Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an eine unter dem Druck eines Steuerstrafverfahrens gemachte Zusage, die Klage zurückzunehmen
Leitsatz (NV)
Eine den Finanzbehörden gemachte Zusage des Klägers, die Klage zurückzunehmen, kann auch dann bindend sein, wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens von der vorherigen außergerichtlichen Einigung des Klägers mit den Finanzbehörden über die Besteuerung abhängig gemacht hat. Entscheidend ist, daß die Verknüpfung der Einstellung des Steuerstrafverfahrens mit der Einigung über die Besteuerung die Entschließungsfreiheit des Klägers nicht in erpresserischer und damit unstatthafter Weise beeinträchtigte.
Normenkette
FGO § 72; BGB § 242; StPO § 153a
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
1. Das Urteil des Finanzgerichts (FG), gegen das der Beklagte und Beschwerdeführer (Finanzamt X -- FA --) Revision einlegen will, beruht auf dem vom FA geltend gemachten Verfahrensmangel der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a) Nach den tatsächlichen und unstreitigen Feststellungen des FG hat der Geschäftsführer der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) dem Finanzamt Z im Mai 1991 zugesagt, die Klage gegen das FA wegen der Betriebsprüfungsanordnungen zurückzunehmen. Diese Zusage war Teil einer Vereinbarung, der eine mehrere Jahre dauernde Steuerfahndungsprüfung vorausging und die zu einer außergerichtlichen Erledigung des gesamten die Firmengruppe A betreffenden Steuerfalles führen sollte. Das FG hat die Zusage als unwirksam angesehen, weil sie unter der Drohung zustandegekommen sei, daß andernfalls das Steuerstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn A, nicht nach § 153 a der Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt werde. Aus der Unwirksamkeit der Zusage hat das FG hergeleitet, die Fortführung des Klageverfahrens durch die Klägerin sei keine zur Unzulässigkeit der Klage führende unzulässige Rechtsausübung.
b) Zutreffend hat das FA geltend gemacht, das FG hätte von Amts wegen aufklären müssen, wie es zu der Zusage gekommen ist.
Erst wenn die Umstände, die zur Vereinbarung vom Mai 1991 führten, geklärt sind, kann beurteilt werden, ob die Zusage durch den Einsatz unzulässiger Mittel erreicht wurde und die Klägerin daher ausnahmsweise nicht nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches; siehe Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 72 Rz. 4 m. w. N.) an die Zusage gebunden ist.
Auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag des FA bestand für das FG Anlaß, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Die in den Akten befindlichen und vom FA bezeichneten Schriftstücke lassen zwar erkennen, daß die Vereinbarung auch geschlossen wurde, um eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen A und den Steuerberater B, den jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, zu erreichen. Eines dieser Schriftstücke (das Schreiben des Verteidigers des B vom 31. Januar 1991 an seinen Mandanten) enthält zudem den Hinweis, der Staatsanwalt mache den "kurzfristigen" Abschluß des Strafverfahrens davon abhängig, "daß im Besteuerungsverfahren mit der Finanzverwaltung Einvernehmen erzielt werde". Die Schriftstücke lassen aber auch deutlich erkennen, daß der Ver teidiger des A und frühere Prozeßbevollmächtigte der Klägerin intensiv mit den Finanzbehörden und dem zuständigen Staatsanwalt über die einvernehmliche Erledigung des Steuerfalles und die Einstellung des Strafverfahrens verhandelt hat und im Verlaufe dieser Verhandlungen im Wege einer tatsächlichen Verständigung zahlreiche streitige Feststellungen der Fahnder von den Finanzbehörden fallengelassen wurden. Dies zeigt, daß die -- vom beschließenden Senat unterstellte -- Verknüpfung der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen A mit der Einigung über die Besteuerung und die Rücknahme der Klagen die betroffenen Steuerpflichtigen nicht daran hinderte, begründete Einwendungen gegen die Feststellungen der Fahnder mit Erfolg geltend zu machen. Anhaltspunkte dafür, daß die -- unterstellte -- Verknüpfung der Einstellung des Strafverfahrens mit der vorherigen Einigung im Besteuerungsverfahren die Entschließungsfreiheit des A in erpresserischer und damit unstatthafter Weise beeinträchtigte, lassen sich den Schriftstücken nicht entnehmen.
2. Ob die Revision auch wegen unzureichender Aufklärung der vom FA vorgetragenen das Feststellungsinteresse der Klägerin ausschließenden Tatsachen und wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist, kann ungeklärt bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 420649 |
BFH/NV 1995, 994 |