Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfeantrag des Beigeladenen im Rechtsmittelverfahren
Leitsatz (NV)
Einem Beigeladenen ist Prozeßkostenhilfe für die Rechtsverteidigung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erst dann zu bewilligen, wenn der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel begründet hat und wenn die Voraussetzungen für die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig offensichtlich nicht gegeben sind.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 119 S. 2
Tatbestand
Der Antragsteller war im Jahre 1982 Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die eine Gaststätte betrieb.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Mitgesellschafter des Antragstellers gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1982 abgewiesen. Das FG hat den Antragsteller zum Klageverfahren beigeladen. Die Kläger haben gegen das Urteil des FG vom 16. März 1989 Revision und zugleich gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller, der im finanzgerichtlichen Verfahren keine Anträge gestellt hat, hat mit Schriftsatz vom 20. September 1989 beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger als unzulässig zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 1989 hat er durch seinen Prozeßbevollmächtigten beantragt, ihm für das Beschwerdeverfahren VIII B 60/89 Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Vordruck (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) und ein Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz vom 16. Februar 1989 beigefügt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH ist nicht begründet.
Der Senat legt den Antrag vom 28. Juli 1989 dahin aus, daß der Antragsteller PKH lediglich für die Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren der Kläger (Az. VIII B 60/89), nicht aber für ein von ihm selbst durchzuführendes Beschwerdeverfahren begehrt. Denn der Antragsteller hat im Schriftsatz vom 28. Juli 1989 die PKH ausdrücklich für das Beschwerdeverfahren VIII B 60/89 beantragt.
Der Antrag ist abzulehnen, weil der Antragsteller zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren der Kläger nicht der Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater bedarf. Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO ist einem Beteiligten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 142 FGO i. V. m. § 119 Satz 2 ZPO).
Im Ausschluß mutwilliger Prozeßführung kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, daß PKH nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, als es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist. Dem Beteiligten, der auf Kosten der Allgemeinheit PKH in Anspruch nimmt, muß zugemutet werden, zulässige Maßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn diese im Einzelfall wirklich notwendig werden. Dabei ist gleichgültig, ob ein zahlungsfähiger Beteiligter in der gleichen Lage auf seine Kosten eine derartige Maßnahme schon früher ergreifen würde. Der Bundesgerichtshof (BGH) vertritt deshalb in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß einem Rechtsmittelgegner im allgemeinen PKH erst dann gewährt werden kann, wenn feststeht, daß das Rechtsmittel auch durchgeführt wird. PKH ist deshalb dem Rechtsmittelbeklagten, der in erster Instanz obgesiegt hat, erst dann zu bewilligen, wenn der Gegner sein Rechtsmittel begründet hat und die Voraussetzungen für die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig offensichtlich nicht gegeben sind (BGH-Beschlüsse vom 14. Oktober 1953 II ZR 127/53, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1954, 149; vom 30. September 1981 IV b ZR 694/80, NJW 1982, 446). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Sie beruht auf der zutreffenden Erwägung, daß eine Inanspruchnahme von PKH so lange nicht in Betracht kommen kann, als der Rechtsmittelbeklagte oder - wie hier - der Beigeladene auch noch auf einem einfacheren und billigeren Weg ohne Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten die Zurückweisung (Verwerfung) des eingelegten Rechtsmittels erreichen kann. Ein solcher Weg bietet sich stets, solange die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels nicht feststeht, da im Falle einer nicht rechtzeitigen oder formell nicht ordnungsgemäßen Begründung das Rechtsmittel von Amts wegen durch Beschluß zu verwerfen ist (vgl. §§ 124, 126 Abs. 1 FGO; für die Beschwerde: § 155 FGO i. V. m. § 574 ZPO).
Im Streitfall hat der Antragsteller die PKH zwar erst beantragt, nachdem die - rechtzeitig eingegangene - Beschwerdeschrift vorlag. Er hätte jedoch aus der Beschwerdebegründung ersehen können, daß es voraussichtlich nicht zu einer Sachentscheidung des Bundesfinanzhofs über die Nichtzulassungsbeschwerde kommen werde, weil die Kläger in ihrer Beschwerdeschrift keinen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 FGO entsprechenden Weise begründet haben. Das FA hatte bereits in seiner Beschwerdeerwiderung vom 6. Juli 1989 darauf hingewiesen, daß es die Beschwerde für unzulässig halte.
Unter diesen Umständen war die Hinzuziehung eines Prozeßbevollmächtigten für die Gewährung ausreichenden Rechtsschutzes für den Antragsteller nicht erforderlich.
Für dieses Ergebnis spricht auch die Überlegung, daß der Antragsteller lediglich als Beigeladener am Verfahren beteiligt ist. Ein Beigeladener erleidet im allgemeinen keine besonderen Nachteile, wenn er sich am Rechtsmittelverfahren nicht mit eigenen Anträgen beteiligt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Hauptbeteiligte die Verteidigung gegen das Rechtsmittel selbst mit der gebotenen Sorgfalt wahrnimmt. Insbesondere trifft das für die Verfahren der Revision und der Nichtzulassungsbeschwerde zu, in denen es nur auf Rechtsfragen ankommt. In diesen Fällen ist eine aktive Beteiligung des Beigeladenen oft unnötig und wird deshalb häufig unterlassen, wenn sie auf eigene Kosten geschehen müßte. Besondere Umstände, die - abweichend von der Regel - die Vertretung des Antragstellers im Verfahren der Zulässigkeitsprüfung nach § 155 FGO i. V. m. § 574 ZPO durch einen Prozeßbevollmächtigten erforderlich machen könnten, sind im Streitfall nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 416893 |
BFH/NV 1991, 473 |