen und Zahlung auf sein beim Zessionar geführtes Konto zu verlangen, entschieden, dass diese Zahlungen wirtschaftlich gesehen an den Zedenten und nicht an den Zessionar erfolgt seien.
Von diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall ausgegangen und hat entschieden, dass es sich bei der Forderungsabtretung des R an die Klägerin um eine Sicherungsabtretung gehandelt habe, dass damit R der tatsächliche Empfänger der Ausfuhrerstattungen gewesen sei, auf dessen Konto die Zahlungen des HZA auch letztlich überwiesen worden seien, und dass auch der Umstand, dass die Zahlungen zunächst auf ein Sammelkonto der Klägerin gegangen seien, bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Umstände unbeachtlich sei und nur aus der rechtsformalen Gegebenheit resultiere, dass die Klägerin durch die Sicherungsabtretung formal in die Rechtsposition des Zedenten eingetreten sei. Ob diese rechtliche Würdigung zutreffend ist und den Unterschieden des Streitfalls im Vergleich zu den Gründen der Senatsurteile in BFHE 169, 570 sowie vom 1. August 1995 VII R 80/94 (BFH/NV 1996, 5) hinreichend Rechnung trägt, ist nicht zu entscheiden, da diesbezügliche Mängel des angefochtenen Urteils keinen Grund für die Zulassung der Revision darstellen.
Hinsichtlich der von der Beschwerde formulierten Frage, ob die Verwaltung verpflichtet sei, vor einer Rückforderung im Einzelnen die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zwischen Zedent und Zessionar zu prüfen, wenn die zu Unrecht gewährte Leistung aufgrund einer wirksamen Sicherungsabtretung an den Zessionar ausbezahlt worden sei, fehlt es an Darlegungen der Beschwerde zur Klärungsfähigkeit dieser Frage. Es ist nicht ersichtlich, dass das FG im Streitfall eine solche Verpflichtung angenommen hat. Vielmehr ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass das FG offenbar davon ausgegangen ist, dass dem HZA die Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und R bekannt war.
Gegen die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfragen spricht im Übrigen, dass sich die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen nicht mehr nach den o.g. Vorschriften des VwVfG richtet (vgl. zur Klärungsbedürftigkeit bei auslaufendem Recht: Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 35). Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 3. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 310/57) enthält für ab dem 1. April 1995 getätigte Ausfuhren eine eigenständige gemeinschaftsrechtliche Rückforderungsvorschrift, die auch für den Fall der Erstattungszahlung an einen Zessionar eine Regelung enthält. Allein der diesbezügliche Hinweis des HZA, dass es noch über Altfälle zu entscheiden habe und dass Rückforderungen auf der Grundlage des § 48 VwVfG "zum Alltagsgeschäft zahlreicher Behörden" gehörten, ist für sich genommen nicht ausreichend, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schlüssig darzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1248971 |
BFH/NV 2005, 87 |