Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
Im NZB-Verfahren hat der Beschwerdeführer, der sich auf Nichtbeachtung seines Sachvortrags in der mündlichen Verhandlung beruft, einen Verfahrensmangel in Gestalt der Verletzung der Ermittlungspflicht nur dann ordnungsgemäß dargetan, wenn er vorträgt, er habe die vom FG ignorierte Sachbehauptung zu Protokoll erklärt.
Gesamtergebnis des Verfahrens i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist der gesamte durch das Klagebegehren begrenzte, durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierte Prozeßstoff. Hierzu gehört auch der gesamte Akteninhalt, d. h. auch die vorgelegten FA-Akten. Zur Rüge der Nichtbeachtung eines bestimmten Schreibens der FA-Akten gehört die Angabe, daß und wo sich dieses Schreiben in den dem FG vorgelegten FA- Akten befindet. Unterbleibt dies, so fehlt es an der genauen Bezeichnung der Tatsache, aus der sich der Verfahrensmangel ergibt.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 3 S. 3
Gründe
Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt -- FA --) wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die Beschwerde ist auch deshalb unzulässig, weil das FA einen Zulassungsgrund nicht i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt hat.
1. Divergenz
Die Bezeichnung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil des Finanzgerichts (FG) abweicht, erfordert die Darlegung durch den Beschwerdeführer, daß das FG seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmt. Hierzu sind abstrakte Rechtssätze des FG-Urteils und aus divergenzfähigen Entscheidungen des BFH einander gegenüberzustellen, so daß eine Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Das FA hat zwar als Rechtssatz des BFH wiedergegeben, daß Fehlmaßnahmen zur Vorbereitung eines Betriebs gewerblicher Art einer Gemeinde dann zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit einem vorhandenen Betrieb gewerblicher Art stehen. Es hat jedoch nicht kenntlich gemacht, daß das FG seiner Entscheidung einen von diesem Rechtssatz abweichenden zugrunde gelegt hat. Der Vortrag, das FG habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Freibad in den Streitjahren ein Betrieb gewerblicher Art gewesen sei, ist hierfür ungeeignet. Damit ist nicht dargetan, daß das FG eine andere Rechtsmeinung als der BFH vertreten hat. Dies könnte dann anzunehmen sein, wenn das FG es für entscheidungsunerheblich gehalten hätte, ob das Freibad ein Betrieb gewerblicher Art ist oder nicht und deshalb keine Feststellungen dazu getroffen hätte. Dies wird aber vom FA nicht behauptet. Tatsächlich ist das FG -- in Übereinstimmung mit den Beteiligten -- konkludent davon ausgegangen, daß es sich bei dem Freibad in den Streitjahren um einen Betrieb gewerblicher Art handelte. Es führt auf S. 17 seines Urteils aus: "Die Klin hat jedoch im Zusammenhang mit der Unterhaltung des Freibads ausschließlich steuerpflichtige Leistungen erbracht."
2. Verfahrensmängel
a) Die vom FA erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil das FA nicht dargetan hat, weshalb sich dem FG eine Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Die Beteiligten gingen -- wie sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt -- übereinstimmend davon aus, daß es sich bei dem Freibad um einen Betrieb gewerblicher Art der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) handelte. Der Hinweis auf die Umsatzsteuererklärungen und ein Schreiben der Klägerin vom 14. Dezember 1982 reicht demgegenüber nicht aus, das Erfordernis weiterer Ermittlungen darzulegen. Dies gilt auch für die Behauptung des FA, es habe in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß das Freibad kein Betrieb gewerblicher Art gewesen sei. Das FA hat nicht vorgetragen, daß es dies zu Protokoll erklärt habe.
b) Durch das Vorbringen des FA wird auch nicht ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO schlüssig gerügt. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Gesamtergebnis des Verfahrens ist der gesamte durch das Klagebegehren begrenzte, durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierte Prozeßstoff (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 96 Rdnr. 8). Zwar gehört hierzu auch der gesamte Akteninhalt, d. h. auch die vorgelegten FA-Akten. Hinsichtlich des vom FA in Bezug genommenen Schreibens der Klägerin vom 14. Dezember 1982, wonach das Freibad seit 1966 nicht als Betrieb gewerblicher Art geführt wurde, hat das FA nicht angegeben, ob und wo sich dieses Schreiben in den dem FG vorgelegten FA-Akten befindet. Insofern fehlt es an der genauen Bezeichnung der Tatsache, aus der sich der Verfahrensmangel ergibt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rdnr. 37). Die Bezeichnung der Unternehmen der Klägerin in den Umsatzsteuererklärungen 1980 und 1981, auf die das FA des weiteren hinweist, spricht zwar gegen die Annahme, daß das Freibad in den Streitjahren zu den Betrieben gewerblicher Art gehörte. Diese Annahme war aber im Verfahren vor dem FG zwischen den Beteiligten unstreitig. Auch dies ist ein zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehörender Umstand. Das FA hat nicht dargelegt, weshalb demgegenüber die Angaben in den Umsatzsteuererklärungen Vorrang haben sollten.
Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421381 |
BFH/NV 1996, 695 |