Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer des Geldvermächtnisnehmers bei Übertragung eines Grundstücks(anteils) an Erfüllungs Statt
Leitsatz (NV)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Vermächtnisnehmer, der nach dem Testament des Erblassers prozentual an dem Veräußerungserlös eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks beteiligt werden soll, dem jedoch aufgrund einer Vereinbarung mit dem Erben an Erfüllungs Statt ein Miteigentumsanteil an dem betreffenden Grundstück übertragen wird, den anteiligen Verkaufswert oder den anteiligen Einheitswert des Grundstücks der Erbschaftsteuer unterwerfen muß.
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 12 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Eheleute, Antragsteller) sind Vermächtnisnehmer der im Jahre 1989 verstorbenen Erblasserin. Nach deren notariell beurkundetem Testament sollten die Antragsteller je einen Betrag erhalten, der einem Viertel des aus dem Verkauf des Hauses X-Straße in Y erzielten Erlöses entsprach.
Das Hausgrundstück wurde indessen nicht verkauft. Die Antragsteller einigten sich vielmehr mit den Erben darin, daß ihnen in Erfüllung des Vermächtnisses je 1/4 Miteigentumsanteil an der Immobilie zu übertragen sei.
Dessen ungeachtet unterwarf der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) den anteiligen Verkaufswert von je 1/4 Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück, den er mit 87500 DM ermittelte, der Erbschaftbesteuerung und setzte mit den berichtigten Bescheiden vom 3. September 1991 gegen die Antragsteller Erbschaftsteuer in Höhe von jeweils 20280 DM fest.
Die Einsprüche der Antragsteller wies das FA als unbegründet zurück. Über die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Mit ihrem beim FG gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begehrten die Antragsteller, die Vollziehung der angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide jeweils hinsichtlich eines Teilbetrages von 18880 DM auszusetzen. Sie trugen vor, sie hätten tatsächlich keinen Geldbetrag, sondern einen Anteil am Grundstück erhalten. Hiervon sei auch bei der Erbschaftsbesteuerung auszugehen. Danach sei nur der erhöhte anteilige Einheitswert zu berücksichtigen und die Erbschaftsteuer folglich mit nur 1400 DM festzusetzen.
Das FG gab dem Aussetzungsantrag statt.
Mit der Beschwerde beantragt das FA, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen. Es meint, die Entscheidung des FG vermöge nicht zu überzeugen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe wiederholt entschieden, daß die Bewertung mit dem Einheitswert grundsätzlich auf solche Wirtschaftsgüter zu beschränken sei, für die das Gesetz diese Bewertung vorsehe. Das Vermächtnis sei deshalb mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§§ 12 Abs. 1, 9 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 - ErbStG 1974 -).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Zu Recht hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide insoweit gehegt, als es die streitigen Erbschaftsteuer-Teilbeträge von je 18880 DM betrifft.
a) In seinem Urteil vom 17. Februar 1982 II R 160/80 (BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350) hat der erkennende Senat entschieden, daß der Besteuerung eines nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) steuerpflichtigen Erwerbs von Todes wegen der Einheitswert des Grundstücks zugrunde zu legen sei, wenn einem Pflichtteilsberechtigten ein Grundstück an Erfüllungs Statt zur Befriedigung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs übertragen werde. Er hat dies maßgeblich damit begründet, eine Zusammenschau von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) und § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974) erweise, daß die Leistung an Erfüllungs Statt zur Befriedigung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs als der für die Erbschaftbesteuerung maßgebliche Erwerb von Todes wegen anzusehen sei. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974) gelte als vom Erblasser zugewendet auch das, was als Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt werde. Erhalte der Pflichtteilsberechtigte zur Abfindung seines entstandenen Pflichtteilsanspruchs ein Grundstück, so sei der Einheitswert dieses Grundstücks Besteuerungsgrundlage (§ 23 Abs. 2 ErbStG 1959 = § 12 Abs. 2 ErbStG 1974). Wenn aber beim Erwerb eines Grundstücks für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch, d.h. bei Erfüllung des Auffangtatbestandes des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974), Besteuerungsgrundlage der Einheitswert dieses Grundstücks sei, so wäre es unverständlich, wenn bei Erfüllung des Grundtatbestandes des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974), also beim Erwerb eines Grundstücks an Erfüllungs Statt zur Befriedigung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs durch den Pflichtteilsberechtigten, der Geldwert des Pflichtteilsanspruchs Besteuerungsgrundlage sein sollte. Hieraus folge, daß die Erbschaftsteuer in Fällen dieser Art mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs dem Grunde nach entstehe, daß aber die spätere Leistung an Erfüllungs Statt ggf. zu einer Veränderung der vorher bereits entstandenen Erbschaftsteuer führen könne (vgl. § 175 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
b) Einerseits läßt sich mit guten Gründen die Auffassung des FA vertreten, daß für die Bewertung des Vermächtnisses der Anspruch des Begünstigten maßgebend sei, wie er sich aus der letztwilligen Verfügung des Erblassers ergibt und daß deshalb eine hiervor abweichende Vereinbarung zwischen Erben und Vermächtnisnehmer über die Leistung eines anderen Gegenstandes an Erfüllungs Statt ohne erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung sei (vgl. z.B. Petzoldt, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 74; Moench, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, § 3 Rdnr. 68).
Andererseits gibt es aber auch plausible Gründe dafür, die vom erkennenden Senat im Urteil in BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350 zur Befriedigung eines Pflichtteilsanspruchs durch Übereignung eines Grundstücks an Erfüllungs Statt entwickelten Grundsätze (vgl. oben unter II. 1. a) auf den Streitfall zu übertragen (vgl. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 3 Rdnr. 43; Kapp, Das Erbschaftsteuergesetz, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 171; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 3 Rdnr. R.88, Anmerkung, und § 3 Rdnr. 44; Piltz, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1991, 1108). Dafür spricht, daß es sich in beiden Fällen - d.h. beim Pflichtteilsanspruch und beim hier in Rede stehenden Geldvermächtnisanspruch - um schuldrechtliche Ansprüche handelt, die zunächst auf Geld gerichtet sind und hier wie dort § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 den Grundtatbestand und § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974 den Auffangtatbestand bildet.
Der Senat braucht im vorliegenden summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, welcher Wert (Geldwert des Vermächtnisanspruchs oder erhöhter Einheitswert des an Erfüllungs Statt übereigneten Grundstücksanteils) für die Erbschaftbesteuerung maßgebend ist. Jedenfalls zeigen die vorstehenden Erwägungen, daß in bezug auf die angefochtenen Erbschaftsteuer-Bescheide neben den für deren Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen... bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).
Fundstellen
Haufe-Index 419475 |
BFH/NV 1994, 372 |