Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsabschlag wegen der Nähe zu Windkraftanlagen
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob die von Windkraftanlagen ausgehenden Immissionen eine Ermäßigung nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG rechtfertigen können, ist ohne weiteres zu bejahen und daher nicht klärungsbedürftig.
2. Die Frage, ob eine derartige Ermäßigung bei einer Entfernung zur Windkraftanlage von weniger als 2500 m zu gewähren ist, ist nicht allgemein zu beantworten, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles oder einer Gruppe von Einzelfällen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 82 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Für das Zweifamilienhaus des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist durch Bescheid vom 13. November 1991 im Ertragswertverfahren ein Einheitswert von 83 200 DM festgestellt worden. Im Januar 2001 beantragte der Kläger eine Wertfortschreibung, um eine Ermäßigung nach § 82 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 30 v.H. wegen zweier in der Nähe errichteter Windkraftanlagen zu erhalten.
Die Anlagen befinden sich südlich des am Ortsrand belegenen Hauses des Klägers in einer Entfernung von rd. 700 und 900 Meter und weisen eine Nabenhöhe von 60 Meter sowie einen Durchmesser des Rotors von 46 Meter auf. Der Kläger fühlt sich insbesondere nachts durch die von der Anlage ausgehenden Geräusche und tagsüber durch den im Winter bei niedrigem Sonnenstand auftretenden Schattenwurf sowie durch die Reflexionen der Sonnenstrahlen und die mit den Drehbewegungen des Rotors verbundene dauernde Unruhe beeinträchtigt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte eine derartige Ermäßigung mit Verfügung vom 27. März 2001 ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) kam nach einer tagsüber durchgeführten Ortsbesichtigung zu dem Ergebnis, zwar komme eine Ermäßigung nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG auch wegen der Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen in Betracht; im Streitfall lägen jedoch keine ungewöhnlich starken Beeinträchtigungen im Sinne dieser Vorschrift vor. Trotz starken Windes seien während der Ortsbesichtigung bei geschlossenen Fenstern keine von den Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche zu hören gewesen. Bei geöffneten Fenstern sei ein leichtes Sausen und Brummen zu vernehmen gewesen. Die Reflexionen, der so genannte Discoeffekt, sei nur bei genauem Hinsehen erkennbar gewesen. Bemerkbar gewesen sei allerdings eine von den Rotoren ausgehende Unruhe; aber auch dies sei nicht gravierend. Der Schattenwurf trete lediglich während zweier Wochen im Jahr für jeweils zwei Stunden auf.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie keinen Einzelfall betreffe, sondern wegen der vielen Windkraftanlagen in Norddeutschland eine große Zahl von Grundeigentümern. Mittlerweile habe auch der Hooge Raad der Nederlanden anerkannt, dass Grundstücke im Wirkungskreis solcher Anlagen von 2 500 Meter einen Wertverlust von 30 v.H. erlitten. Darüber hinaus rügt der Kläger eine Reihe von Verfahrensmängeln.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Soweit der Kläger geltend macht, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu, fehlt es an einer ausdrücklichen Angabe, wegen welcher Rechtsfrage die Sache von grundsätzlicher Bedeutung sein soll. Da das FG --im Übrigen zutreffend-- bereits ausgesprochen hat, dass die von den Windkraftanlagen ausgehenden Immissionen eine Ermäßigung nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG rechtfertigen können, die Immissionen im Streitfall jedoch nicht schwerwiegend genug seien, kann der Hinweis des Klägers auf die Vielzahl der Windkraftanlagen in Norddeutschland, die Vielzahl der betroffenen Grundeigentümer und das Urteil des Niederländischen Gerichts nur dahin verstanden werden, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung solle sein, ob die Nachbarschaft einer Windkraftanlage in einer Entfernung von weniger als 2 500 Meter allgemein zu einer Ermäßigung nach § 82 Abs. 1 BewG führe. Eine Rechtsfrage dieses Inhalts ist jedoch bereits angesichts der unterschiedlichen geografischen und baulichen Verhältnisse von vornherein zu verneinen. Es kann immer nur um eine Bewertung der Umstände des Einzelfalles oder einer Gruppe von Einzelfällen gehen. Diese Auffassung aber liegt --wie ausgeführt-- bereits der Vorentscheidung zugrunde.
2. a) Soweit der Kläger rügt, das FG habe nicht beachtet, dass die bei der Ortsbesichtigung festgestellten sonstigen Umgebungsgeräusche, die die der Windkraftanlagen überdeckt hätten, abends verlöschten und die besonders störenden rhythmischen Schlaggeräusche der Windkraftanlagen übrig blieben, macht er mangelnde Sachaufklärung geltend (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insoweit ist die Beschwerde jedoch unzulässig, da es an einer schlüssigen Darlegung fehlt, dass der Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gerügt wurde oder weshalb eine Rüge unterblieben ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, unter II. 1. b). Der Kläger trägt auch nicht vor, die Tageszeit der Beweisaufnahme durch Ortsbesichtigung bemängelt zu haben.
b) Mit der Rüge, das FG habe die Aufzeichnungen des Klägers über den von den Windkraftanlagen zur Nachtzeit vor seiner Haustür und bei geöffnetem Fenster im Schlafzimmer ankommenden Lärm nicht verwertet, macht er eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend, wonach das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat. Das FG brauchte jedoch auf diese Aufzeichnungen nicht näher einzugehen, da es sich dabei um vom Kläger selbst durchgeführte Messungen handelt, für deren physikalisch einwandfreie Durchführung keinerlei Gewähr besteht.
c) Mit der Rüge, das FG habe seinen Vortrag zur Wertminderung seines Grundstücks infolge der Windkraftanlagen nicht beachtet, macht der Kläger einen weiteren Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend, der jedoch nicht vorliegt. Das FG hält die Hinweise des Klägers auf entsprechende Aussagen in der Presse und im Internet vielmehr ausdrücklich für nicht aussagekräftig in Bezug auf das streitbefangene Grundstück. Das gilt auch für das Schreiben der X-Versicherungsmakler GmbH vom 23. August 2001, das kein Wertgutachten darstellt und dessen allgemein gehaltene Aussage nicht --etwa durch einen Vergleich mit tatsächlichen Verkaufsfällen-- näher begründet wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1560784 |
BFH/NV 2006, 1805 |