Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach „billigem Ermessen“ nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (NV)
Angesichts der im Erlass des BMF und der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 3. August 2000 (BStBl I 2000, 1199) getroffenen Anordnung, in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen betreffend die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 rückwirkend § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 anzuwenden, entspricht es "billigem Ermessen" i.S. von § 138 Abs. 1 FGO, die Kosten des gesamten Verfahrens dem Finanzamt, das einen Abhilfebescheid erlassen hat, aufzulegen.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1, 2 S. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger beteiligte sich am 29. November 1993 mit einer Stammeinlage von 200 000 DM an der P-GmbH. Zu diesem Zweck war das frühere Stammkapital der GmbH von 200 000 DM um 200 000 DM auf 400 000 DM erhöht worden. Aufgrund einer am 20. Dezember 1995 übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft zugunsten der P-GmbH wurde der Kläger in Höhe von 50 000 DM in Anspruch genommen.
Im Mai 1996 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der P-GmbH mangels Masse abgewiesen.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1996 begehrten die Kläger, einen Verlust des Ehemannes i.S. von § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 250 000 DM (Anteil am Stammkapital 200 000 DM plus Inanspruchnahme aus der Bürgschaft 50 000 DM) zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte dies unter Hinweis auf § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 (BStBl I 1995, 438) ab, weil der Kläger die wesentliche Beteiligung weder im Rahmen der Gründung der GmbH noch mehr als fünf Jahre vor dem Zusammenbruch der GmbH entgeltlich erworben habe.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.
Mit der Revision haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt. Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am 7. Dezember 2000 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 1996, mit dem es im Hinblick auf den Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) und der Obersten Finanzbehörden der Länder (vom 3. August 2000 IV C 2 -S 2244- 35/00, BStBl I 2000, 1199) dem klägerischen Begehren in vollem Umfang abhalf.
Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt (vgl. Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 15. Dezember 2000 und Schreiben des FA vom 9. Januar 2001).
Die Kläger beantragen, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Rechtsstreit ist infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt. Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann auch in der Revisionsinstanz erklärt werden. Durch diese Erledigungserklärungen ist das angefochtene FG-Urteil einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Juli 1985 VIII R 47/84, BFH/NV 1987, 184, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 138 Rz. 11, m.w.N.). Der Senat hat nunmehr nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Januar 1994 V R 128/85, BFH/NV 1995, 918).
2. Gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind die Kosten der Behörde u.a. grundsätzlich dann aufzuerlegen, wenn ein Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wird. Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob diese Regelung auch bei der hier gegebenen Konstellation anzuwenden ist, dass die Finanzbehörde im Vorgriff auf eine beabsichtigte rückwirkende Gesetzesänderung zugunsten des Steuerpflichtigen (Kläger) einen Abhilfebescheid erlässt oder ob sich in diesem Fall die Kostenfolge nach § 138 Abs. 1 FGO bestimmt (streitig; vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 138 Rz. 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Selbst wenn man Letzteres befürwortet, entspricht es "billigem Ermessen" i.S. von § 138 Abs. 1 FGO, die Kosten des (gesamten) Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Denn durch die im Erlass der Obersten Finanzbehörden in BStBl I 2000, 1199 getroffene Anordnung, in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen betreffend die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 rückwirkend § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 anzuwenden, hat die Finanzverwaltung selbst eingeräumt, dass der vorherige § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 1996 von Verfassungs wegen der Korrektur bedürfe. So heißt es in diesem Erlass denn auch ausdrücklich, um "eine verfassungskonforme Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG sicherzustellen, (sei) vorgesehen, eine … Anwendungsregelung zu schaffen, nach der die Neuregelung bereits für Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 angewandt werden (solle)".
Fundstellen
Haufe-Index 585718 |
BFH/NV 2001, 936 |