Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegung von Revisionszulassungsgründen, Einwendungen gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs durch das FG begründen nur ausnahmsweise einen Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
- Mit bloßen Einwendungen gegen die rechtliche Würdigung des FG wird die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend belegt.
- Betrifft die geltend gemachte Gehörsverletzung einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte, setzt die Rüge insbesondere den substantiierten Vortrag voraus, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das FG nicht berücksichtigt habe, und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens das Urteil des FG ‐ ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung ‐ anders hätte ausfallen können.
- Mit der Rüge des Fehlens der Gründe sind die Klagegründe und die Angriffs- oder Verteidigungsmittel anzugeben, zu denen das FG nicht Stellung genommen hat.
- Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden. Ein Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör oder den gesetzlichen Richter. Mit der Beschwerde sind diese Gründe substantiiert vorzutragen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 128 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Hamburg (Urteil vom 18.11.2002; Aktenzeichen II 744/99) |
Nachgehend
Gründe
Von der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie wird verworfen.
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, entspricht die Beschwerde nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage herauszuarbeiten und zu erörtern, inwieweit diese Rechtsfrage im allgemeinen Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig ist. Hierzu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. Beschluss des Senats vom 17. April 2002 III B 164/01, BFH/NV 2002, 1028, m.w.N.).
Die Klägerin sieht als grundsätzlich bedeutsam an, ob bei einer sogenannten Wochenendehe mit doppelter Haushaltsführung die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer gegeben sind sowie ob für die Zeit eines Versöhnungsversuchs von Ehegatten andere Maßstäbe für die Zusammenveranlagung gelten als für die Zeit einer Ehe, in der kein Scheidungsantrag gestellt ist. Damit hat die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Fragen indes lediglich behauptet. Es fehlt sowohl an einer Auseinandersetzung mit der zu den Voraussetzungen der Zusammenveranlagung vorhandenen Rechtsprechung und Literatur sowie auch an substanziierten Angaben dazu, inwieweit den gestellten Fragen über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Mit bloßen Einwendungen gegen die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts (FG) wird die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht hinreichend belegt (Senatsbeschluss vom 7. Januar 2002 III B 61/01, BFH/NV 2002, 666).
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Die Klägerin rügt, das FG habe ihr kein rechtliches Gehör gewährt. Es habe ihren Vortrag, während der gesamten Laufzeit sei die Ehe unter den gleichen Voraussetzungen wie während des Versöhnungsversuchs als Wochenendehe geführt worden, in seinem Urteil nicht gewürdigt. Es hätte begründen müssen, weshalb eine Wochenendehe keine Ehe im Sinne der Zusammenveranlagungsvoraussetzungen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht schlüssig. Betrifft die Geltendmachung der Verletzung des rechtlichen Gehörs ―wie hier― einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte, die zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sein sollen, setzt die Rüge insbesondere den substanziierten Vortrag voraus, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das FG nicht berücksichtigt habe, und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens das Urteil des FG ―bei dessen materiell-rechtlicher Auffassung― hätte anders ausfallen können (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Dezember 2002 IX B 104/02, BFH/NV 2003, 499, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn gerügt wird, das FG habe, da es zum Vorbringen der Klägerin nicht Stellung genommen habe, sein Urteil nicht ausreichend mit Gründen versehen (§ 96 Abs. 1 Satz 3, § 119 Nr. 6 FGO). Auch hier sind die Tatsachen vorzutragen, die den Mangel ergeben. Die Klagegründe und Angriffs- oder Verteidigungsmittel sind anzugeben, zu denen das FG nicht Stellung genommen hat (BFH-Beschluss vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46, m.w.N.). Solche detaillierten Angaben enthält die Beschwerdebegründung indes nicht. Die Klägerin hat die einzelnen Umstände, auf die das FG nach ihrer Ansicht nicht genügend eingegangen ist, nicht konkret bezeichnet, sondern nur pauschal behauptet, es habe ihr Klagevorbringen zum Bestehen einer Wochenendehe nicht gewürdigt.
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass das FG seine Entscheidung nicht darauf gestützt hat, dass der Versöhnungsversuch nur an Wochenenden stattgefunden hat, sondern darauf, dass das seit Februar 1996 währende dauernde Getrenntleben nach seiner Sachverhaltsbewertung nicht ―wenigstens vorübergehend probehalber― durch Wiederbegründung einer ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft unterbrochen worden sei.
Auf die Bewertung einer "Wochenendehe" kam es für die Entscheidung ersichtlich nicht an.
b) Auch soweit die Klägerin beanstandet, ihre Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden und den Berichterstatter im finanzgerichtlichen Verfahren seien zu Unrecht zurückgewiesen worden, kommt eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht in Betracht.
Beschlüsse gegen die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Da dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden. Geltend gemacht werden können nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) oder den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter greift jedoch nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (BFH-Beschlüsse vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640, und vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218, m.w.N.; Beschlüsse des Bundessozialgerichts vom 28. August 2002 B 11 AL 49/02 B, juris; vom 5. August 2003 B 3 P 8/03 B, juris, Sozialrecht ―SozR― 4-0000).
Solche schwerwiegenden Verfahrensverstöße trägt die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht vor. Sie wiederholt im Wesentlichen die Gründe, die sie in ihren Befangenheitsgesuchen beim FG vorgetragen hat und macht sinngemäß geltend, diese Gründe seien in den Beschlüssen des FG über die Ablehnung der Befangenheitsanträge zu Unrecht nicht anerkannt worden. Die Klägerin wendet sich damit gegen die sachliche Richtigkeit der Beschlüsse des FG. Sie trägt keine Umstände vor, aus denen sich eine greifbar gesetzwidrige Zurückweisung und damit eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter ergeben könnte. Der Senat bemerkt, dass sich dies auch aus der finanzgerichtlichen Würdigung nicht entnehmen lässt. Das FG hat in seinen Beschlüssen umfänglich zu den vorgetragenen Befangenheitsgründen Stellung genommen. Sachfremde Erwägungen sind nicht erkennbar. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang noch vorbringt, es bestehe der Verdacht, der Berichterstatter im finanzgerichtlichen Verfahren könne die übrigen Senatsmitglieder durch Äußerungen in den Vorbesprechungen zur mündlichen Verhandlung befangen gemacht haben, handelt es sich um eine bloße Behauptung. Ohne entsprechenden Tatsachenvortrag ist ein solches Vorbringen unschlüssig und damit unbeachtlich.
c) Zu Unrecht rügt die Klägerin auch im Rahmen ihrer Einwendungen gegen die Ablehnung ihrer Befangenheitsanträge, das FG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, da es aufgrund Indizien entschieden und ihre schriftsätzlich gestellten Beweisanträge übergangen habe.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung setzt insbesondere die genaue Angabe der ermittlungsbedürftigen Tatsachen und das voraussichtliche Ergebnis der Ermittlungen voraus. Ferner muss vorgetragen werden, inwieweit die weitere Aufklärung des Sachverhalts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschluss vom 30. April 2002 X B 150/01, BFH/NV 2002, 1049, m.w.N.). Solche Angaben enthält die Beschwerde nicht. Der Hinweis auf die Feststellung der ehelichen Gemeinschaft reicht dafür nicht aus. Vielmehr hätten die einzelnen Merkmale genannt werden müssen, die für das nicht dauernde Getrenntleben als Voraussetzung einer Zusammenveranlagung erforderlich sind. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin, wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt, ihre schriftsätzlich gestellten Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten hat und auf eine weitere Sachaufklärung ausdrücklich verzichtet hat.
d) Fehl gehen schließlich auch die Einwendungen der Klägerin, sie sei vom Gericht durch unnötige und sogar die Menschenwürde verletzende Fragen eingeschüchtert worden und habe in der mündlichen Verhandlung unter einer erheblichen Blutdrucksteigerung gelitten. Abgesehen davon, dass die Rüge der Klägerin auch insoweit keine Angabe zu Tatsachen enthält, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen können und daher bereits unschlüssig ist, handelt es sich bei Verstößen in der Art der Verhandlungsführung um verzichtbare Verfahrensmängel, die ohne eine entsprechende Rüge in der mündlichen Verhandlung im Rechtsmittelverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 100 ff.).
Fundstellen
Haufe-Index 1083295 |
BFH/NV 2004, 224 |
HFR 2004, 141 |