Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel hinsichtlich der Anforderungen an den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Leitsatz (NV)
Es bestehen ernstliche Zweifel, ob im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung durch Abholung eines Kfz die Anforderungen an das Aufzeichnen von Namen und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers so hoch gesteckt werden können, dass die im Zeitpunkt der Passausstellung gültige Anschrift des Abholers nicht ausreicht, wenn dessen Identität durch eine Kopie des Passes festgehalten wird.
Normenkette
UStG 1999 § 6a Abs. 3; UStDV 1999 § 17c Abs. 1, 2 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I. Streitig ist, ob der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) in zehn Fällen der Jahre 2000, 2001 und 2003 die von der Antragstellerin geltend gemachte Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Recht wegen mangelhafter Buch- und Belegnachweise nach § 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 i.V.m. §§ 17a bis 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1999 versagt hat.
Die Antragstellerin betreibt einen Handel mit Kfz aller Art. Dabei liefert sie auch Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm das FA an, dass in neun Beförderungsfällen (Abholung) und einem Versendungsfall die erforderlichen Belegnachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen von Gebrauchtwagen nicht erbracht worden seien; so hätten gültige Empfangsbestätigungen (§ 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV 1999) und Versicherungen über die Beförderung der Gebrauchtwagen in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999) der von den Abnehmern der Gebrauchtwagen beauftragten Abholer nicht vorgelegen. Aus den vorgelegten Belegen könne keine Verbindung zwischen den beauftragten Abholern und den Abnehmern hergestellt werden. Es fehle an gültigen Vollmachten der beauftragten Abholer, Handelsregisterauszügen der Abnehmerfirmen und Passkopien der Geschäftsführer der Abnehmerfirmen. Bei dem Versendungsfall mangele es an der Übereinstimmung zwischen Rechnung und Versandbeleg.
Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 2000 und 2001 vom 6. Dezember 2004 sowie den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2003 vom 10. Dezember 2004 blieben erfolglos.
Im Klageverfahren schränkte die Antragstellerin ihr ursprüngliches Änderungsbegehren insoweit ein, als --neben einer Versagung des Vorsteuerabzugs aus einer bestimmten Rechnung-- sie die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an die Firma X im Jahr 2000 nicht mehr beanstandete. Während des Klageverfahrens hatte das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der angefochtenen Bescheide zum größten Teil ausgesetzt.
Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Zur Begründung führt das FG im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe den Buchnachweis für die in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgten Lieferungen gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999 nicht erbracht; sie habe zwar in allen Abholfällen eine Kopie der Pässe der Abholer angefertigt, jedoch ergäben sich aus diesen nicht die im Zeitpunkt der Abholung, sondern nur die im Zeitpunkt der Passausstellung gültigen Adressen. Dies sei nicht ausreichend, weil die Abnehmerversicherungen nicht ohne weitere Ermittlungen durch Rückfragen an die angeblichen Abholer auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar seien. Im Übrigen sei die Steuerbefreiung im vorliegenden Versendungsfall deswegen zu versagen, weil in den Frachtpapieren die Abnehmerbestätigung fehle und im Fall der Abholung gemäß Rechnung vom 10. Juli 2000 der Versicherungsnachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 1999 gänzlich fehle.
Nachdem das FA den Antrag der Antragstellerin auf weitere Aussetzung der Vollziehung (AdV) für die Dauer des Revisionsverfahrens unter Hinweis auf das FG-Urteil abgelehnt hat, beantragt die Antragstellerin AdV durch den Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie beschränkt diesen Antrag auf die sieben Fälle, in denen das FG die Klage wegen des fehlenden Buchnachweises nach § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999 abgewiesen hat und beantragt AdV wie folgt:
2000: |
2 790,60 € |
2001: |
21 985,55 € |
2003: |
3 928,53 € |
Entscheidungsgründe
II. Der zulässige Antrag ist begründet. Es bestehen gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte. Der BFH kann als Gericht der Hauptsache i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO die Vollziehung aussetzen.
Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide bestehen deshalb, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der zugrunde liegenden Rechtsfragen bewirken (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182) und deshalb die von der Antragstellerin eingelegte Revision gegen das FG-Urteil vom 7. November 2006 Aussicht auf Erfolg hat. Bereits mit Beschluss vom 25. November 2005 V B 75/05 (BFH/NV 2006, 447) ist der Senat davon ausgegangen, dass nicht geklärt sei, welche Anforderungen an den Nachweis einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu stellen sind; weder ist bislang über die in diesem Beschluss genannten Entscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden, noch über alle hierzu beim BFH anhängigen Revisionen. Bei der Regelung in § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV 1999 handelt es sich um eine "Soll-Bestimmung", die die Generalklauseln über den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in § 6a Abs. 3 UStG 1999, § 17c Abs. 1 UStDV 1999 ausfüllt. Der Senat hat ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 FGO, ob die Anforderungen an das Aufzeichnen von Namen und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers so hoch gesteckt werden können, dass die im Zeitpunkt der Passausstellung gültige Anschrift des Abholers nicht ausreicht. U.a. hierüber wird im anhängigen Revisionsverfahren V R 65/06 zu entscheiden sein.
Fundstellen
BFH/NV 2007, 792 |
ASR 2007, 5 |