Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung eines FG-Urteils
Leitsatz (NV)
Unterläßt es das FG, in seinem Urteil auszusprechen, daß der Kostenschuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden darf, kann die Vollstreckung nur unter den Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO einstweilen eingestellt werden. Das gilt auch für das FA als Kostenschuldner.
Normenkette
FGO §§ 151-152; ZPO § 708 Nr. 10, §§ 711, 719 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte, Beschwerdeführer und Antragsteller (das Finanzamt - FA -) hat gegen das in der Hauptsache ergangene Urteil des Finanzgerichts (FG) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Das der Klage der Klägerin, Beschwerdegegnerin und Antragsgegnerin (Antragsgegnerin) - einer KG - zum weitaus überwiegenden Teil stattgebende Urteil enthält zwar den Ausspruch, daß das Urteil hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar sei, nicht aber den Zusatz, daß der Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden könne, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leiste. Der Antrag des FA, das Urteil insoweit zu ergänzen, blieb erfolglos.
Das FA begehrt nunmehr gemäß § 719 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 151 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Zur Begründung dieses Antrags trägt es vor, daß ihm bei einer Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil drohe. Die Klägerin existiere nicht mehr; die Rückzahlung erstatteter Kosten sei deshalb nicht gewährleistet, wenn das FA im Revisionsverfahren obsiege. Den Vortrag der Klägerin, daß die Haftung ihres persönlich haftenden Gesellschafters eine hinreichende Sicherheit für den möglichen Rückerstattungsanspruch des FA biete, könne es nicht bestätigen. Die Einkommensverhältnisse des persönlich haftenden Gesellschafters seien ihm nicht bekannt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag war abzulehnen.
1. Er ist zwar zulässig.
Unterläßt es das FG entgegen § 711 ZPO i.V.m. § 151 FGO in seinem Urteil die Abwendungsbefugnis zugunsten des Schuldners auszusprechen und hat es das FG abgelehnt, das Urteil insoweit gemäß § 716 ZPO i.V.m. § 109 FGO zu ergänzen, kann das Revisionsgericht auf Antrag anordnen, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird (§ 719 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 151 FGO; und dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. April 1981 IV S 3/81, BFHE 132, 407, BStBl II 1981, 402). Der Anwendung des § 719 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, daß das FA noch keine Revision eingelegt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, die Vollstreckung aus einem Urteil zu verhindern, das noch nicht rechtskräftig ist (vgl. BFH-Beschluß vom 22. August 1989 VII S 12/89, nicht veröffentlicht - NV -).
2. Der Antrag ist aber nicht begründet.
Die Zwangsvollstreckung ist nach § 719 Abs. 2 ZPO einstweilen einzustellen, wenn die Vollstreckung einen dem Schuldner nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür sind glaubhaft zu machen (§ 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Im Streitfall hat das FA nicht glaubhaft gemacht, daß ihm bei einer Vollstreckung ein unersetzlicher Schaden entstünde. Zwar ist unbestritten, daß die KG nicht mehr existiert. Der Anspruch auf Rückerstattung des zur Abwendung der Vollstreckung geleisteten Betrages kann jedoch im Haftungswege gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter der KG geltend gemacht werden (§§ 128, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Das FA hat nicht vorgetragen und nicht nachgewiesen, daß es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 294 ZPO; und dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 52. Aufl., Rdnr. 1 m.w.N.) auch mit diesem Anspruch voraussichtlich ganz oder teilweise ausfallen werde.
Von der Glaubhaftmachung der Anspruchsgefährdung kann nicht deshalb abgesehen werden, weil das FA eine öffentlich-rechtliche Behörde ist, der gegenüber der Kostenanspruch gesichert ist und es dem Kostengläubiger deshalb zugemutet werden kann, den endgültigen Ausgang des Prozesses abzuwarten. Der Gesetzgeber hat dieser Überlegung bei den Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen keine entscheidende Bedeutung beigemessen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 23. Juni 1972 III R 8/71, BFHE 106, 23, BStBl II 1972, 709).
Fundstellen
Haufe-Index 419677 |
BFH/NV 1994, 335 |