Entscheidungsstichwort (Thema)
Milchabgabe: Saldierungsregelungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht
Leitsatz (NV)
1. Die Zusatzabgabenverordnung findet eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG. Die fehlende Bezeichnung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlage in der Rechtsverordnung ist kein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG.
2. Die Regelung der Zusatzabgabenverordnung zur Saldierung von Überlieferungen mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 Sätze 2-3; ZusAbgV § 14
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 4 K 777/05 MOG) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger. Im Zwölfmonatszeitraum 2003/2004 überlieferte der Kläger seine Referenzmenge. Da sich diese Überlieferung durch eine Saldierung mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger weder auf Molkereiebene gemäß § 14 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I 2000, 27) in der im Streitfall maßgeblichen Fassung der zweiten Verordnung zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 14. Januar 2004 (BGBl I 2004, 89) noch gemäß § 14 Abs. 2 Zusatzabgabenverordnung vollständig ausgleichen ließ, meldete die Molkerei eine vom Kläger zu entrichtende Milchabgabe beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) an.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger geltend macht, dass die Zusatzabgabenverordnung gegen Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und die durch § 14 Zusatzabgabenverordnung vorgeschriebene Saldierungsmethode gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Zusatzabgabenverordnung im Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) und der Direktzahlungen eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage habe und der Umstand, dass die Verordnung lediglich die entsprechenden Vorschriften des MOG, nicht aber die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen nenne, auch keinen Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG darstelle.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Zusatzabgabenverordnung unwirksam sei, weil sie hinsichtlich der in § 14 Zusatzabgabenverordnung geregelten Saldierung von Über- und Unterlieferungen nicht Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 405/1) als Rechtsgrundlage angebe und somit das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verletze. Außerdem sei zu klären, ob die durch § 14 Zusatzabgabenverordnung vorgeschriebene vorrangige Saldierung auf Molkereiebene gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, da die Möglichkeiten der Saldierung bei den Molkereien sehr unterschiedlich seien, je nachdem wie viele Milchlieferanten die jeweilige Molkerei habe, die ihre Referenzmenge nicht ausnutzten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen sind nicht grundsätzlich klärungsbedürftig.
a) Der Senat hat bereits zur früheren Milch-Garantiemengen-Verordnung entschieden, dass insoweit § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sind und dass die in jenen Vorschriften enthaltene dynamische Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2003 VII B 309/02, BFHE 203, 243, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 17, m.w.N.). Zum einen ist der Gesetzgeber befugt, mit einer Verweisung auf Gemeinschaftsrecht Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen näher zu bestimmen. Zum anderen sind die für die Erhebung der Milchabgabe maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auch ausreichend bestimmt. Die im Zwölfmonatszeitraum des Streitfalls geltende VO Nr. 3950/92 regelt in Art. 1 und Art. 2 die Voraussetzungen für das Entstehen der Abgabenschuld sowie die Höhe der Abgabe, während die Durchführungsvorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor (ABlEG Nr. L 57/12) detaillierte Bestimmungen hinsichtlich der Berechnung und der Zahlung der Abgabe enthalten. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob sie auf der Ebene des Abnehmers (Molkerei) oder auf einzelstaatlicher Ebene bei der Abgabenfestsetzung Überlieferungen von Milcherzeugern mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger saldieren.
Des Weiteren hat sich der Senat in dem Beschluss in BFHE 203, 243, ZfZ 2004, 17 der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeschlossen, dass ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nicht darin zu sehen ist, dass in einer Rechtsverordnung lediglich das zugrunde liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht jedoch auch die gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage angegeben ist (vgl. BVerwG-Urteil vom 20. März 2003 3 C 10.02, BVerwGE 118, 70).
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, auch wenn --wie die Beschwerde vorträgt-- die vorstehend genannten Rechtsfragen gegenwärtig Gegenstand beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängiger Verfassungsbeschwerden sind. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Senat in dem von der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren dieses bis zur Entscheidung des BVerfG aussetzen müsste, zumal das BVerfG die gegen den Senatsbeschluss in BFHE 203, 243, ZfZ 2004, 17 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat.
Anders als die Beschwerde meint, ist es auch nicht erkennbar, dass die Wahrnehmung der den Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Auswahl, ob und in welcher Weise Saldierungen bei der Abgabenberechnung vorgenommen werden, eine derart bedeutsame und grundlegende Entscheidung ist, dass sie in verfassungsgemäßer Weise nur vom Gesetzgeber, nicht aber vom Verordnungsgeber getroffen werden kann.
Im Übrigen müsste der Kläger, auch wenn --wie die Beschwerde meint-- die Zusatzabgabenverordnung wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 GG nichtig wäre, die festgesetzte Milchabgabe gleichwohl entrichten, da sich die Rechtsgrundlagen für die Abgabenerhebung nicht in der Zusatzabgabenverordnung, sondern im Gemeinschaftsrecht finden. Für die vom Kläger im Streitfall begehrte Saldierung seiner Überlieferung mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger gäbe es indes, sollte die Zusatzabgabenverordnung nichtig sein, keine Rechtsgrundlage.
b) Die Saldierung gemäß § 14 Zusatzabgabenverordnung verstößt auch nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichbehandlungsgrundsatz, was keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Wie der Senat bereits entschieden hat, gibt es keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Saldierung (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2006 VII B 48/05, BFHE 213, 459, ZfZ 2006, 373), der auf sämtliche Erzeuger eines Mitgliedstaats unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu verteilen wäre, sondern gemäß Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung der Mitgliedstaaten, bei der Abgabenfestsetzung Saldierungen mit nicht in Anspruch genommenen Referenzmengen vorzunehmen, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, zwischen der Möglichkeit einer Saldierung auf Molkereiebene oder auf einzelstaatlicher Ebene zu wählen. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hat der Verordnungsgeber bei der Auswahl der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Saldierungsalternativen einen weiten Gestaltungsspielraum, der es ihm ermöglicht, regionale Unterschiede der Milcherzeugung in Deutschland, aber auch verwaltungsökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 213, 459, ZfZ 2006, 373). Nicht zuletzt in Anbetracht der Größe des Geltungsbereichs der Zusatzabgabenverordnung stellt es sich deshalb nicht als eine unter jedem denkbaren Gesichtspunkt sachwidrige Entscheidung dar, dass sich der Verordnungsgeber mit § 14 Zusatzabgabenverordnung dafür entschieden hat, Unterlieferungen zunächst auf der Molkereiebene zu "bereinigen", bevor die danach verbleibenden Unterlieferungen landesweit allen Milcherzeugern, die überliefert haben, zugutekommen. Abs. 8 der Erwägungsgründe zur VO Nr. 3950/92 macht deutlich, dass auch der Gemeinschaftsgesetzgeber in erster Linie die Molkerei für geeignet hält, die abgabenrechtlichen Vorgänge verzögerungsfrei abzuwickeln.
Es mag bei dem nach § 14 Zusatzabgabenverordnung vorgeschriebenen Saldierungsverfahren dazu kommen, dass ein einzelner Milcherzeuger je nachdem, wie viele Referenzmengen anderer Lieferanten der betreffenden Molkerei im jeweiligen Zwölfmonatszeitraum ungenutzt geblieben sind, bessere oder schlechtere Möglichkeiten der Saldierung hat als ein Milcherzeuger, der eine andere Molkerei beliefert. Hieraus folgt jedoch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da zum einen diese Unterschiede auf jederzeit sich ändernden Zufälligkeiten beruhen und das Verfahren gemäß § 14 Zusatzabgabenverordnung nicht etwa bestimmte Gruppen von Milcherzeugern strukturell in sachwidriger Weise bei der Abgabenfestsetzung benachteiligt und da es zum anderen --wie ausgeführt-- keinen Anspruch des einzelnen Milcherzeugers auf bestmögliche Saldierung seiner Überlieferung gibt; vielmehr bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, von Saldierungsregelungen ganz abzusehen.
2. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2196781 |
BFH/NV 2009, 1679 |