Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrechtliche Fragen nach einem Richtigstellungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Ein Richtigstellungsbescheid i.S. von § 182 Abs. 3 AO, der einen angefochtenen Feststellungsbescheid richtigstellt, kann nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens werden.
2. Der Richtigstellungsbescheid benennt keinen neuen (weiteren) Feststellungsbeteiligten, sondern stellt lediglich die Bezeichnung eines vom Ausgangsbescheid bereits Betroffenen richtig.
3. Eine die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 FGO begründende Frage kann auch nicht nachträglich durch den Erlass eines Richtigstellungsbescheids Gegenstand des Rechtsstreits werden, wenn kein Streit um den Regelungsgehalt des Richtigstellungsbescheids besteht. Die notwendige Beiladung eines Rechtsnachfolgers scheidet dann aus.
Normenkette
AO § 182 Abs. 3; FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3, § 68
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 27.02.2009; Aktenzeichen 7 K 1885/2008) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls teilweise schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2006 V B 80/05, BFH/NV 2006, 1250; vom 19. Juli 2007 V B 222/06, BFHE 217, 310, BStBl II 2008, 163; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45, jeweils m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist u.a. nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom 29. März 2005 XI B 242/03, BFH/NV 2005, 1236).
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein sog. Richtigstellungsbescheid i.S. von § 182 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens werden kann, ist nicht klärungsbedürftig. Diese Frage ist bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt. Die Klägerin weist selbst zutreffend darauf hin, dass der I. Senat des BFH mit Urteil vom 2. April 2008 I R 38/07 (BFH/NV 2009, 881) entschieden hat, dass der Richtigstellungsbescheid gemäß dem insoweit zumindest entsprechend anzuwendenden § 68 FGO Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens wird, wenn der richtig gestellte Feststellungsbescheid bereits mit einer Klage angefochten ist. Der I. Senat hat seine Rechtsauffassung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Fall der Berichtigung nach § 182 Abs. 3 AO den in § 68 Satz 4 FGO bezeichneten Gestaltungen so nahe stehe, dass er ebenfalls in den Regelungsbereich des § 68 FGO einbezogen werden müsse. Der Bescheid i.S. des § 182 Abs. 3 AO treffe keine eigenständige Regelung im Hinblick auf den Feststellungsgegenstand, sondern stelle lediglich die unrichtige Bezeichnung des materiell von dem Ausgangsbescheid Betroffenen richtig.
Demgegenüber lässt die Beschwerdebegründung keine neuen Gesichtspunkte erkennen. Insbesondere vermag der Vortrag der Klägerin, der Rechtsnachfolger werde durch den Richtigstellungsbescheid erstmals betroffen, wobei ihm in Folge der Rechtsprechung des I. Senats des BFH das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen einen ihn erstmals beschwerenden Verwaltungsakt entzogen werde, jedenfalls für den Streitfall keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuzeigen.
Innerhalb der Begründungsfrist hat die Klägerin schon nicht dargelegt, dass der im Richtigstellungsbescheid vom 24. Oktober 2008 bezeichnete Rechtsnachfolger --entgegen dem Vortrag des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--)-- nicht bereits in den Feststellungsbescheiden vom 18. Februar 2004 in eigener Person als Feststellungsbeteiligter aufgeführt und deshalb auch ihm gegenüber die angefochtenen Bescheide (bereits) bekannt gegeben worden sind. Ungeachtet dessen hat die Klägerin auch keine Umstände vorgetragen, nach denen der Rechtsnachfolger, selbst wenn er von Anfang an in den angegriffenen Bescheiden als solcher aufgeführt worden wäre, nach § 48 FGO neben der Klägerin klagebefugt gewesen wäre. Der (Gesamt-)Rechtsnachfolger tritt lediglich in die Rechtsposition seines Rechtsvorgängers ein; sowohl als Feststellungs- als auch als Prozessbeteiligter hat er die gleiche rechtliche Stellung wie der Rechtsvorgänger. Denn der Richtigstellungsbescheid benennt keinen neuen (weiteren) Feststellungsbeteiligten, sondern stellt --wie ausgeführt-- lediglich die Bezeichnung eines von dem Ausgangsbescheid bereits Betroffenen richtig (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 881). Auch folgt aus dem eigenen Regelungsgehalt dieses Bescheids nicht zwingend eine eigene Klagebefugnis des Rechtsnachfolgers nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 FGO (vgl. auch Ziff. 3 dieses Beschlusses). Daher ist im Streitfall keine Benachteiligung des Rechtsnachfolgers durch Anwendung des § 68 FGO auf den hier ergangenen Richtigstellungsbescheid ersichtlich, nachdem (bereits) die Klägerin als von der Feststellung betroffene Gesellschaft und gesetzliche Prozessstandschafterin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Oktober 2008 IV R 74/06, BFH/NV 2009, 725; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 48 Rz 1, 8 und 12) die später richtig gestellten Feststellungsbescheide angefochten hat.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen, soweit die Klägerin eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R 59/98 (BFHE 190, 19, BStBl II 2000, 170) rügt. Die Klägerin hat nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass in jenem Verfahren die gleiche konkrete Rechtsfrage zu entscheiden war wie im Streitfall und dass deshalb die Vorinstanz von dem bezeichneten BFH-Urteil abgewichen ist.
Nach jener BFH-Entscheidung ist --wenn in einem einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid ein Beteiligter unrichtig bezeichnet wurde-- die Berichtigung gemäß § 182 Abs. 3 AO durch Richtigstellungsbescheid nur solange möglich, als die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dabei hat der erkennende Senat in jenem Fall die Feststellungsverjährung mit der Begründung bejaht, dass diese nicht dadurch gehemmt werde, dass der Feststellungsbescheid von einer in ihm nicht als Inhaltsadressat aufgeführten Person angefochten wird. Diese Situation lag indes im Streitfall nicht vor, nachdem die nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugte Klägerin Klage erhoben hat. Hierbei kommt es nicht auf den Hinweis des FA an, dass --was die Klägerin erst nach Ablauf der Begründungsfrist bestritten hat-- (auch) der im Richtigstellungsbescheid als Rechtsnachfolger benannte Feststellungsbeteiligte bereits zuvor als Feststellungsbeteiligter und einer der Adressaten der angefochtenen Feststellungsbescheide aufgeführt gewesen sei. Im Übrigen gilt § 171 Abs. 3a AO auch für die Anfechtung von Feststellungsbescheiden (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 26a).
3. Soweit die Klägerin rügt, das Finanzgericht (FG) habe den Rechtsnachfolger einer feststellungsbeteiligten Gesellschafterin der Klägerin nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beiladen müssen, ist ein Verfahrensverstoß (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Denn § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO schließt eine notwendige Beiladung für Mitberechtigte aus, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Im Ausgangsfall bestand weder Streit, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO), noch Streit um eine Frage, die einen Beteiligten persönlich angeht (§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sich hieran durch den Erlass des Richtigstellungsbescheids etwas geändert hätte. Der dem Rechtsnachfolger gegenüber bekannt zu gebende Richtigstellungsbescheid nach § 182 Abs. 3 AO ist als ein selbständiger Verwaltungsakt anzusehen, dessen Regelungsgehalt nur die Richtigstellung ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 881; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 182 AO Rz 10, m.w.N.). Ein auf § 182 Abs. 3 AO gestützter Bescheid kann nach den allgemeinen Grundsätzen mit Rechtsmitteln angefochten werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 881; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 182 AO Rz 10; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 182 Rz 15; Kunz in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 182 AO Rz 24). Geschieht dies zu einem Zeitpunkt, zu dem der richtig gestellte Feststellungsbescheid bereits mit einer Klage angefochten ist, so wird --wie ausgeführt (Ziff. 1 dieses Beschlusses)-- nach dem insoweit zumindest entsprechend anzuwendenden § 68 FGO der Richtigstellungsbescheid Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens. Insoweit ist über den Streit um den Regelungsgehalt des Richtigstellungsbescheids in diesem Klageverfahren zu entscheiden. Die Klägerin hat indes nicht dargelegt, dass die Rechtsnachfolge als solche überhaupt im Streit gewesen ist. Kommt es jedoch darüber nicht zum Streit, so kann eine die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 FGO begründende Frage auch nicht nachträglich durch den Erlass eines Richtigstellungsbescheids Gegenstand des Rechtsstreits werden. Durch die Rechtsnachfolge allein erlangt ein Rechtsnachfolger noch keine eigene Klagebefugnis i.S. des § 48 FGO. Deshalb mangelt es im Streitfall auch an der schlüssigen Darlegung der Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO.
4. Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel in Gestalt einer Rüge der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend macht (vgl. dazu auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80), führt dies gleichfalls nicht zur Zulassung der Revision. Der Vortrag, dass sich dem FG die Frage nach der Feststellungsverjährung des Richtigstellungsbescheids hätte aufdrängen müssen, wenn es seiner Entscheidung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt hätte, berührt im Kern Fragen der dem materiellen Recht zuzuordnenden Rechtsanwendung, nicht aber solche der Ordnungsmäßigkeit des finanzgerichtlichen Verfahrens (z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Oktober 2006 X B 165/05, BFH/NV 2007, 42, und vom 19. Dezember 2007 X B 89/07, BFH/NV 2008, 599). Deshalb führt die Rüge der Klägerin auch nicht zur Zulassung der Revision, soweit sie als Angriff gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG zu verstehen ist (z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 81 f., m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2270939 |
BFH/NV 2010, 178 |