Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer. Wert des Erbanfalls eines Miterben der nicht die Gesellschafternachfolge antritt
Leitsatz (amtlich)
Der BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren wegen Erbschaftsteuer zur Klärung der Frage beizutreten, ob bei Personengesellschaften die Besonderheiten der Nachfolge nur eines Miterben in die Gesellschafterstellung aus bewertungsrechtlichen Gründen dazu führen können, daß der Wert des Erbanfalls an einen Miterben, der nicht zur Gesellschafternachfolge berufen ist, höher sein kann als der Wert des Nachlasses insgesamt.
Normenkette
FGO § 122 Abs. 2; ErbStG 1959 § 23; ErbStG 1974 § 12
Tatbestand
Die am 18. April 1970 verstorbene Mutter der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hat durch Testament ihre drei Kinder, die Kläger und ihren Bruder, nach gleichen Anteilen zu Erben eingesetzt. Sie hat weiterhin als Teilungsanordnung bestimmt, daß ein Sohn, der Bruder der Kläger, als ihr Nachfolger in die X-OHG eintreten solle. Sie hat Testamentsvollstreckung angeordnet und den Testamentsvollstreckern aufgegeben, den Nachlaß unter den Erben unter Ausgleichung der Teilungsanordnung auseinanderzusetzen. Im Zuge der Auseinandersetzung erhielt die Klägerin eine Forderung gegen den in die OHG nachrückenden Bruder in Höhe von insgesamt … DM, wovon … DM sofort zu zahlen (bzw. zu verrechnen) und der Rest in 120 Monatsraten zu tilgen war. Der Kläger erhielt im Zuge der Auseinandersetzung eine Forderung gegen seinen Bruder in Höhe von insgesamt … DM, die in Höhe von … DM sofort zahlbar (bzw. zu verrechnen), während der Rest in 120 Monatsraten zu tilgen war. Außer am Hausrat ist der in die OHG nachrückende Bruder an den Nachlaßgegenständen der Erblasserin außerhalb ihrer OHG-Beteiligung nicht beteiligt worden.
Der Gesellschaftsvertrag der OHG bestimmt, daß im Falle des Ablebens eines der Gesellschafter grundsätzlich seine Erben an seine Stelle treten sollten; im Interesse einer geschlossenen Geschäftsführung und der Erhaltung der Kapitalkraft der Firma soll jedoch stets nur eine einzige Person aus dem Kreis dieser Erben als „Nachfolger” anstelle des Verstorbenen in die Gesellschaft und die Firma eintreten. In dem Gesellschaftsvertrag wurde u.a. weiter die Nachfolge nach einem bereits verstorbenen Gesellschafter festgestellt und für einen anderen Gesellschafter die Erblasserin als Nachfolger bestimmt. Zweien der Gesellschafter wurde die Bestimmung des Nachfolgers durch Testament eingeräumt. Die Erblasserin war zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen noch nicht Gesellschafterin.
Durch vorläufigen Steuerbescheid vom 20. November 1975 hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA–) gegen die Klägerin … DM Erbschaftsteuer festgesetzt.
Durch vorläufigen Steuerbescheid vom gleichen Tage setzte das FA gegen den Kläger Erbschaftsteuer in Höhe von … DM fest.
Die Einsprüche wurden unter gleichzeitiger endgültiger Festsetzung der Erbschaftsteuer in gleicher Höhe als unbegründet zurückgewiesen. Den Klagen, mit denen die Kläger die Aufhebung der Steuerfestsetzungen begehrten, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Mit den Revisionen beantragt das FA, die Klagen unter Aufhebung der angefochtenen Urteile abzuweisen. Es rügt Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Für die Entscheidung über die Revision ist von Bedeutung, ob bei Personengesellschaften die Besonderheiten der Nachfolge nur eines Miterben in die Gesellschafterstellung aus bewertungsrechtlichen Gründen dazu führen können, daß der Wert des Erbanfalls an einen Miterben, der nicht zur Gesellschafternachfolge berufen ist, höher sein kann als der Wert des Nachlasses insgesamt. Der Senat hält es für erforderlich, die hiermit zusammenhängenden Fragen erneut grundsätzlich zu überprüfen. Er fordert deshalb den Bundesminister der Finanzen (BdF) auf, dem Revisionsverfahren beizutreten (§ 122 Abs. 2 FGO). Er bittet ihn, sich bis 15. März 1982 darüber zu äußern, ob er dem Verfahren beitritt, und bejahendenfalls bis zum 15. Mai 1982 zu den durch nachstehende Ausführungen aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen.
Mit Ausschnitten aus dem Fragenkomplex hat sich der Senat bisher vor allem in seinen Urteilen vom 28. Juli 1976 II R 145/71 (BFHE 120, 401, BStBl II 1977, 79), vom 16. März 1977 II R 11/69 (BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640) und vom 23. März 1977 II R 35/71 (BFHE 122, 537, BStBl II 1977, 730) befaßt. In diesen Entscheidungen ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, daß die Ansprüche der weichenden Miterben gegen den Hoferben nach § 13 der Höfeordnung für die (frühere) britische Besatzungszone mit ihrem Geldwert als aufschiebend bedingte gesetzliche Vermächtnisse zu besteuern sind und daß eine vom Erblasser verfügte Teilungsanordnung bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer des Miterben, der durch diese Anordnung begünstigt ist, zu berücksichtigen ist. Folge dieser Rechtsprechung ist, daß der nach § 23 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 bzw. § 12 ErbStG 1974 nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelte Wert des Vermögensanfalls eines Miterben höher sein kann als der ebenso ermittelte Wert des Nachlasses insgesamt. Bislang hat der Senat die Auffassung vertreten, daß diese Folge unvermeidbar sei, weil sie im Ergebnis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 1976 1 BvL 8/73 (BVerfGE 41, 269) über die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 zurückgeht.
Bei der erneuten Prüfung muß vor allem untersucht werden, inwieweit es Aufgabe der Rechtsprechung ist, trotz der unterschiedlichen Bewertungsvorschriften (zumindest im Ergebnis) eine gewisse Gleichbehandlung aller Miterben herbeizuführen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob einzelne Nachlaßgegenstände auf einen Miterben unmittelbar übergehen (z.B. aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Nachfolgeklausel, der Heimstättenerbfolge oder der Höfeordnung) und deshalb der Wert des unmittelbar übergegangenen Gegenstandes im Verhältnis der Miterben untereinander an die Stelle des Gegenstandes tritt, oder ob der Erblasser einen Nachlaßgegenstand durch Teilungsanordnung einem Miterben zugewiesen hat. In diesem Zusammenhang wird die Frage bedeutsam, inwieweit derartige erbrechtliche Vorgänge dem Bereich der Erbauseinandersetzung zugewiesen werden können, der für die Erbschaftsteuerfestsetzung grundsätzlich unbeachtlich ist. Dabei dürfte auch zu beachten sein, daß – obwohl die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer konzipiert ist – Freibeträge und Progression grundsätzlich bewirken, daß die auf den eigentlichen Nachlaß des Erblassers bezogene Gesamtsteuerbelastung bei Vorhandensein mehrerer Erben geringer wird. Wenn dies auch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist, so wird doch auch die Frage geprüft werden müssen, wie Ausgleichsansprüche bei gesetzlicher Erbfolge zu behandeln sind, deren Wert möglicherweise in keinem angemessenen Verhältnis zu dem bewertungsrechtlichen Wert des Nachlasses stehen. In die Überlegungen wird weiter einzubeziehen sein, wie die erbquotenmäßig bestimmten Erbersatzansprüche und Pflichtteilsansprüche, für die das nämliche gilt, zu behandeln sind.
Fundstellen