Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründetheit einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO gestützten NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die Zulässigkeit einer NZB kann offengelassen werden, wenn die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist.

2. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe eine Fristsetzung zur Nachreichung der Vollmacht unterlassen (§ 62 Abs. 3 Satz 2 FGO), so fehlt es der NZB an der Begründetheit, wenn der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen ist, dem Prozeßbevollmächtigten wäre bei der Einräumung einer angemessenen Frist die Beschaffung der Vollmacht während des finanzgerichtlichen Verfahrens gelungen, und wenn die im NZB-Verfahren vorgelegte Vollmacht ein Datum nach der Zustellung der Vorentscheidung trägt.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine aus vier Architekten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, daß die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für das Streitjahr (1985) um denjenigen Betrag zu erhöhen sei, den die Klägerin von ihrer Haftpflichtversicherung im Hinblick darauf erhalten hatte, daß sie von einem Auftraggeber wegen behaupteter Planungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden war; der Auftraggeber hatte entsprechende Honorarkürzungen vorgenommen. Demzufolge setzte das FA die Umsatzsteuer entsprechend höher fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der jetzige Prozßbevollmächtigte namens der Klägerin Klage. Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) weigerten sich zwei der vier Architekten, dem Prozeßbevollmächtigten eine Prozeßvollmacht zu erteilen. Im Hinblick darauf wies das FG die Klage als unzulässig ab und belastete den Prozeßbevollmächtigten als vollmachtlosen Vertreter mit den Verfahrenkosten.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin, für die weiterhin der Prozeßbevollmächtigte auftritt, geltend, es liege ein Verfahrensmangel vor. Die Rechtssache habe auch grundsätzliche Bedeutung; vor Behebung des Verfahrensmangels werde hierzu aber nicht Stellung genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG sei festgestellt worden, daß nicht von allen vier Gesellschaftern die erforderlichen Vollmachten vorgelegen hätten. Das Vorhandensein einer ordnungsgemäßen Prozeßvollmacht sei Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage und durch das Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Es sei üblich, eine fehlende Vollmacht unter Einräumung einer Frist anzufordern. Ihr, der Klägerin, Prozeßbevollmächtigter habe davon ausgehen können, daß durch die Einreichung zweier Vollmachten den Anforderungen Genüge getan worden sei. Bei rechtzeitiger Abklärung der Frage nach zureichender Vollmachtserteilung hätten sich Prozeßhandlungen (mündliche Verhandlung, Erlaß eines Urteils usw.) vermeiden lassen. Im übrigen sei nicht auszuschließen, daß die fehlenden Vollmachten noch beigebracht werden könnten.

Im Beschwerdeverfahren hat der Prozeßbevollmächtigte später die beiden noch fehlenden Vollmachten eingereicht. Diese tragen das Datum vom 12. Juli 1989, während die Vorentscheidung der Klägerin am 26. Juni 1989 zugestellt worden ist.

Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin muß der Erfolg versagt bleiben; sie wird zurückgewiesen.

1. Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin überhaupt die formellen Anforderungen aus § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Begründung einer auf grundsätzliche Bedeutung und auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt hat (vgl. hierzu Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 61 f. und 65; zum Offenlassen der Zulässigkeit bei fehlender Begründetheit siehe Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344). Denn die Beschwerde ist jedenfalls zu beiden geltend gemachten Zulassungsgründen unbegründet.

2. Soweit sich die Klägerin auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), hat sie ausdrücklich davon abgesehen, ihre Beschwerde zu begründen. Angesichts dessen besteht kein Anhalt dafür, daß die für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles maßgeblichen Rechtsfragen das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren könnten (vgl. hierzu Gräber / Ruban, a. a. O., §§ 115 Anm. 7 ff.).

3. Soweit sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruft (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann), ergibt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht, daß dem FG ein Verfahrensmangel mit möglichem Einfluß auf die Vorentscheidung unterlaufen ist.

a) Die Klägerin spricht insoweit zwar die gerichtliche Verpflichtung an, zureichende Bevollmächtigung von Amts wegen zu prüfen (vgl. Gräber / Koch, a. a. O., § 62 Anm. 73), sowie die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, zur Nachreichung der Vollmacht eine Frist zu bestimmen (§ 62 Abs. 3 Satz 2 FGO; vgl. hier Gräber / Koch, a. a. O., §§ 62 Anm. 74 ff.). Dem Vorbringen der Klägerin ist jedoch nicht zu entnehmen, daß es ihr bei Einräumung einer angemessenen Frist gelungen sein würde, die beiden fehlenden Vollmachten im finanzgerichtlichen Verfahren zu beschaffen. Angesichts dessen ist nicht anzunehmen, daß das angefochtene Urteil zur Hauptsache oder zum Kostenpunkt anders ausgefallen wäre, wenn das FG von der durch § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte.

b) Nicht anderes gilt im Hinblick auf den Umstand, daß die beiden fehlenden Vollmachten im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt worden sind. Hieraus ergibt sich nicht etwa, daß rückwirkend von ausreichender Vertretungsmacht des Prozeßbevollmächtigten bereits vor dem FG auszugehen sei und das ergangene Prozeßurteil infolgedessen verfahrensfehlerhaft ergangen wäre. Zwar werden durch die Nachreichung einer Vollmacht grundsätzlich alle Prozeßhandlungen genehmigt. Bei einer Nachreichung in der Rechtsmittelinstanz gilt dies jedoch nur dann, wenn die Vollmacht bereits bei Erlaß des vorinstanzlichen Urteils ausgestellt war (vgl. die Nachweise bei Gräber / Koch, a. a. O., §§ 62 Anm. 85 ff.). Dies ist hier nicht der Fall; den die beiden zunächst fehlenden Vollmachten sind erst nach der Zustellung der Vorentscheidung ausgestellt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422851

BFH/NV 1992, 825

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