Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung ausgefallener Mineralölsteuer; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
- Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn auf den konkreten Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen.
- Die Rechtzeitigkeit von Mahnung und gerichtlicher Geltendmachung der Forderung i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV ist von der Rechtsprechung des BFH jedenfalls insoweit geklärt, dass ein den Vergütungsanspruch ausschließender Systemfehler im Rechnungs- und Mahnwesen anzunehmen ist, wenn von der Lieferung des versteuerten Mineralöls bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Kaufpreisforderung mehr als 60 Tage (im Streitfall: drei Monate) verstreichen können.
Normenkette
MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; BGB § 284 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Mineralölhändlerin, begehrt von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) wegen Zahlungsunfähigkeit eines Abnehmers von versteuertem Benzin und Dieselkraftstoff die Vergütung des in ihrer ausgefallenen Kaufpreisforderung enthaltenen Mineralölsteueranteils in Höhe von … DM. Dieser entfällt auf 24 Lieferungen in der Zeit vom 8. August bis zum 10. September 1996, die jeweils erst einige Tage nach der Lieferung dem Abnehmer in Rechnung gestellt worden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle verwiesen, welche das Finanzgericht (FG) auf Seite 5 seines Urteils zusammengestellt hat.
Das FG urteilte im Wesentlichen, der ablehnende Bescheid des HZA sei rechtmäßig, weil der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Die letzte der 24 Lieferungen betreffe Heizöl und scheide damit von vornherein aus der Betrachtung aus. Die anderen 23 Lieferungen seien nicht rechtzeitig unter Fristsetzung angemahnt worden. Für die erste Lieferung sei überhaupt keine Mahnung unter Fristsetzung erfolgt; für die übrigen Lieferungen sei erstmals am 29. Oktober 1996 unter Fristsetzung und Androhung der Erwirkung eines gerichtlichen Mahnbescheids gemahnt worden. Das sei zu spät gewesen, da zu diesem Zeitpunkt für die den Rechnungen vom 14. August bis 2. September 1996 zugrunde liegenden Lieferungen (Nr. 1 bis 17) bereits 60 bis 81 Tage verstrichen gewesen seien; hinsichtlich der letzten Lieferung vom 10. September 1996 seien immerhin bereits 50 Tage verstrichen.
Auch die gerichtliche Geltendmachung sei zu spät erfolgt. Von den ersten Lieferungen ab 8. August 1996 bis zur Beantragung des Mahnbescheids am 13. November 1996 seien mehr als drei Monate vergangen. Selbst wenn man für die letzten Lieferungen die Zeit bis zur Beantragung des Mahnbescheids noch als ausreichend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ansehe (BFH-Beschluss vom 1. Juni 2001 VII B 232/00, BFH/NV 2001, 1609, unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98, BFHE 188, 217), führe dies nicht zur Vergütungsfähigkeit der entsprechenden Ansprüche. Wenn nämlich nach dem Rechnungs- und Mahnwesen der Klägerin von der Belieferung bis zur gerichtlichen Geltendmachung mehr als drei Monate verstreichen könnten, so liege darin ein Systemfehler, der alle streitgegenständlichen Lieferungen gleichermaßen betreffe. Dieser sei umso gravierender, als nach der konkreten Vertragsabwicklung, bei der es die Klägerin ihrem Abnehmer durch Zuteilung von Kontingentnummern ermöglicht habe, innerhalb eines Monats Mineralöl im Wert von fast 1 Mio. DM von Tanklagern anderer Firmen zu beziehen, ohne etwas dafür zu bezahlen, ein erhebliches Ausfallrisiko für die Klägerin bestanden habe. So hätten die offenen Forderungen am 29. Oktober 1996, dem Zeitpunkt der Mahnung unter Fristsetzung, ca. 900 000 DM betragen. Gleichwohl habe die Klägerin weitere zwei Wochen bis zur Beantragung des Mahnbescheids verstreichen lassen. Damit liege auch keine rechtzeitige gerichtliche Verfolgung der Zahlungsansprüche vor.
Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da sie den Begründungsanforderungen nicht entspricht.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln. Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat. Die Rechtsfrage ist auch nicht klärungsbedürftig, wenn auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtpunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (vgl. den BFH-Beschluss vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, mit einer Zusammenfassung dieser Rechtsgrundsätze).
b) Im Streitfall ist zunächst nicht klar, welcher konkret formulierten Rechtsfrage die Klägerin grundsätzliche Bedeutung beimisst. Sollte sie der Auffassung sein, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien darin zu sehen, "in wie Weit nach den unter I aufgezeigten Kriterien eine ordnungsgemäße Zahlungserinnerung von der Beschwerdeführerin erfolgt ist, ob die Außenstände ordnungsgemäß überwacht wurden und eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung erfolgt war", so hat die Klägerin damit keine abstrakt formulierten Rechtsfragen aufgeworfen, die über ihren konkreten Fall hinaus für die Allgemeinheit von Bedeutung sein könnten. Vielmehr beanstandet die Klägerin damit lediglich, dass das FG den von ihr unter I. geschilderten Sachverhalt, also ihren konkreten Fall, im Hinblick auf die ordnungsgemäße Zahlungserinnerung, die ordnungsgemäße Überwachung der Außenstände und die rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung falsch entschieden habe, wie insbesondere einzelne hierzu aus dem angefochtenen Urteil herausgegriffene und von der Klägerin beanstandete Sätze zeigen. Mit dem Vorbringen allein, das FG habe diese Fragen unrichtig entschieden, kann die Klägerin aber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden, denn etwaige Rechtsanwendungsfehler sind als solche jedenfalls bei der Grundsatzrevision kein Zulassungsgrund.
Im Übrigen hat sich die Klägerin nicht genügend mit der vorhandenen Rechtsprechung des BFH zur Rechtzeitigkeit von Mahnung und gerichtlicher Geltendmachung i.S. von § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) auseinander gesetzt (vgl. die Beschlüsse in BFHE 188, 217, und in BFH/NV 2001, 1609, und insbesondere die BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 2001 VII B 53/00, BFH/NV 2001, 1304, und vom 8. Februar 2000 VII B 269/99, BFHE 191, 179). Hätte sie es getan, hätte sie festgestellt, dass sich das FG mit seiner Rechtsanwendung vollkommen innerhalb der Grundsätze und Leitlinien bewegt, die der Senat mit dieser Rechtsprechung zu den genannten Punkten aufgestellt hat. Entscheidendes Gewicht kommt dabei dem Systemfehler zu, den das FG im Rechnungs- und Mahnwesen der Klägerin festgestellt hat. Wenn von der Belieferung bis zur gerichtlichen Geltendmachung mehr als drei Monate verstreichen können, dann entspricht das ganze System nicht den strengen Anforderungen, die § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV an das Rechnungs- und Mahnwesen desjenigen stellt, der einen Vergütungsanspruch mit Erfolg geltend machen will. Wer die Frist von ca. 60 Tagen, die der Senat für angemessen hält (vgl. z.B. Senat in BFH/NV 2001, 1304), so wesentlich überschreitet und so großzügig verfährt, was ihm im Geschäfts- und Wirtschaftsleben selbstverständlich unbenommen bleibt, darf nicht damit rechnen, bei einem schließlichen Ausfall seiner Forderungen durch die Allgemeinheit entschädigt zu werden (BFH in BFH/NV 2001, 1609). Die Klägerin hat hierzu keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die in einem künftigen Revisionsverfahren zu einer Überprüfung der Rechtsprechung des Senats und ggf. zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten. Entsprechendes gilt für das lange Zuwarten von zwei Wochen auf die Mahnung unter Fristsetzung (acht Tage) vom 29. Oktober 1996, ehe die Klägerin den Mahnbescheid beantragt und damit die gerichtliche Geltendmachung ihrer Forderung in die Wege geleitet hatte.
c) Die Klägerin sieht ferner augenscheinlich in der von ihr aufgeworfenen Frage, ob das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I, 330) mit der Anfügung des § 284 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB― (i.d.F. bis 31. Dezember 2001), wonach der Schuldner einer Geldforderung abweichend von den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung automatisch in Verzug kommt, einen Einfluss auf die bisherige Rechtsprechung des BFH haben könnte, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Klägerin ist allerdings in der Beschwerdeschrift eine Darlegung dafür schuldig geblieben, weshalb die Beantwortung dieser Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein könnte, zumal sich das FG in der angefochtenen Entscheidung mit dieser Frage gar nicht befasst hat. Mithin fehlt es jedenfalls an der Darlegung der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren. Außerdem wird die über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung dieser Rechtsfrage für die Allgemeinheit nicht angesprochen, was aber erforderlich gewesen wäre, weil der Inhalt des § 284 Abs. 3 BGB a.F. so nicht in das seit 1. Januar 2002 geltende BGB übernommen worden ist (s. jetzt § 286 Abs. 3 BGB n.F.), es sich bei § 284 Abs. 3 BGB a.F. also nur um übergangsweise geltendes Recht gehandelt hat.
2. Hinsichtlich der gerügten Verfahrensmängel sind die Anforderungen an die Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) ersichtlich nicht erfüllt. Unter Hinweis auf Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 48 und insbesondere 49 (Verzicht durch Unterlassung einer Rüge) ergeht die Entscheidung insoweit ohne Begründung, weil eine Begründung nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz erste Alternative FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 870802 |
BFH/NV 2003, 208 |