Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Revisionseinlegung durch eine juristische Person
Leitsatz (NV)
Eine unter dem Briefkopf einer juristischen Person (Beratungsgesellschaft) in der "Wir- Form" eingelegte und von einem Steuerberater "im Auftrag" unterschriebene Revision ist auch dann unzulässig, wenn der unterzeichnende Steuerberater nicht Organ der Beratungsgesellschaft ist und eine auf ihn lautende Untervollmacht der Beratungsgesellschaft vorlegt.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Wohnungsbaugesellschaft in der Rechtsform der GmbH.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1992 beantragte sie beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gemäß § 44 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes. Das FA lehnte den Antrag ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Beschwerdeverfahren erhobene Klage als unbegründet ab.
Gegen das Urteil des FG legte die Klägerin unter dem Briefkopf "Treuhand ... GmbH" (T-GmbH) Revision ein. Revisionsschrift und Revisionsbegründung sind in der "Wir- Form" abgefaßt. Die Erklärung über die Revisionseinlegung lautet: " ... legen wir namens und in Vollmacht der Klägerin ... Revision ein". Als Prozeßbevollmächtigte ist in der Revisionsschrift die "T-GmbH" benannt. Die Revisionsschrift ist von Steuerberater A "im Auftrag" unterschrieben. Der Revisionsschrift waren zwei Vollmachten beigelegt. Eine vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnete Vollmacht war für die "T- GmbH" ausgestellt. Die zweite als "Untervollmacht" bezeichnete Vollmacht lautete auf Steuerberater A, war von der T-GmbH ausgestellt und von deren Geschäftsführer unterzeichnet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und war zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muß sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG -- vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100). Für den Beteiligten muß ein gewillkürter Bevollmächtigter auftreten, der die persönlichen Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfüllt (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3 Tz. 6149). Eine von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Revision ist unzulässig (BFH-Beschlüsse vom 23. November 1978 V B 21/77, BFHE 126, 270, BStBl II 1979, 99; vom 31. Januar 1989 V B 6/89, BFH/NV 1990, 792). Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn eine bevollmächtigte Beratungs-GmbH durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten wird und dieser die persönlichen Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfüllt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Januar 1989 V B 158/88, BFH/NV 1990, 792; vom 19. März 1990 VIII R 64/89, BFH/NV 1990, 795; vom 6. Dezember 1990 III R 9/90, BFH/NV 1991, 762; vom 6. Juni 1991 V R 16/91, BFH/NV 1993, 28; vom 30. Juni 1992 VII B 121/92, BFH/NV 1993, 261, und vom 25. September 1992 VIII B 57/92, BFH/NV 1993, 187).
2. Im Streitfall wurde die Revision von der T-GmbH als Bevollmächtigte und nicht von Steuerberater A als Bevollmächtigtem oder Unterbevollmächtigtem der Klägerin eingelegt.
Ob die von einem angestellten Steuerberater einer Beratungs-GmbH unterzeichnete Revision persönlich oder namens der Gesellschaft für einen Mandanten eingeleget worden ist, beurteilt sich nach dem Wortlaut der abgegebenen Erklärungen und ggf. nach außerhalb der Erklärung liegenden Umständen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Mayer-Maly, § 133 Rdnr. 34, 44, 48; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 65 Rz. 14 ff.).
Im Streitfall sprechen die Gesamtumstände für eine durch die T-GmbH eingelegte Revision. Die Revision wurde unter dem Briefkopf der T-GmbH eingelegt und in der "Wir-Form" abgefaßt. Bei einer auf dem Briefbogen einer juristischen Person abgegebenen Erklärung spricht der erste Anschein für eine Erklärung der juristischen Person und gegen eine persönliche Erklärung der unterzeichneten Person (BFH-Beschlüsse vom 20. Januar 1987 VI R 28/86, BFH/NV 1987, 387; vom 9. November 1988 II R 20/86, BFHE 155, 23, BStBl II 1989, 109; vom 16. November 1989 V B 51/89, BFH/NV 1990, 254). Wird die Erklärung darüber hinaus in der "Wir-Form" abgefaßt, so deuten Wortlaut und Erklärungsinhalt verstärkt auf eine Erklärung der Gesellschaft. Anders als im Fall des BFH-Beschlusses vom 28. August 1991 I R 37/91 (BFHE 166, 100, BStBl II 1992, 282) kann die Wir-Form im Streitfall nicht als Erklärung zweier unterzeichnender natürlicher Personen gedeutet werden, da der Schriftsatz nur von Steuerberater A unterzeichnet ist. Es kommt hinzu, daß allein die T-GmbH in der Revisionsschrift als Prozeßbevollmächtigte bezeichnet ist.
Aus der zeitgleichen Vorlage einer Untervollmacht der T-GmbH ergibt sich nichts anderes. Aus der Untervollmacht ist zwar zu entnehmen, daß auch der Steuerberater A bevollmächtigt ist, die Klägerin vor dem BFH zu vertreten. Aus ihr ergibt sich aber nicht, daß Steuerberater A die Revisionsschrift als Bevollmächtigter der Klägerin und nicht als Bevollmächtigter der T- GmbH unterzeichnet hat, vielmehr spricht die Unterzeichnung der Revisionsschrift mit dem Zusatz: "im Auftrag" dafür, daß Steuerberater A nicht aufgrund einer ihm von der Klägerin erteilten Vollmacht, sondern nur im Auftrag und namens der Beratungsgesellschaft tätig wurde. Der Senat weicht daher mit seiner Entscheidung nicht von seinem Beschluß vom 8. November 1989 I B 68/89 (BFH/NV 1990, 587) ab.
Fundstellen
Haufe-Index 420650 |
BFH/NV 1995, 916 |