Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungskommission; Strohmann
Leitsatz (NV)
Es ist fraglich und ggf. erst im Hauptsacheverfahren zu entscheiden, ob die Annahme einer Leistungskommission daran scheitert, dass ein auf fremde Rechnung handelnder Unternehmer das von ihm vereinbarte Entgelt in vollem Umfang an den Geschäftsherrn herauszugeben hat.
Normenkette
UStG 1999 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 11; EWGRL 388/77 Art. 4, 6
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) war im Voranmeldungszeitraum April 2000 Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH (GmbH), die sog. Eintragungsofferten für ein privates Firmenauskunftsregister unterbreitete. Da die Eintragungsofferten Handelsregisterschreiben ähnelten, wurde die GmbH wiederholt wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb abgemahnt. Um die GmbH gegenüber derartigen Abmahnungen abzuschirmen, trat der Kläger als Offertenanbieter seit 1992 unter dem Namen verschiedener Verlage auf. Die "Verlage" verfügten nicht über eigene Mitarbeiter. Auch nach Einschaltung des Klägers erbrachte die GmbH die in den Offerten angebotene Tätigkeit. Sie sammelte die Anschriften potentieller Kunden und verfügte über die für den Druck und die Versendung der Offerten erforderlichen Einrichtungen. Die Buchführung der Verlage erfolgte durch die GmbH.
Zwischen den "Verlagen" des Klägers und der GmbH bestanden Treuhandverträge. Die "Verlage" erhielten nach § 4 der Verträge für ihre Tätigkeit keine Vergütung. Im Übrigen hatten die "Verlage" zwar gegenüber der GmbH Anspruch auf Aufwendungsersatz. Bei ihnen entstanden jedoch aus der unter ihrem Namen ausgeübten Tätigkeit keine Aufwendungen, so dass die GmbH keine Zahlungen an die "Verlage" leistete.
Der Kläger erstellte unter den Namen der Verlage Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis, zog daraus aber keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen, da er davon ausging, dass diese Tätigkeit der GmbH zuzurechnen sei.
Im Anschluss an eine bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Kläger nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1993 (UStG) wegen unberechtigten Steuerausweises in Anspruch, da der Kläger unter den Namen der jeweiligen Verlage nicht als Unternehmer tätig geworden sei. Die hiergegen eingelegte Klage hinsichtlich der Umsatzsteuer 1992 bis 1996 wurde wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.
In seiner Umsatzsteuervoranmeldung April 2000 erklärte der Kläger Vorsteuerbeträge in Höhe von 572 990,50 DM aus Rechnungen der GmbH, die zu einem Vergütungsanspruch in gleicher Höhe führten. Die GmbH hatte in diesen Rechnungen die vom Kläger in den Vorjahren eingenommenen und an die GmbH abgeführten Beträge erfasst. Diese Beträge stellte sie dem Kläger nunmehr mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung. Das FA lehnte den Vorsteuerabzug ab, da der Kläger nicht Unternehmer sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass der Kläger als Strohmann für die GmbH tätig gewesen sei. Aufgrund des Handelns im eigenen Namen gegenüber den Offertenempfängern seien ihm die gegenüber diesen Personen erbrachten Leistungen zuzurechnen, so dass er als Unternehmer anzusehen sei. Gleichwohl sei der Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da zwischen der GmbH und dem Kläger kein Leistungsaustausch stattgefunden habe. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger die Treuhandtätigkeit unentgeltlich ausgeübt habe. Auch die sog. Leistungskommission setze einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Auftraggeber und Beauftragten voraus.
Das Urteil des FG (5 K 228/02) ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2007, 1041 veröffentlicht.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Im Rahmen einer Leistungskommission habe die GmbH Leistungen an den Kläger erbracht. Der Kläger habe durch die Weiterleitung der von den Kunden vereinnahmten Zahlungen für die Leistungen der GmbH ein Entgelt erbracht. Ein Entgelt liege auch dann vor, wenn das herausgegeben werde, was durch die Geschäftsbesorgung erlangt werde. Einer weitergehenden, dem Kläger verbleibenden Vergütung bedürfe es nicht. Im Übrigen ergebe sich das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung zumindest daraus, dass dem Kläger nach §§ 662, 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zugestanden habe, der durch den Treuhandvertrag nicht ausgeschlossen worden sei. Darüber hinaus beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht der Kläger Arbeitslosenhilfe einschließlich Wohngeld in Höhe von … €; ab 1. September 2007 in Höhe von … €. Außerdem hat er erhebliche Schulden.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag auf Gewährung von PKH hat Erfolg.
a) Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dies anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht erfüllt ist, muss daher berücksichtigt werden, dass der Zweck der PKH darin besteht, eine möglichst weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Rechtsschutzsuchenden bei der Verwirklichtung des Rechtsschutzes zu gewährleisten und damit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen. Deshalb dürfen bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels keine zu großen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere dürfen im PKH-Verfahren keine schwierigen Rechts- oder Tatsachenfragen entschieden werden, deren Entscheidung grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Mai 2000 VI B 66/00, BFH/NV 2000, 1459; vom 17. Januar 2006 VIII S 6/05 (PKH), BFH/NV 2006, 801).
b) Danach ist im Streitfall, dessen Entscheidung von der Frage abhängt, ob der Kläger als Unternehmer zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der GmbH berechtigt ist, PKH zu gewähren. Denn die Frage, ob dem Kläger der Vorsteuerabzug versagt werden kann, hängt im Streitfall von schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen ab. So kann das Vorliegen einer Leistungskommission entgegen dem FG-Urteil möglicherweise nicht ohne weiteres mit dem Argument in Abrede gestellt werden, dass der Kläger kein Entgelt erhalten habe, da er die vereinnahmten Beträge in vollem Umfang an die GmbH herauszugeben hatte. Liegt eine Leistungskommission vor, wäre insoweit auf das von den Kunden erhaltene Entgelt abzustellen, das bei einer Vereinnahmung durch den Kläger nicht dadurch entfällt, dass der Kläger für den Leistungsbezug von der GmbH im Rahmen der Leistungskommission Entgeltszahlungen an die GmbH zu leisten hatte.
Die Entscheidung, ob tatsächlich eine Leistungskommission vorliegt und ob der Kläger überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit selbständig ausgeübt hat, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
2. Nach der vorliegenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i.V.m. der Anlage zu § 114 ZPO ist die PKH ratenfrei zu gewähren.
Fundstellen
Haufe-Index 2121495 |
BFH/NV 2009, 619 |