Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
1. Der Vortrag, die Staatsanwaltschaft habe erst drei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG die von ihr beschlagnahmten Akten frei gegeben, kann nicht als ausreichend erachtet werden, um eine mangelnde Prozessvorbereitung genügend zu entschuldigen und einen Antrag auf Terminverlegung hinreichend zu begründen.
2. Der Einwand der materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3; AO 1977 § 69; UStG § 18 Abs. 6; ZPO § 227 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.09.2003; Aktenzeichen 10 K 275/99) |
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (GmbH) einer GmbH & Co. KG (KG). Einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG lehnte das Amtsgericht im April 1997 mangels einer die Kosten des Konkursverfahrens deckenden Masse ab. Wegen rückständiger Umsatzsteuerschulden nebst Säumniszuschlägen nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 4. Februar 1998 als Haftungsschuldner in Anspruch. Im Wege der Schätzung ermittelte das FA eine Haftungsquote von 75 %. Die den Haftungszeitraum abdeckenden Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 1996 und 1997 sind inzwischen bestandskräftig geworden.
Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Zwar urteilte das Finanzgericht (FG), dass das FA den Kläger aufgrund dessen schuldhafter Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen habe, doch setzte es die Haftungssumme von insgesamt 127 340,98 DM auf 88 275,73 DM herab. Die Reduzierung der Haftungssumme begründete das FG damit, dass die gegenüber der KG für das Jahr 1997 festgesetzte Sondervorauszahlung nach § 18 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 46 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) auf die Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 1997 anzurechnen sei. Unbeanstandet ließ das FG die Schätzung der Haftungsquote. Zur Begründung führte es an, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Denn den von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen hätten die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und der Umfang ihrer Tilgung nicht entnommen werden können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger wegen der Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde, die er im Wesentlichen auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (grundsätzliche Bedeutung) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei im Streitfall die Frage nach dem Umfang der Mitwirkungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers. Tatsächlich sei der Kläger an der Vorlage der vom FA geforderten Unterlagen gehindert gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren habe er einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und schriftsätzlich vorgetragen, dass die Geschäfts- und Steuerunterlagen der KG von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und erst ca. vier Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung wieder freigegeben worden seien. Darüber hinaus sei das FA seiner Beweis- und Darlegungspflicht nicht nachgekommen und habe infolgedessen den Haftungszeitraum unzutreffend ermittelt. Auch deshalb bedürfe das Urteil der Überprüfung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Aus den im tatsächlichen Haftungszeitraum erbrachten Tilgungsleistungen und der Entwicklung der Verbindlichkeiten der KG sei ersichtlich, dass das FA weit mehr erhalten habe, als die übrigen Gläubiger der KG, weshalb von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers nicht ausgegangen werden könne. Schließlich habe das FG die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) verkannt. Denn es hätte sich in Anbetracht der von der KG tatsächlich auf die Umsatzsteuerschuld geleisteten Zahlungen zur Begründung der zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, der Kläger habe sich nicht um die Tilgung der Steuerschulden der KG gekümmert.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
a) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Denn mit der Behauptung, der Kläger sei tatsächlich daran gehindert gewesen, die zur Berechnung der Haftungsquote notwendigen Angaben zu machen und entsprechende Unterlagen vorzulegen, wird weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert, noch die Klärungsbedürftigkeit einer solchen hinreichend dargelegt. Auch nicht ansatzweise setzt sich die Beschwerde mit dem umfangreichen Schrifttum und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Mitwirkungspflicht des GmbH-Geschäftsführers (vgl. hierzu Senatsentscheidungen vom 28. März 2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, und vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322, m.w.N.) auseinander. Vielmehr bezieht sich der Kläger auf die Besonderheiten des Streitfalles und rügt die Zurückweisung seines Antrages auf Terminverlegung und die Nichtberücksichtigung seines Vortrages hinsichtlich der Unmöglichkeit der Wahrnehmung seiner Mitwirkungspflicht.
Selbst wenn diesem Vorbringen die Rüge eines Verfahrensmangels (Verletzung des Anspruches auf Gewährung des rechtlichen Gehörs - vgl. BFH-Entscheidung vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579) entnommen werden könnte, käme eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn die Entscheidung des FG, den Verhandlungstermin nicht zu verlegen, ist nicht zu beanstanden. Das FG war nicht verpflichtet, dem in der Verhandlung "in letzter Minute" gestellten Antrag stattzugeben. In Anbetracht des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft die von ihr beschlagnahmten Akten drei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung freigegeben hat, reicht der Vortrag, die Akten hätten einer umfangreichen Überprüfung unterzogen werden müssen, nicht aus, um die behauptete mangelnde Vorbereitung genügend zu entschuldigen (vgl. § 227 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, und BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2003 V B 2/03, nicht veröffentlicht).
b) Auch mit der Behauptung, das FA habe den Haftungszeitraum unzutreffend festgelegt, wird keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung herausgestellt. Vielmehr rügt der Kläger die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils. Dieser Einwand kann jedoch nicht zu einer Zulassung der Revision aus dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung führen.
c) Mit den weiteren Ausführungen wendet sich der Kläger gegen die vermeintlich fehlerhafte Ermittlung der Haftungsquote und stellt zu diesem Zweck die in verschiedenen Zeiträumen bestehenden Verbindlichkeiten den in den dargestellten Zeiträumen geleisteten Zahlungen gegenüber. Damit versucht er den im erstinstanzlichen Verfahren versäumten Tatsachenvortrag nachzuholen, wirft aber keine Rechtsfrage auf, der über den Einzelfall hinaus eine Bedeutung für die Allgemeinheit zukommen könnte.
d) Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das FG die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 AO 1977 verkannt habe, rügt er im Kern seines Vorbringens die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalles durch das erstinstanzliche Gericht. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen jedoch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1241207 |
BFH/NV 2004, 1662 |